
Niemand, der an seiner Zeitung hängt, sollte sich erschrecken lassen. Aber wissenswert ist, was jüngst in der in Potsdam erscheinenden Märkischen Allgemeine (MAZ) verkündet wurde. Dort hat man die gedruckten Lokalausgaben Wittstock und Kyritz eingestellt.
Zum ersten Mal liefere man sie rein digital aus, als E-Paper. Genau wie zuvor den Prignitz-Kurier als erster reiner Digitalausgabe der MAZ. Dabei sind Experten unterwegs, um Leserinnen und Lesern zu Hilfe zu kommen.
Die Hälfte der Bestandsleser der Zeitung folgt ins Digitale
Mehr als die Hälfte der Bestandsleserinnen und -leser seien bereits in die digitale Zukunft gefolgt, freut sich MAZ-Chefredakteur Henry Lohmar auf der Social-Media-Plattform LinkedIn.
Als Botschaft kommt aus dem märkischen Land somit auch hier ein Wandel an, der dort in kleinem Maße sichtbar geworden ist, dessen Folgen aber noch sehr weitreichend werden können. Denn digital bieten sich längst fast alle Tageszeitungen an.
Worüber sich die Main-Post Geschäftsführung einig ist
Einige langjährige Leserinnen und Leser haben sich schon bei mir beklagt, dass sie sich von diversen digitalen Angeboten bedrängt fühlen. Ich kann sie etwas beruhigen. "Wir werden alles daran setzen, die gedruckte Zeitung so lange wie möglich am Leben zu erhalten", hat Main-Post-Geschäftsführer David Brandstätter auf meine Anfrage geantwortet.
Darüber sei er sich mit den beiden neuen Geschäftsführern Renate Dempfle und Bernd Riedel einig. Er fügt hinzu: "Da meinen wir nicht ein paar Jahre, sondern wirklich richtig lange."
Mit Digital-Abos wolle man niemanden bedrängen, sagt David Brandstätter. Aber anerkennen müsse man: Unterhalb einer Altersschwelle ist es kaum noch möglich, gedruckte Zeitungen zu verkaufen.
Doch seien es knapp 300.000 Menschen, die täglich noch die gedruckte Main-Post nutzen wollen. Deshalb habe man gerade viel in die Zustell-Qualität für 86.000 Abonnentinnen und Abonnenten investiert. Den etwa 300.000 Leserinnen und Lesern der Main-Post liegt eine verkaufte Auflage von 99.800 Zeitungen zugrunde.
Lohmar: "Print geht, aber unser Lokaljournalismus bleibt"
Tatsächlich ist aber die Auslieferung von Print-Zeitungen in alle Häuser bundesweit zunehmend schwerer zu gewährleisten, gerade in dünn besiedelten Gebieten. Wirtschaftlich sei sie nicht mehr darstellbar, erklärt für die MAZ ihr Chefredakteur Lohmar. Er unterstreicht aber ein ehernes Motto: "Print geht, aber unser Lokaljournalismus bleibt."
Gesellschaftliche und politische Zustände in Gebieten der USA, in denen sich klassische Zeitungen nicht mehr halten konnten, warnen. In solchen Gebieten steigt unter anderem die Wirtschaftskriminalität an.
Hierzulande wirken wirtschaftliche Veränderungen bereits schmerzhaft für Zeitungshäuser. Das sind schleichende Auflagenverluste und Einbrüche im Anzeigengeschäft. Noch fehlen Geschäftsmodelle, die eine digitale Existenz sichern. Dass es die "reinste Form des Wahnsinns" wäre, "alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert", liest man auch beim Kompetenzzentrum 4.0-Wissenschaft.
Der Wandel ins Digitale schreitet weiter fort
Politik und Gesellschaft sind gefordert – durch unser Grundgesetz. Das verpflichtet, die Institution freie Presse zu erhalten. Und die geht deutlich über öffentlich-rechtliche Sender hinaus. Freilich ist schon 2021 ein Modell der Presseförderung gescheitert. Aber die Frage, wie eine freie und vom Staat unabhängige Presse erhalten werden kann, stellt sich weiterhin.
Die Freude über die Ansage der Geschäftsführung der Main-Post darf aber hoffentlich lange erhalten bleiben. Wichtig ist es dabei, nicht aus den Augen zu verlieren, dass der Wandel der Medien unaufhaltsam weiter fortschreitet. Dass der bei der Main-Post längst gegenwärtig ist, das sollte auch Leser mit Print-Zeitung in der Hand beruhigen. Denn es geht um die Zukunft des Journalismus, einem Grundstein für die Demokratie.
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
Frühere Leseranwalt-Kolumnen zum Thema:
Dez. 2022: "Wenn ein Leser die halbe Anzeigenseite vor dem Titel kritisiert"
Aug. 2022: "Wenn die Zeitung nicht kommt, wie die Feuerwehr wenn's brennt"
April 2021: "Warum Werbung für eine Zeitung so wichtig ist"
Juni 2020: "Vom Abonnenten, der nur die Tageszeitung wollte"
Aug. 2018: "Reichweite ist nicht alles"
Dez. 2015: "Der wachsende Anspruch an Schlagzeilen und die Suche nach dem Bleibenden"
Nov. 2009: "Der Preis einer Zeitung errechnet sich nicht nach ihrem Gewicht"