Die Zahl der Mannschaften geht in den Fußball-Kreisen Schweinfurt, Würzburg und Rhön immer weiter zurück. Und was macht der Bayerische Fußball-Verband (BFV)? Seit Anfang 2020 bietet er nun auch E-Football an, also Turniere und einen Ligenbetrieb für Couch-Sportler, also die, die lieber vor dem Bildschirm Finger-Übungen machen als die Außenbahn zu beackern. Doch: Auch viele aktive Fußballerinnen und Fußballer zocken gerne. Kannibalisiert sich der Verband nun also selbst?
Wenig Zuschauer, leere Sportheime und kaum mehr Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen: Probleme des gesellschaftlichen Wandels und des veränderten Freizeitverhaltens, die den BFV und seine Klubs schon lange verfolgen, nicht erst seit Beginn der Pandemie. Umso mehr durfte man staunen, was Anfang März 2020 – noch bevor die Corona-Krise die Welt so richtig in Beschlag nehmen sollte – im Vereinsheim des TSV Arnshausen vor sich ging: Es war voll. So voll, als hätte der TSV, seines Zeichens als Teil der SG Reiterswiesen/Arnshausen II/Bad Kissingen II mittlerweile Rhöner Kreisklassist, zuvor ein wichtiges Prestige-Derby gewonnen. Selbst der Stammtisch war besetzt. Doch mit einer ausgelassenen Siegesfeier hatte das wenig zu tun, denn: Da trat der TSV Arnshausen in der noch neuen BFV eFootball League vor Publikum an.
Sieben BFV-Ligen für Konsolen-Fans
Mittlerweile, einen Ab- und zwei Aufstiege an der PlayStation später, sieht die Welt anders aus. Es ist Winter 2021 und Christian Kiesel, der den Abend initiiert hatte, würde das nun auch gerne wieder tun, "doch die derzeitige Lage lässt das so nicht zu". Der 28-Jährige, selbst Spieler, Trainer der dritten SG-Mannschaft, Abteilungsleiter des TSV und Organisator des E-Sport-Teams, sitzt an diesem frühen Abend vor dem Computer, nimmt aber statt dem Controller das Smartphone in die Hand. "Ich organisiere nur noch, zocken können andere besser", sagt der Reiterswiesener lachend, dessen Mannschaft an der Konsole nun in der höchsten bayerischen Liga, der BFV eRegionalliga, spielt. "Man merkt schon, dass die Gegner besser sind als früher". Darunter gibt es mittlerweile nämlich noch zwei Bayernligen und vier Landesliga-Staffeln. Turniere organisiert der Verband zusätzlich auch noch, weil diese Art der Freizeitbeschäftigung schlichtweg boomt.
Dass er sich damit selbst ins eigene Fleisch schneidet, glaubt auch Jan Hofmann nicht. Er ist einer der fünf TSVler, von denen einer pro Spieltag zwei Partien – mit einer Mannschaft, die es im zugrundeliegenden Fifa-Spiel gibt, beispielsweise Bayern München – über das Internet gegen einen Gegner bestreitet. Der muss übrigens auch Mitglied beim Verein sein, für den er antritt.
Feste Anstoßzeiten, die beim Fußball auf dem Feld dann doch die Regel sind, gibt's nicht. Von Donnerstagabend bis Sonntagabend dürfen die Kontrahenten ihre Spiele ansetzen, "und wenn das dann doch mal nicht klappt, kann man ja immer noch reden". Hofmann, der gerade eine Knieverletzung auskuriert und deshalb auch abgesehen von der derzeitigen Winterpause keine Freude auf dem Platz hätte, kann es sich samt Headset vor der Konsole gemütlich machen. Ein Ersatz dafür, dass der 21-Jährige sonst als Keeper dem Ball hinterher hechtet, soll das Ganze nicht sein, vielmehr etwas Lockeres für die Freizeit.
Das erhofft sich auch der BFV – ganz besonders allerdings, dass die, die zum Zocken mit dem Verband in Verbindung kommen, auch zum Bolzen bleiben. "Es soll eine Ergänzung zum analogen Sport sein, eine weitere Facette", erklärt Matthias Katerna, der eFootball-Projektleiter. Katerna kennt übrigens beide Seiten in- und auswendig: Als Mittelstürmer absolvierte der heute 30-Jährige unter anderem 60 Spiele in der Regionalliga Bayern und 44 in der Regionalliga Süd, ehe ihn eine "große Operation" 2019 zum Aufhören zwang und er sich neu orientierte.
Das wünscht er sich auch hinsichtlich der E-Sportler. Diesmal allerdings in umgekehrter Reihenfolge: "Wenn man nur zockt, kann es vielleicht auch mal ein Anreiz sein, es wirklich mal auf dem Rasen zu versuchen. Ich selbst habe ja auch früher schon viel an Konsolen gespielt, aber eben nur als Hobby. Wir versuchen, Fußballer an uns zu binden und Menschen überhaupt erst für den Fußball zu gewinnen, die so nie in einen Verein gegangen wären, geschweige denn selbst gekickt hätten. Deswegen gibt es auch Modelle, wo eine Halbzeit auf dem Rasen gespielt wird und die zweite an der Konsole im Vereinsheim – beispielsweise bei Privatturnieren."
Schlussmann Hofmann bleibt da doch eher skeptisch: "Ich glaube nicht, dass das so funktioniert. Es ist ja nochmal etwas völlig anderes, wenn man auf dem Platz steht. Man ist ja fitnesstechnisch gar nicht auf dem Level. Wenn man aber vom Feld zum E-Sport wechselt, kennt man wenigstens schon einmal die Abläufe."
Doch die sind manchmal auch ein bisschen anders: Während auf dem Feld gemeinsam trainiert wird, hält sich die E-Sport-Mannschaft individuell fit. Denn auch am Controller muss die Aktion sitzen. Ansonsten ist bei den TSVlern schon viel viertligareif: Einen eigenen Trikotsatz gibt's schon länger – und die Bereitschaft, wieder eine Konsole ins sich füllende Sportheim zu tragen, auch. Dinge, die Matthias Katerna gefallen werden.
Dass Hofmann trotzdem daran erinnert, man habe an den Wochenenden ja auch noch was anderes vor und damit unter anderem auch auf die 90 Minuten anspielt, in denen er sich die Torwarthandschuhe überstreift, wird auch manch anderem Verantwortlichen einen Stein vom Herzen fallen lassen. Vom Platz an die Konsole und zurück? Zumindest hier klappt's.