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Der Leseranwalt: Demokratie verpflichtet kommunale Parlamente zu öffentlichen Beratungen und Abstimmungen
Redaktion
 |  aktualisiert: 18.05.2010 09:29 Uhr

Dass Behörden ihre gesetzliche Auskunftspflicht gegenüber Vertretern von Medien gelegentlich als störend empfinden, habe ich jüngst beklagt. Zuschriften zeigen, dass diese amtliche Verpflichtung für einige Leser neu war. Sie haben sich bei mir bedankt, zumal dahinter der demokratische Grundsatz der Bürgerbeteiligung über die Inhalte unabhängiger Medien steckt. Trotz weniger schlechter Beispiele glaube ich, dass man es auch in Behörden und politischen Gremien so sieht.

Aufmerken ließ mich dennoch, was mir ein früherer Mitarbeiter der Rechtsaufsicht eines Landratsamtes geschrieben hat. Er ging auf die von mir beklagte Neigung von Kommunalparlamenten ein, kritische Themen nicht öffentlich zu beraten. Dies sei „nicht ins Ermessen eines Bürgermeisters oder Gemeinderates gestellt“. Er fürchtet, dass in meinem Text ein falscher Eindruck entstehen konnte. „Beratung und Abstimmung sind immer öffentlich“, stellt der einstige Aufsichtsbeamte klar. Die Gemeindeordnung nehme lediglich Personal- und Grundstücksangelegenheiten aus und in sehr seltenen Fällen die Vergabe von Aufträgen. Letzteres nur dann, wenn über den Ausschluss einer Firma zu reden sei.

Nun beklagt der rechtskundige Ruheständler, dass Redakteure die Verstöße gegen die Pflicht zur Öffentlichkeit von Sitzungen häufig kritiklos hinnehmen. Ich kann das nicht gänzlich zurückweisen. Wählen Redaktionen doch oft einen legitimen journalischen Umweg: Sie greifen für Berichte aus geschlossenen Beratungen gewählter Volksvertreter auf Informanten zurück, auf beteiligte Stadt- oder Gemeinderäte. Die können sich darauf verlassen, dass ihre Identität nie preisgegeben wird und gesetzlich geschütztes Redaktionsgeheimnis bleibt.

Wohl aus Erfahrung resümiert der einstige Rechtsaufseher noch, dass auch die Rechtsaufsichtsbehörden, die in den Landkreisen der Landrat führe, „nie“ gegen Öffentlichkeitsverstöße in Gemeinderäten einschreiten. Aus politischen Gründen, vermutet er. Ich denke, er spricht damit an, dass Landräte umgekehrt oft die Unterstützung der Bürgermeister brauchen, weil die in den für sie wichtigen Kreistagen den Ton angeben. Abgesehen davon, schließen Landräte und Kreistage selbst mitunter Sitzungssäle ab, wenn es ihnen politisch angemessen erscheint.

Das Recht der Medien auf Auskunft aus Behörden und die Pflicht zur Öffentlichkeit von Sitzungen sind gesetzliche Grundlagen mit einem gleichen Ziel: die demokratische Beteiligung. So ist es wichtig, genau hinzuschauen, was nicht öffentlich beraten wird – zumindest die Tagesordnung muss öffentlich sein.

 
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Kommentare
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  • tagblatt_leser
    Ein paar Sätze möchte ich ergänzend zu meinem ersten Beitrag noch anhängen:

    Auf Bundesebene und in vielen Bundesländern gibt es bereits "Informationsfreiheitsgesetze". Sie verpflichten die Behörden zu Auskünften an Bürgerinnen und Bürger in bestimmten Rahmen. Bayern macht hier wieder einmal eine "rühmliche" Ausnahme. Ein entsprechendes Gesetz gibt es (noch) nicht. Hier könnte gerade die FDP, die ja mit am Kabinettstisch in München sitzt, ihre Duftmarken setzen, zumal sie einem entsprechenden Aktionsbündnis lt. Transparency International Deutschland angehört. Ein entsprechendes Gesetz ersetzt zwar nicht den Anspruch auf Öffentlichkeit aktueller Gemeinderatssitzungen, aber unsere Damen und Herren Kommunalvertreter können sich hinterher nicht mehr so einfach aus ihrer Verantwortung für ihre Entscheidungen stehlen.

    Dem Internetauftritt dieser Organisation zufolge - www.transparency.de - hat die Gemeinde Prien am Chiemsee sogar eine gemeindliche Satzung erlassen, in der die Gemeindeverwaltung zu Informationen an die Einwohner verpflichtet ist.

    Hier die Anregung an die Redaktion: Vielleicht wäre das eine umfassendere Berichterstattung wert.
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  • ingriddusolt
    Ja - nach außen ist alles ja so transparent. Aber viele Themen werden leider noch immer im stillem Kämmerlein besprochen, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht zuviel erfahren könnten. Wenn dann bei der Rechtsaufsicht nachgefragt wird, ob das so sein darf, wird leider häufig wie im vorgehenden Kommentar beschrieben reagiert. Aber steter Tropfen höhlt den Stein !
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  • tagblatt_leser
    ... sind sie schon, unsere Landräte (und -rätinnen) in Bayern. Sie sind mit einer Machtfülle ohnegleichen ausgestattet. Ganz hat sich der frühere Mitarbeiter der Rechtsaufsicht von seiner einstigen Tätigkeit wohl noch nicht lösen können. Ein gewisses Maß an Enttäuschung glaube ich aus seiner Äußerung zu den Öffentlichkeitsverstößen schon entnehmen zu können. Sagen wir es doch offen und ehrlich: Ein Landrat kann seine zuständigen Mitarbeiter zu zahnlosen Papiertigern werden lassen - um so mehr, wenn es darum geht, den nachgeordneten Gemeinden auf die Finger zu klopfen. Dabei gäbe es genug Beispiele, die zeigen, dass es berechtigt wäre, den einen oder anderen Bürgermeister einmal zurück zu pfeifen. Bürger/innen, die sich bei der Kommunalaufsicht beklagen, werden mit nichtssagenden Schriftsätzen abgewimmelt: Der Bürgermeister hat alles "richtig" gemacht, Verfahrensverstöße sind nicht erkennbar usf. - Erfahrungen habe ich hier schon selbst gemacht.
    Ob es hilft, die Kommunalparlamentarier, denen das Spiel nicht gefällt, sie zu Informationen an die Zeitungsredaktionen zu ermuntern, vermag ich fast zu bezweifeln. Sicherlich gibt es das hohe Rechtsgut des Redaktionsgeheimnisses, doch wird ein Bürgermeister nichts unversucht lassen, den/die "Nestbeschmutzer" ausfindig zu machen. Hier trifft es zuerst jene Gemeinderatsmitglieder, die schon in der Vergangenheit "auffällig" waren... In deren Haut möchte ich angesichts des einsetzenden Haberfeldtreibens nicht stecken.
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