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WACKEN
Verkaufen die Wacken-Bosse ihre Idee?
Typische Musiker-Pose, jedenfalls für Wacken
Foto: Michael Bauer | Typische Musiker-Pose, jedenfalls für Wacken
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:54 Uhr

Das größte deutsche Heilbad liegt in Schleswig-Holstein. In Wacken. Einmal im Jahr wird aus dem Gelände des Heavy-Metal-Festivals, dank nordischer Regen-Garantie, ein riesiges Moorbad: Dann ist W. O. A. – das Wacken Open Air. Der Boden schwarz, die Klamotten auch – vier Tage ist's eine schwarze Walze aus 85 000 Menschen und Matsch. Die Fans feiern Stars wie Accept, Megadeath oder Volbeat. Sie wundern sich über das lebende Wrack Marilyn Manson. Und überlegen jeden Morgen: Gummistiefel oder Wanderschuhe?

Vom Rock-Rentner (Status Quo, Alice Cooper), Melodic-Metaller (Avantasia, Europe), Finster-Fraktion (Mayhem, Emperor), Brutalo-Bande (Aborted, Nile) über Thrasher (Megadeath), Deather (Possessed) und Wikinger (Amon Amarth) ist alles vertreten.

Würzburger auf der Bühne

Mitten drin fünf Würzburger: NullDB heißt die Band, ihr Metal ist deutschsprachig und erinnert ein bisschen an Rammstein. Gerade erst ist Album Nummer drei („Geboren in Ketten“) erschienen. 2013 waren sie schon mal hier, damals im Zelt, heuer auf der Wasteland-Stage, einer kleineren Bühne inmitten endzeitlicher Mad-Max-Atmosphäre. Frank Kühnlein & Co. sind am Donnerstagabend dran – der Sänger und Gitarrist ist begeistert: „Großartiger Gig, wahnsinnige Stimmung.

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Das war noch cooler als vor vier Jahren, aber ich habe auch noch die rosarote Brille auf, bin total geflasht.“ Und der Matsch? „Der ist scheiße, gehört aber irgendwie dazu.“

Dazu gehört bei Deutschlands größtem Metal-Festival längst mehr als Musik. Morgens eine Runde Metal-Yoga? Yoga-Lehrerin Saskia Thode, eine durchtrainierte Blondine mit unzähligen Tattoos, macht's zu ruppigen Riffs vor, die Metal-Jünger versuchen's ihr gleichzutun: Statt Lotus-Blüte und Sonnengruß heißen die Verrenkungen Bein-Gitarre, Totengräber und Stage Diving. Gut 200 Rocker und insbesondere Rockerinnen wagen sich täglich auf die – natürlich – schwarzen Matten.

Gut gemeint sind sicher auch der Nachwuchs-Wettbewerb „Wacken Metal Battle“, die sich ebenfalls um junge Bands kümmernde Wacken Foundation oder die Möglichkeit, Blut zu spenden und dafür den original W. O. A.-Blutspendepass zu bekommen. Unfug freilich sind das Wrestling-Turnier sowie neuerdings ein Kochkurs mit dem Black Metal Chef, dem veganen Starkoch Matthew Monowitz aus Los Angeles. Irgendwo zwischen 280 Hektar Acker, 850 Dixie-Klos und der brandneuen Ein-Kilometer-Bier-Pipeline gibt es eben so einen Schmarrn . . .

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Ja, wenn sie nicht aufpassen, die Wacken-Bosse, dann überspannen sie den Bogen, verkaufen ihre Idee. 1990 war alles mit einem Bauwagen-Konzert vor ein paar Hundert Fans losgegangen. Daraus entwickelte sich eine Massenveranstaltung, die seit Jahren ratzfatz ausverkauft war, gleich nach dem Ende des jeweils letzten Festivals. 2017 nicht, da gingen die letzten Tickets erst im Sommer an den Fan. Der feinfühlig ist. Metaller pflegen den latenten Hang zum Elitären, „true“ muss es sein, bloß nicht zu viel Firlefanz.

Passt das noch dazu?

Nur, passen „cashless Payment“ und die Neuauflage des legendären Werner-Rennens im kommenden Jahr dazu? Oder die unzähligen Schwester-Veranstaltungen wie Wacken Winter Nights, Full Metal Cruise (auf dem Kreuzfahrtschiff), Full Metal Mountain (im österreichischen Skigebiet Nassfeld) und 2018 auch noch Full Metal Holiday auf Malle? Oder das Moshtel, ein Container-Hotel, wo im Zimmer zum Vier-Tages-Preis von 1200 Euro Dusche und WC warten, davor ein Whirlpool und eine Cocktail-Lounge?

Für Mille Petroza, den Sänger der deutschen Thrash-Metal-Legende Kreator, der 1996 erstmals hier war, ist das kein Problem. „Wir mögen die Leute. Das ist wie ein Familientreffen, das ist mit anderen Festivals nicht zu vergleichen.“ Für Petroza lebt der Mythos, für Tausende „Wacköööööööön“-Schreihälse auch. Doch der Raum für substanziell Neues ist dünn. 2018 kommen mit Nightwish, Arch Enemy und Doro Stammgäste, die in den letzten Jahren die Festival-Shirts geziert hatten.

 
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