„The Boys are back in Town.“ Jungs, zurück, Stadt – passt alles: Beim zehnten Rock meets Classic sind es überwiegend Herren, die als Stars von einst wieder da sind, in der Stadt Würzburg. 3000 Fans wollen dabei sein in der ausverkauften s.Oliver-Arena, die so wunderbar zu diesen Revival-Dingern passt. Früher wurde eben noch in Schulturnhallen gerockt. Und Rocker waren Typen. Und das sind diese Kerle auch heute noch.
Thin Lizzy eröffnen mit diesem breitbeinigen Song einen Abend, der unvergesslich bleiben wird für Menschen, die den Fünfer vornedran lässig auf dem Tanzbein jonglieren – und den Sechser, so vorhanden, elegant in die Ecke kicken. 50 Jahre gibt's die Iren schon. O.k., Phil Lynott ist tot, Gary Moore auch. Und Gitarrist Scott Gorham ist Amerikaner, Sänger Ricky Warwick Nordire – puh, trotzdem rumpeln die beiden das ansonsten sehr präsente RmC-Orchester zur Seite, als würden sie gerade einen Irish Pub auseinanderlegen. Und zwei Tage vor St. Patrick Day gibt's natürlich „Whiskey in the Jar“ – hoch den Becher.
Da hat sich der Kanadier Mike Reno gedacht, er könne auch wild posen und sich die Stimme von den Streichern und Bläsern aufpumpen lassen. Falsch gedacht. Was hat der Kerl früher so schön bei Loverboy gesungen.
Ein Mikrofon auf Stirnhöhe
Jetzt hantiert er mit dem Mikro auf Stirnhöhe herum, man möchte meinen, die besten Töne rutschen raus, wenn er die Lippen geschlossen hält. Na, ja, wer die brillante Band von Festival-Boss Mat Sinner ein Hammer-Riff wie bei „Turn me loose“ spielen lassen kann, mogelt sich eben durch. Trotzdem, wäre der Abend ein Wettrennen gewesen, für Reno hätte gegolten: Einer muss halt der Letzte sein.
Zumindest sind ihm die Sweet-Jungs davon gerannt. Und das nicht nur, weil sie keine Plateaustiefel wie in den Siebzigern mehr tragen. Andy Scott sieht mit seiner platinblonden Langhaarperücke zwar aus wie Abbas Agnetha im Seniorenstift, rupft seine sechs Saiten aber wie ein Junger. Und Peter Lincoln, 2006 dazu gestoßen, gibt Glam-Rock-Legenden wie „Block Buster“ oder „Ballroom Blitz“ den stimmlichen Glanz, den sie mit Brian Connolly nie hatten. Der Saal tobt, als wäre noch Rosenmontag. Und wer erinnert sich bei „Fox on the Run“ nicht daran, wie er mit der Luftgitarre durchs Kinderzimmer getollt ist?
Anna Maria Kaufmann findet sich
Und plötzlich steht da ein Persönchen auf der Bühne, mit Brille und Omas Dauerwelle, das aussieht, als habe es gerade noch im Schaukelstuhl gesessen und gestrickt. Von wegen Oma. Das ist Kevin Cronin. Schüchtern stimmt er seine Akustikgitarre an – um anschließend aufzublühen wie Sonnenblumen, diese Dinger, die immer größer werden, als man es für den Standort im Garten geplant hat. Was hat der mit seinen 67 Lenzen an Stimme und Ausstrahlung. „Take it on the Run“, „Can't fight this Feeling anymore“, „Keep on lovin' you“ – schade, das das kein ganzes REO-Speedwagon-Konzert wird.
Zwischen all den Rockern, den breitbeinigen wie den sanften, wirkt Special Guest Anna Maria Kaufmann etwas verloren. Doch die 54-jährige Opern- und Musicalsängerin findet sich und das Publikum mit Americas „The Last Unicorn“ und (im Duett mit Geburtstagskind Lincoln) „Phantom der Oper“ recht geschickt – da stört auch das alberne weiße Tüll-Teil um die Hüften nicht.
Ian Gillan indes stört sein edler dunkelblauer Zwirn. Die Deep-Purple-Legende startet mit „Highway Star“, entledigt sich dann schnell des Jackets, pflückt das weiße Hemd aus dem Hosenbund und krempelt die Ärmel hoch – ready to rock. 73 Jahre hat dieser Brite auf dem Buckel, man mag's kaum glauben. Er kann röhren („Black Night“, „Hush“), aber auch sehnsuchtsvoll schmachten: „When a blind Man cries“ ist wie gemacht für seine gefühlvolle und eindringliche Stimme. Und natürlich geht der Kerl nicht ohne „Smoke on the Water“ von der Bühne.
Da stehen sie alle nochmal mit oben. Und haben Spaß an diesem All-inklusive-Kurztripp ins Rock'n'Roll-Hotel. In das auch nächstes Jahr wieder illustre Gäste einziehen werden. Alice Cooper hat gebucht, Joyce Kennedy von Mother's Finest und die Jungs von Thunder. Das Konzept mit den Alten scheint ewig jung zu bleiben.