Philipp Kunz wurde am 16. Februar 1990 in Wertheim geboren und ist in Erlenbach (Landkreis Main-Spessart) aufgewachsen. Unter Trainer Michael Schiele begann er 2018 als Athletikcoach für die Würzburger Kickers zu arbeiten und weiß heute ganz genau, wie unterschiedlich Trainer ticken können. Sieben von ihnen – neben Schiele unter anderem Marco Antwerpen, Bernhard Trares und Torsten Ziegner – erlebte er allein bei den Rothosen. Danach wechselte er für ein halbes Jahr zu Admira Wacker nach Österreich, das wie die Kickers Teil des inzwischen beerdigten Projektes Flyeralarm Global Soccer war.
2022 holte Schiele seinen ehemaligen Athletiktrainer Kunz zum Zweitligisten Eintracht Braunschweig, wo dieser ebenfalls ein halbes Jahr Station machte. Aktuell promoviert der 34-Jährige an der Julius-Maximilian-Universität zum Thema Belastungssteuerung. Er kann sich aber gut vorstellen, wieder in den Profifußball zurückzukehren.
Philipp Kunz: Das war Philipp Burneckas. Wir kennen uns von den Würzburger Kickers, wo wir beide Athletiktrainer im Jugendbereich waren. Ich bin dann in die Herrenmannschaft hochgerutscht, er ist zu den Bundesliga-Basketballern gewechselt.
Kunz: Genau. Ich habe in Würzburg Lehramt studiert – Sport und Englisch fürs Gymnasium. Meine Arbeit am Leistungszentrum der Kickers war zunächst ein Studentenjob. Über die Jahre wurde mein Engagement immer intensiver. Ich hab mich schließlich gegen das Lehramt entschieden, hier an der Uni in der Sportwissenschaft als wissenschaftlicher Mitarbeiter angefangen und mit meiner Promotion begonnen. Gleichzeitig bin ich bei den Kickers zu den Profis hochgerutscht, die zu dieser Zeit in der Dritten Liga kickten.
Kunz: Ja. 2020 sind die Würzburger Kickers mit Michael Schiele als Trainer in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Ab diesem Zeitpunkt wurde mein Hobby zum Full-Time-Job. Da war ich nur noch im Fußball tätig.
Kunz: (lacht) Das ist richtig.
Ist es anstrengend, sich innerhalb sehr kurzer Zeit immer wieder auf völlig unterschiedliche Arbeitsweisen und Wünsche einlassen zu müssen?
Kunz: Ja, die Trainer hatten schon alle sehr unterschiedliche Ansprüche. Es ist inzwischen in der Branche gang und gäbe, dass es einen Athletiktrainer gibt. Allerdings gibt es Coaches, die verlassen sich lieber auf ihr Bauchgefühl oder ihre Erfahrungen als Spieler und lassen sich von ihren subjektiven Eindrücken leiten. Dann gibt es aber auch diejenigen, die den Mehrwert eines datenbasierten Trainings erkennen. Es gibt in beide Richtungen extreme Ausprägungen. Und dann gibt es die Trainer, die in der Mitte liegen. Die den Daten trauen, diese auch verwenden, aber auch ihr Bauchgefühl einfließen lassen. Davon bin auch ich ein Freund. Ich denke, dass beide Extreme nicht förderlich sind.
Haben Sie diese Extreme bei Ihrer Arbeit am Dallenberg erlebt?
Kunz: Trainer, die extrem datengesteuert sind, eher weniger. Durchaus aber die, die fast nur auf ihr Bauchgefühl vertraut haben.
Kunz: Meistens lief es so, dass ich dem Trainer beschrieben habe, was wir bisher gemacht haben und welche Auswertungen sein Vorgänger von mir bekommen hat. Ich habe versucht, herauszuhören, was ihm wichtig wäre und dann die entsprechenden Daten herausgesucht. Manche haben diese mit mir besprochen, für andere war es einfach nur eine Information. Unabhängig vom Trainer war es immer meine Aufgabe, die Unmengen an Daten sinnvoll zu filtern und zu verstehen, was sie bedeuten.
Kunz: Mit Michael Schiele. Wir lagen von Anfang an auf einer Wellenlänge, hatten die gleiche Meinung zur Trainingssteuerung. Wir haben uns vertraut. Jeder wusste, dass der andere einen guten Job macht, man sich aufeinander verlassen kann.
Kunz: Der kam schon überraschend. Die anderen Trainerwechsel hatten sich immer angekündigt. Man gewinnt über die Jahre auch Erfahrung und merkt, wenn die Stimmung kippt im Verein. Das war im Fall von Michael Schiele anders. Das kam ja für alle überraschend. Für mich persönlich war das nicht so einfach, weil ich mich zu der Saison entschlossen hatte, Vollzeit in den Fußball zu gehen. Das war auch eine Entscheidung für ihn gewesen.
Kunz: Vor allem mein Aufgabenbereich. Wir waren zwei Athletiktrainer und ich vor allem für die Betreuung einzelner Spieler zuständig. Ich hab' geschaut, welche Spieler verletzt sind oder Bedarf haben an individuellem Training. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, auch, weil man mit dem Einzelnen eine sehr tiefe Bindung aufbauen kann. Man verbringt jeden Tag viel Zeit miteinander und erfährt zwangsläufig, was das Gegenüber außerhalb des Sports beschäftigt, welche Sorgen es hat.
Kunz: Ja. Dadurch, dass man viel von der Leidenszeit des Spielers mitbekommt – nicht nur auf physiologischer, sondern auch auf psychologischer Ebene – hat man schnell ein Gespür für den anderen. Mit Braunschweigs Luc Ihorst etwa hab ich heute noch guten Kontakt. Ich würde sagen, dass man in diesem Fall von einer Freundschaft sprechen kann.
Kunz: (lacht) Der Aufstieg 2020. Sein Song "Hoch" war unser Aufstiegslied. Das ist vor jedem Spiel in der Kabine gelaufen und hat uns die ganze Saison lang begleitet.
Kunz: (lacht) Doch. Tim ist auch mein Spitzname. Ich weiß gar nicht genau, wie das angefangen hat. Ich glaub', dass irgendwelche Spieler in der Kabine der Meinung waren, dass ich Ähnlichkeit habe mit Tim Bendzko. Sie haben dann anderen auf dem Handy Bilder gezeigt und es ging so weit, dass Leute angefangen haben, mich Tim zu nennen. Irgendwann wurde das ein Selbstläufer, und manche neuen Spieler wussten gar nicht mehr, dass mein richtiger Name Philipp ist. Ich habe mich daran gewöhnt.
Kunz: Ali Koller. Der hat bei mir in der Kickers-Jugend gespielt, in der U19. Er wurde 2016 von Bernd Hollerbach hochgezogen, hat sich bei den Profis in der Dritten Liga dann aber relativ schwer verletzt und hat nicht mehr gespielt. Inzwischen ist er in den USA.
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