
Diese Abende mit Matthias Lasch hatten stets Magie. Der 58-Jährige ist besser bekannt als Mat Sinner, als Kopf der Band Sinner, als Bassist von Primal Fear und Voodoo Circle – und als Gastgeber all jener Rock-Stars, die sich seit 2010 die Klinke in die Hand geben auf den Rock-meets-Classic-Touren (RMC). Ursprünglich eine Idee des Würzburger Veranstalters Manfred Hertlein, wurde erst unter Sinners musikalischer Leitung ein Dauerbrenner draus: Hard&Heavy-Klassiker, begleitet von einem Orchester – eine Traumreise durch fünf Jahrzehnte Musikgeschichte. Und nach drei Jahren Corona-Pause stehen in Würzburg wieder sieben Legenden auf der Bühne. Nur einen vermissen die 3000 Fans am Freitagabend in der ausverkauften tectake Arena: Matthias Lasch.
Mat Sinner ist krank, schwer krank. 2021 führte ihn seine Erkrankung in acht Monaten durch acht Krankenhäuser – Heilung fand er bis heute nicht. Über die Diagnose sprach und spricht er nicht. Nur, dass er zurück auf die Bühne komme, hat er gesagt. Mit Sinner hat er 2022 eine Platte rausgebracht, eine mit Primal Fear entsteht gerade und soll im September betourt werden. Mitte März jedoch die Nachricht auf seiner privaten Facebook-Seite: "Ich werde auf der RMC-Tour nicht dabei sein, auch nicht im Hintergrund. Game over! Die Mat-Sinner-Band gibt es nicht mehr. Habt Spaß auf den Konzerten, denn RMC wird immer ein Teil meines Lebens bleiben." Und die Fans haben Spaß.

Das neue Tour-Motto heißt "The Greatest Rock Hits" – ein bisschen hoch gegriffen vielleicht, Queen, AC/DC oder U2 hatten ja auch ein paar. Andererseits: Wenn schon der Opener einen Song raushauen kann, bei dem die Härchen auf den Armen stehen, sind Superlative nicht daneben: Mike Tramp singt seit den frühen Achtzigern bei White Lion – und im etwas knapp sitzenden Karo-Zweiteiler mit "When the Children cry" eine überragende Anti-Kriegs-Ballade.
Maggie Reilly sorgt für die leisen Töne des Abends
Ronnie Romero ist erst seit 2015 Sänger der Kult-Rocker Rainbow, sucht zunächst stimmlich Ronnie James Dio, den berühmtesten seiner Vorgänger, findet ihn aber nach "Long live Rock'n'Roll" nicht mehr. Doch: Er schlenkert "Since you've been gone" und "I surrender" so lässig in die Menge, dass die Meisten ihren Sitzplatz gegen einen Quadratmeter Tanzfläche eintauschen.
Kontrastprogramm liefert die schottische Sängerin Maggie Reilly, die vor ihrer Solo-Karriere zwischen 1980 und 85 Prog-Rocker Mike Oldfield zu Chart-Erfolgen verholfen hat. "Moonlight Shadow" oder "To France" wären ohne ihren glockenhellen (inzwischen kratzig gewordenen) Sopran kaum so durch die Decke gegangen. In Würzburg sorgt Reilley für die wenigen ruhigen Momente.

Beinahe halbe Unterfranken sind Mick Box und Bernie Shaw von Uriah Heep. Nicht nur, dass sie gelegentlich zum Schöppeln in Eibelstadt aufschlagen, in Sinners Orchester-Paket sind sie zum dritten Mal dabei. Und feiern sich selbst – für 50 Jahren Bühnen-Historie. "July Morning" demonstriert, zu welch Innovation die Briten mal fähig waren. Eher simpel, aber halt unvergesslich: "Lady in Black" – und im Refrain wird die tectake Arena zum Chor-Saal. Den beiden Blondies ist beides recht, sie haben Spaß auf der Bühne – richtig Spaß.
Was war das in den Achtzigern für ein Aufriss: Ein Mann mit blonder Lockenpracht, geschminkt in allen Farbnuancen eines Papageiengefieders, plärrt "I wanna Rock". Frontmann von Twisted Sister ist Dee Snider seit deren Ende 2016 nicht mehr. Mit dem Glam-Punk-Gassenhauer "We're not gonna take it" gibt er in Würzburg eben alleine den ewigen Rebell. Er weiß wie Party geht, und auch wenn da noch einer kommt, wird schnell klar: Der 68-Jährige ist der Star des Abends – und könnte immer noch die große Wacken-Bühne bespielen wie zuletzt vor sieben Jahren.
Europe-Sänger Joey Tempest und das berühmte Keyboard-Riff
Ob Joey Tempest 1986 geahnt hat, dass der Europe-Hit "The final Countdown" mal weltweit den Jahreswechsel einläuten würde? Dabei hatte der Schwede das legendäre Keyboard-Riff schon fünf Jahre vorher komponiert. Nicht der einzige Geniestreich des 59-jährigen Songwriters, der immer noch Bravo-Starschnitt-tauglich wirkt. "Superstitious", "Carrie" – da hat wohl Einer nen Fünfer in die Wurlitzer geschmissen und den Knopf Europe-Monster-Hits gedrückt. So richtig aus sich raus kommt Tempest erst bei "Rock the night" – oder isses wegen des Rosensträußchens aus Reihe eins?

Eine große Konstante im verlässlich schnurrenden Rock-meets-Classic-Motor ist das RMC-Symphony-Orchestra. Okay, die Bamberger Symphoniker sind das nicht, aber junge, talentierte Musikerinnen und Musiker – die am Freitagabend aber ankämpfen müssen gegen Gitarren- und Drum-Wucht. Zuviel Rock, zu wenig Klassik hier und da.