„Als Prinz von Schottland darf ich den König von Schottland ankündigen.“ Ex-Ultravox-Sänger Midge Ure bittet Ex-Nazareth-Sänger Dan McCafferty auf die Bühne. Vielleicht der Moment bei „Rock meets Classic“, dem Stelldichein der Ex-en. McCafferty wagt sich an A-cappella-Versionen von „Dream on“ und „Love Hurts“ – und über 3000 Fans der gepflegten Rockmusik tun sich ein bisschen schwer, das einzuordnen. Im Zweifelsfall siegt der Nostalgiefaktor von 22 Alben in 45 Jahren: Nazareth war McCafferty, war Reibeisenstimme, war Gänsehaut. Wenn die Stimme des schwer lungenkranken 69-Jährigen da ist, dann ist sie da. Aber so was von. Doch sie bricht ihm immer wieder weg. Genau diese Momente machen so eine Altrocker-Parade aber aus.
Mat Sinner hat mal wieder geladen: Rock meets Classic. Die Band des Stuttgarter Metal-Bassisten, das Bohemian Symphonic Orchestra und eine wechselnde Riege ehemaliger und aktueller Stars des Hardrock und Heavy Metal gehen nun schon im siebten Jahr auf Deutschland-Tour – der Startschuss fällt in der Würzburger s.Oliver Arena. Und wie: Nach einem kleinen Streicher-Einstieg feuert Ex-Kansas-Sänger Steve Walsh „Carry on my wayward Son“ raus, als hätten wir 1976.
Mensch, 40 Jahre hat der Song auf dem Buckel. Und immer noch eine Magie, dass sich selbst „Dust in the Wind“ im zweiten Teil der Drei-Stunden-Show hinten anstellen muss. Mit der Magie hatten's Sweet in den 70ern ja nicht so sehr, Hau-drauf-Party-Glamrock halt: Bei „Fox on the Run“ hält's keinen auf den Sitzen. Auch später nicht bei „Ballroom Blitz“, wo die deutsche Metal-Queen Doro Pesch mit Gitarrist Andy Scott und Sänger Pete Lincoln über die Bühne fegt. Doro, knackig und gut gelaunt wie eh und je, darf ihre neue Single „Love's gone to Hell“ erstmals live singen, ehe ihre Hits „Für immer“ und „All we are“ an der Reihe sind.
Nur, wo bleibt das Orchester? Es fügt sich harmonisch ins Gerocke, setzt aber kaum Akzente. Die schicken Streicherinnen gehen im Bläser-Überschuss unter. Solisten hat's gar nicht. Zu allem Überfluss verirren sich die Symphoniker auch noch in der „Star Wars“-Thematik, womöglich irritiert, als Dirigent Bernard Wünsch Taktstöckchen mit Leuchtschwert tauscht.
Von nichts und niemandem irritieren lässt sich Midge Ure. Die New-Wave-Legende ist überragend bei Stimme, „Vienna“, „Dancing with Tears in my Eyes“ oder „Hymn“ gehen runter wie Öl. Der introvertierte 62-Jährige ist der heimliche Star des Abends. Daran ändert auch die Aura von Scott Gorham nichts: Das Thin-Lizzy-Urgestein, das mit einer kleinen Unterbrechung seit 1974 den Zwillings-Gitarren-Sound der Iren prägt, spielt mit einer unglaublichen Lässigkeit. „Tonight there's gonna be a Jailbreak“ oder „Dancing in the Moonlight“ holen – auch dank der markanten Stimme von Ricky Warwick – vor allem die Älteren von den Sitzen. Die sind in der Mehrheit und wollen die Kracher aus den 70ern abfeiern. Oh, Jugend, da bist du wieder.
Die steht auch Europe-Sänger Joey Tempest nicht mehr so engelsgleich ins Gesicht geschrieben. Ein stimmgewaltiges Energiebündel ist der schwedische Mädchenschwarm von einst aber immer noch. Und, na klar: Einige Damen tänzeln immer noch mit glasigen Augen durch die Reihen nach vorn – und heißen für ein paar Minuten „Carrie“.
Dass dem auch schon 52-Jährigen, dessen wilde Locken Geschichte sind, mal das Mikro aus dem dazugehörigen, glänzend weißen Ständer purzelt – geschenkt. Denn mit seinem finalen Countdown hat er die Menge längst so um den Finger gewickelt, dass selbst sein schwarzes Glitzer-Hemdchen nicht mehr nervt. Dann noch ein kollektives „Rock 'n' Roll“ (Led Zeppelin) mit allen Künstlern als Zugabe – und fertig ist's geschnürt, das Rund-um-Sorglos-Paket der zeitlosen Rockmusik.