Rainer Koch wird beim Verbandstag des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) am 24. und 25. Juni im niederbayerischen Bad Gögging nach 18 Jahren nicht mehr als dessen Präsident kandidieren, nachdem er auf dem DFB-Bundestag aus dessen Präsidium gewählt worden war.
In seiner Rücktrittserklärung sagte der 63-jährige Jurist: "Ich übergebe meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger an der Spitze des BFV einen in allen Bereichen bestens aufgestellten, zukunftsorientiert und nachhaltig ausgerichteten Landesverband." Diese Redaktion hat sich fünf Punkte näher angeschaut: Wie steht der BFV zum Ende der Amtszeit von Rainer Koch da?
Die Fußball-Kreistage, der erste fand Mitte März für Würzburg in Rottendorf statt, verliefen ohne Überraschungen: Die vier Kreisvorsitzenden in Unterfranken – Marco Göbet in Würzburg, Adolf Weis in Aschaffenburg, Gottfried Bindrim in Schweinfurt, Rainer Lochmüller in der Rhön – wurden ohne Gegenstimme, aber auch ohne Gegenkandidaten, bestätigt. Das setzte sich auch außerhalb Unterfrankens fort.
1. Wie hat sich die Zahl der Mitglieder und Vereine im BFV entwickelt?
Die Anzahl der Fußballspielenden geht seit Kochs Amtsantritt 2004 auch in Bayern zurück. Nicht überraschend, lag doch die Geburtenrate in Deutschland seitdem zwischen 1,3 und 1,6. Die Folge: weniger Nachwuchs in den Fußballvereinen. Faktoren wie Zuwanderungen wirken dieser Entwicklung statistisch entgegen. Am aussagekräftigsten scheint es daher, die Zahlen aus Bayern mit denen auf Bundesebene zu vergleichen.
Im DFB schrumpfte die Zahl der Vereine von 2004 bis 2021 um 6,6 Prozent und die der Mannschaften sogar um 24,9 Prozent. Dagegen verzeichnete der Dachverband um 12,6 Prozent mehr Mitglieder. Im Vergleich dazu sehen die Werte für Bayern besser aus: Es gibt mehr Vereine (plus 1,4 Prozent) als vor 18 Jahren, die Zahl der Mannschaften gab zwar auch, aber nur um 20,8 Prozent nach – und die der Mitglieder stieg in Bayern sogar um 16,5 Prozent.
2. Wie hat der BFV die Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren bewältigt?
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 sind Verbände beschäftigt, die Folgen zu managen. Sie müssen einen Weg finden, den Spielbetrieb weiterlaufen zu lassen und zugleich die Gesundheit aller Beteiligten zu schützen.
Der BFV hat im Gegensatz zu anderen Landesverbänden die Saison im Frühjahr 2020 nicht abgebrochen, sondern zuerst nur unterbrochen und im Herbst 2020 für einige Wochen fortgesetzt. Erst nach dem erneuten Lockdown im Frühjahr 2021 und nachdem der Verband seine Vereine abstimmen ließ, kam der Abbruch.
Der BFV hatte somit – anders als das Gros der Landesverbände, die ihre im Sommer 2020 neu gestarteten Ligen nach wenigen Spieltagen erneut abbrechen mussten – wertungsfähige Ligen, weil von Sommer 2019 bis Herbst 2020 genügend Spiele absolviert wurden, um Auf- und Absteiger mittels Quotientenregel zu ermitteln.
BFV-Vizepräsident Robert Schraudner, Leiter der Corona-Taskforce und als möglicher Nachfolger Kochs gehandelt, fasst zusammen: "Im Nachhinein betrachtet war es richtig, die Saison nicht abzubrechen, da genügt der Blick über die Landesgrenzen. Von daher stößt unser bayerischer Weg, der zweifelsfrei auch einzelne Härtefälle erzeugt hat, gerade in der Rückschau auf breite Zustimmung."
Härtefälle, sagt Schraudner, hätte jede andere Regelung auch mit sich gebracht. Darunter fielen Mannschaften, die aufgrund der Quotientenregel absteigen mussten oder den Aufstieg verpassten. Ein Beispiel aus dem Fußball-Bezirk war der ASV Rimpar, der seinen Unmut über den Landesliga-Abstieg auch deutlich kundtat.
3. Diversität: Zeigt die Realität den gut gemeinten Ansätzen immer noch Grenzen auf?
Seit 2004 ist der Anteil an Mädchen und Frauen im bayerischen Fußball von 13 auf 14,3 Prozent gestiegen. Signifikanter: Während die Zahl der Mannschaften unterdessen um 20,8 Prozent gesunken ist, stieg sie bei Mädchen- und Frauen-Mannschaften um mehr als 50 Prozent an – ihr Anteil liegt heute bei 6,5 Prozent.
Überproportional ist der Anteil an Frauen in Funktionen: Im BFV-Präsidium haben 16,7 Prozent ein Amt inne, oder anders: eine Frau, Vizepräsidentin Silke Raml, neben fünf Männern. Im Vorstand, dem erweiterten Gremium mit 20 Mitgliedern, gibt es zwei Frauen (10,0 Prozent). Nach dem Verbandstag wird sich laut BFV der Frauenanteil im Präsidium auf 28,6 (zwei von sieben) und im Vorstand auf 14,3 Prozent (drei von 21) erhöhen.
Dass ein Amt für Frauen nicht zwingend die "Mädchen- und Frauenbeauftragte" sein müsse, macht Raml an Sandra Hofmann fest: Die 39-Jährige startete 2011 eben als jene Kreisbeauftragte und wurde 2018 als Bezirksspielleiterin der Männer in Mittelfranken gewählt.
Über ein "Leadership-Programm", einem von mehreren ambitionierten Projekten für Mädchen und Frauen, habe der BFV eine Frau für das Bezirkssportgericht in Mittelfranken gewonnen und auf dem Kreistag Donau/Isar sei Elisabeth Bauer zur Kreisvorsitzenden gewählt worden.
Abseits der zaghaften Entwicklung bei Frauen hinkt die Sichtbarkeit homosexueller Männer und transidenter Menschen im Fußball der gesellschaftlichen Entwicklung allerdings meilenweit hinterher. Verbandssprecher Fabian Frühwirth nennt dazu die "Streetboys München" bundesweit als erste am Spielbetrieb teilnehmende Mannschaft. Und die Mittelfränkin Laura Holstein darf als erste Transfrau Bayerns am Ligabetrieb der Frauen teilhaben, gleichwohl "es übergeordnet keine statuarischen Regelungen" gebe. Laut Frühwirth ("Unser Ziel ist es, niemanden auszuschließen") zeigt dies die Aufgeschlossenheit des BFV.
In den Amateurvereinen sieht die Realität anders aus: Ähnlich wie bei den Profis gibt es nahezu keine als schwul geouteten Fußballer. Und vor dem Gesetz als Frauen anerkannte Transfrauen müssen weiter um Ausnahmeregelungen hart kämpfen.
4. Wie offen ist der BFV wirklich für die Reduzierung auf vier Regionalligen?
Ein Reizthema bleibt die Existenz von fünf Regionalligen, die es nicht allen Meistern ermöglicht, direkt in die Dritte Liga aufzusteigen. Der BFV hat als einziger Landesverband seine eigene Regionalliga-Staffel. Deren Niveau zumindest in der Spitze auszureichen scheint: Fünf bayerische Mannschaften haben in vergangenen acht Jahren diesen Sprung über die Relegation geschafft, darunter 2015 die Würzburger Kickers.
Der BFV gründet die Berechtigung der "Bayern-Liga", für deren Einführung und Erhaltung sich Rainer Koch immer wieder stark gemacht hatte, zudem auf DFB-Mitgliederzahlen. Denn dem BFV gehören 17,0 Prozent der Vereine, 21,5 Prozent der Mitglieder und 17,2 Prozent der Mannschaften im DFB an.
Verbandsspielleiter Josef Janker sagt jedoch: "Dass wir Bayern stur an unserer Regionalliga festhalten würden, stimmt faktisch nicht. Wir haben uns klar positioniert, unser Vorschlag liegt seit fünf Jahren auf dem Tisch." Gemeint ist die "Wendelsteiner Vorlage" aus dem September 2017.
Zwei Punkte müssten somit bei der Neuordnung der Regionalligen gegeben sein: Bayerische Mannschaften sollen nicht auf zwei Ligen aufgeteilt werden und es dürfe keine Liga von Bayern und Baden-Württemberg zusammen mit Hessen geben, da ja bereits ohne Hessen Parameter wie Fläche, Einwohner, Vereine oder Mannschaften überschritten seien. Der BFV, schon unter Koch, sieht da nur zwei Möglichkeiten: eine Regionalliga Süd nur mit Baden-Württemberg oder eine Regionalliga Süd-Ost mit Sachsen und Thüringen, was jedoch eine Aufteilung der Ost-Mannschaften zur Folge hätte.
5. Wie weit ist der BFV beim Thema Digitalisierung?
Wie digital der Bayerische Fußball-Verband schon ist, sollen Zahlen zeigen: Im Oktober 2021 sei mehr als elf Millionen Mal auf die Webseite bfv.de zugegriffen worden, weitere 150 Millionen Zugriffe verzeichnete die dazu gehörige App.
Zudem seien über 270 "vollautomatisierte Kameras" auf bayerischen Fußballplätzen installiert. Diese hätten in den vorherigen vier Jahren rund 2300 Fußballspiele übertragen, 14 Millionen Zuschauende hätten diese verfolgt. Zum Vergleich: Die 23 im Fernsehen gezeigten Spiele der Regionalliga Bayern und der Toto-Pokal-Wettbewerbe sahen 4,2 Millionen.
Den Weg ins Digitale ging der BFV eigenständig. Während der DFB und die anderen Landesverbände auf die gemeinsame Plattform fussball.de setzen, beharrte der mit rund 1,6 Millionen Mitgliedern größte Landesverband auf seiner Webseite bfv.de. Die Folge: Wer beispielsweise eine Würzburger Kreisliga auf bfv.de aufruft, bekommt Vereine mit Wappen und weiteren Informationen. Auf fussball.de herrscht gähnende Leere.
"Von einem Euro, den Vereine als Aufwand für ihre Verwaltung erzeugen, müssen sie nur 30 Cent selbst aufbringen. Dabei spielt nicht nur, aber eben auch die digitale Vermarktung eine Rolle", erklärt Frühwirth auf Anfrage den Hintergrund der bayerischen Eigenständigkeit.
Eingeführt worden sei beispielsweise auch der "elektronische Spielberichtsbogen". Nach dem Schiedsrichterausweis soll nun auch der Spielerpass digitalisiert werden. "Für die Vereine muss das einen Nutzen haben", betont Frühwirth und räumt mit einem hartnäckigen Vorurteil auf: "Seit der Einführung des Livetickers ist keine einzige Strafe verhängt worden, wenn ein Verein mal nicht getickert hat."
2018 verankerte der BFV auf Kochs Initiative auch "eSoccer" als Facette des Fußballs in seiner Satzung. Im selben Jahr setzte sich Koch dafür ein, dass sich der DFB zum Thema E-Sport öffnet. Fußball könne heutzutage eben nicht mehr nur dienstags und donnerstags Training und samstags Spiel sein, müsse mehr bieten können, so die Überzeugung Kochs.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, dass Bayern als einziges Bundesland eine eigene Regionalliga-Staffel habe. Richtig muss es heißen, dass der BFV als einziger Landesverband eine eigene Regionalliga habe. Wir haben das im Text angepasst. Vielen Dank für den Hinweis.
In der Regionalliga West spielen ausschließlich Mannschaften aus NRW.
Zum Glück ist dieser Selbstdarsteller bald weg!