
Es war auch ein Freitagabend im Juli 2013: Eröffnungsspiel der Fußball-Regionalliga Bayern. Mit 3:1 besiegte der FC 05 Schweinfurt die Würzburger Kickers im Sachs-Stadion. Es war, das wegen eines Schweinfurter Formfehlers nachträglich für die Rothosen gewertete Pokal-Achtelfinale von 2018 ignorierend, der bis dato letzte Erfolg im Unterfrankenderby. Das soll sich, wenn es nach den Schweinfurtern geht, an diesem Freitagabend (19 Uhr) ändern. Diesmal fährt der FC 05 nicht als Außenseiter an den Dallenberg, sondern als Tabellenführer. Zum Dritten. Zum Spitzenspiel. Zu dem 4500 Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet werden, darunter 800 aus Schweinfurt.
Kevin Fery war 2013 als 19-Jähriger im Kader, allerdings nicht im Spieltagsaufgebot. Heute ist er 30 und stellvertretender Kapitän der Nullfünfer – eine feste Größe im Team. Er erinnert sich: "Auch wenn ich auf der Tribüne gesessen war, es war ein phänomenales Erlebnis. Das Tor von Daniel Mache war etwas ganz Besonderes." Genauer gesagt eine Bogenlampe aus 40 Metern zum 2:1-Zwischenstand. Am Ende stand ein 3:1. Ein Resultat, das 05-Coach Victor Kleinhenz zu Wochenbeginn mutig für seine Mannschaft getippt hat. Und zwei Tage vor dem Derby nicht relativierte. Ob er ein Unentschieden unterschreiben würde? "Nein!"
Der 33-Jährige ist felsenfest überzeugt von der "unfassbaren Bodenständigkeit" des Teams: "Wir haben in keiner Phase der Saison vergessen, wo wir herkommen." Keine Angst vor lauter Emotionen einen Tick zu überziehen? "Nein. Von den Typen und Charakteren, die wir haben, sage ich: je mehr Publikum, umso besser für uns." Mit den Typen meint er zuvorderst Spieler wie Fery. Die treue Seele, die seit 16 Jahren beim FC 05 spielt.
Trotz starker Schusstechnik zögerlich beim Torabschluss
Und auf dem Platz kein Lautsprecher ist: "Ich konzentriere mich lieber auf inhaltliche Dinge, auf verbale Hilfestellungen." Fery hat eine Lehre als Erzieher absolviert, als 2017 in Schweinfurt auf Profi-Fußball umgestellt wurde, ein Sozialpädagogik-Studium begonnen, inzwischen seinen Bachelor gemacht. Er lehrt an einer Berufsschule zukünftige Kinderpfleger. "Ich habe kleine Klassen, da geht es um Zusammenhalt. Wie im Sport: Nur gemeinsam kann man sich aus schwierigen Phasen ziehen."
Der defensive Mittelfeldspieler kennt solche Phasen. "Ich hadere leicht, frage: Sind die Trainer schuld, bin ich schuld? Ich bin ein sehr empathischer, einfühlungsvermögender Mensch", sagt Fery über Fery. Der für sein Spiel "Vertrauen und Wertschätzung" brauche. Die Trainer Gerd Klaus oder Tobias Strobl hätten ihm genau das vermittelt. Prompt habe die Leistung gepasst. Wie jetzt unter Kleinhenz. Über den er sagt: "Ich teile viele Facetten, die Victor ausmachen. Er ist ein reflektierender Mann, der sich Fehler eingesteht und daraus lernt. Nur wer sich hinterfragt, kann Entwicklungsschritte gehen. Victor ist ein Glücksgriff für den Verein." Da bekommt Kleinhenz feuchte Augen: "Jetzt werde ich fast etwas emotional."

Fußballerisch komme ihm ein von Dominanz und Ballbesitz genauso wie von Emotionen geprägtes Teamspiel entgegen. "Ich bin ein ballsicherer Spieler mit gutem Auge und sauberer Technik. Ich gehe gerne in Zweikämpfe, kann ein Spiel gut lesen und antizipieren." Wo viel Selbstbewusstsein ist, ist auch Selbstzweifel. Zum Beispiel beim Torabschluss: "Ich bin einer, der lieber schaut, wer besser steht. Wenn man uns beim Torschusstraining zuschaut, sieht man, dass es nicht so viele gibt, die es besser können. Nur kann ich das nicht ins Spiel transportieren."
Wechsel-Gedanken nach dem Schalke-Spiel
Einmal hat er kurz gezuckt, zu wechseln. Nach dem mit 1:4 verlorenen DFB-Pokal-Spiel auf Schalke im November 2020, in der Corona-Zwangspause. Doch "Tobi Strobl war für mich ein so immens wichtiger und guter Trainer, dass ich sofort verlängert habe, als er sagte: Ich habe vorgelegt, jetzt musst du nachlegen. Da habe ich zu meiner Frau gesagt, jetzt muss ich hier weitermachen."
Nun hat Kleinhenz auch etwas zu ihm gesagt: Nämlich, dass Fery in dieser Saison acht oder neun Tore erzielen werde. Doch der schaut lieber auf Freitagabend, aufs Derby: "Die Unterstützung durch unsere Fans ist dieses Jahr außergewöhnlich cool. Wir wollen ihnen als Mannschaft mit einem Derbysieg etwas zurückgeben."
Die Vorzeichen stehen nicht gerade schlecht: Der FC 05 hat sechs Punkte Vorsprung auf die Kickers und ein Spiel weniger. Kleinhenz steht der komplette Kader zur Verfügung. Gegen die Würzburger, die seit sieben Partien nicht mehr verloren und unter ihrem neuen Trainer Martin Lanig zuletzt zweimal klar gewonnen haben, plant er keine überraschenden Kniffe. Dass Angreifer Joshua Endres nach überstandener Zerrung sofort wieder eine Option auf die Startelf sei, lässt Kleinhenz jedoch durchblicken.
Innenverteidiger Thomas Meißner kommt zum FC 05
Und dann ist da noch ein Neuzugang, der aufgrund seiner Vita als Statement verstanden werden darf: Thomas Meißner kehrt zu seinem Jugendverein zurück. Der 33-jährige Donnersdorfer spielte bis Sommer für den nordmazedonischen Erstligisten FK Gostivar. Über den Nachwuchs von 1860 München sowie die Bundesliga-Reserven von Mainz und Dortmund hatte er den Sprung in den Profi-Fußball geschafft – zunächst beim MSV Duisburg. Es folgten Engagements in Holland und Ungarn sowie bei Hansa Rostock.

Meißner blickt auf 58 Einsätze in der zweiten und 103 in der dritten Liga sowie 67 in der niederländischen Ehrendivision. Er könnte bereits am Freitagabend im Kader stehen, wenn die Spielberechtigung rechtzeitig eintrifft. Sportleiter Andreas Brendler sagt. "Wir wollen seit etwa zwei Jahren, dass die besten Spieler der Region wieder bei uns spielen." Meißner gehöre "mit dieser unfassbaren Erfahrung und Präsenz definitiv dazu".