
Andy Scott spielt seit 50 Jahren Gitarre bei den britischen Glam-Rockern The Sweet. Er ist 70, trägt schulterlanges Blondhaar und beteuert dessen Echtheit. Die Glatzen der Kollegen Andy Powell von Wishbone Ash und Pete Agnew von Nazareth, beide in der gleichen Altersklasse, sind definitiv echt. "Sie haben die gleiche Frisur und Frauen finden das heute sexy", witzelt Scott, der sich selbst für "altmodisch" hält. Umso wohler fühlt er sich als Gastgeber eines etwas anderen Konzert-Projekts: "Music & Stories" – neben drei Rock-Legenden gibt's Anekdoten aus 50 Jahren Musik-Geschichte.

Scott ist mit diesem Konzept auf Deutschland-Tour, neben Wishbone Ash und Nazareth sind Uriah Heep am Start, ein geballtes Rock'n'Roll-Paket von der Insel also. Jede Kapelle hat 50 Jahre auf dem Buckel. Da gibt es Geschichten zu erzählen.
Und Interviewer Andy Scott entlockt den Herrschaften vor gebannt lauschenden 800 Fans in der Würzburger Posthalle in den Umbaupausen einige. So erzählt Agnew, dass es mal ein Just-for-Fun-Foto mit je zwei Wishbone-Ash- und Nazareth-Musikanten auf einer Tour in Südafrika gegeben habe. In einer Tageszeitung stand dann der eine Bandname drunter, in einer anderen der andere. Und die Fans staunten.
Deep-Purple-Legende an den Tasten
So heiter-beschwingt es durch die vier Stunden aber auch geht, so traurig ist der Grund, warum Uriah-Heep-Keyboarder Phil Lanzon nicht dabei ist. Sei Sohn ist an Krebs gestorben, der Papa nahm sich ein paar Tage frei für die Beerdigung. So steht da eine andere Legende an den Tasten: Don Airey, seit 2002 Jon-Lord-Nachfolger bei Deep Purple, spielte schon für Ozzy Osbourne, Judas Priest, Black Sabbath, Rainbow oder Gary Moore. In Würzburg lassen ihm die Uriah-Heep-Kollegen Platz für Orgel-Orgien, Old-School-Material wie "Rainbow Demon" oder "July Morning" sei Dank. Ein extrem intensiver Auftritt der Truppe um Gründungsmitglied Mick Box und Sänger Bernie Shaw, da hätte es die Gassenhauer "Lady in Black" oder "Easy Livin'" gar nicht mal gebraucht.

Dass Box und Shaw den fränkischen Schoppen schätzen, ist bekannt, backstage gibt's von Weinkönigin Carolin Mayer eine große Tragetasche voller Bocksbeutel. Und die Musiker versuchen sich in der korrekten Aussprache von Silvaner und Scheurebe. Auch Scott fragt die Heeps nach Sex and Drugs and Rock'n'Roll. Shaw beteuert, ersteren nur mit seiner Frau zu haben, zweiteres nur in Form von Aspirin zu konsumieren. Nur der Rock'n'Roll, der sei immer noch lebendig, selbst bei einem Gig auf dem Schweizer Viertausender Jungfrau, wo es "arschkalt" gewesen sei. Die Silberlocken Scott und Box posieren und beschließen noch, sich für eine Herr-der-Ringe-Neuverfilmung als "die zwei Wizards" zu bewerben.
Atemberaubende Gitarren-Duelle
Freilich kommt auch die Musik nicht zu kurz. Nazareth wagen angesichts der sie flankierenden Gitarren-Heroen auch mal längere Soli. Sie sind die Metaller des Abends und lassen es – auch wegen der kraftvollen Stimme von Carl Sentence und trotz der Pflicht-Ballade "Dream on" – zwischen "Miss Misery" und "Morning Dew" ordentlich scheppern. Während Wishbone Ash sich mit "The King Will Come" oder "Throw down the sword" nicht nur thematisch deutlich epischer präsentieren. Powell und Mark Abrahams liefern sich atemberaubende Gitarren-Duelle. Und Powell gesteht "den größten Fehler meines Lebens": Ums Haar hätte er bei den Aufnahmen zu John Lennons "Imagine"-Album gespielt, wenn er nicht zu müde gewesen sei.