Anfang November 2019 hat Tobias Strobl die Nachfolge von Timo Wenzel angetreten als Trainer des FC 05 Schweinfurt. Da war die Hälfte einer Saison gespielt, die immer noch andauert und erst im Mai 2021 beendet sein wird. Vier Siegen in Folge unter Strobls Regie waren Winterpause, ein 1:2 in Heimstetten und schließlich die Corona-Krise gefolgt. Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Herbst bescherte den Schweinfurtern im Ligapokal einen Sieg und zwei Unentschieden, in der Liga ein 0:2 in Aschaffenburg und das DFB-Pokal-Aus auf Schalke. Im Interview spricht der 33-jährige Strobl, der zuvor bei den Liga-Konkurrenten Rosenheim und Ingolstadt II unter Vertrag gestanden hatte und seit April Vater einer Tochter ist, über sein ungewöhnliches Jahr in Schweinfurt.
Tobias Strobl: Ja. Natürlich gegenüber der Krise. Aber auch, weil wir davon abhängig sind, was Menschen entscheiden. Was mich kribbelig macht ist: Wann wird etwas entschieden? Konkret bei uns heißt das vor allem nach jeder Pause: Wann geht es weiter?
Strobl: Stand heute wollen wir am 4. Januar in die Vorbereitung einsteigen. Denn für den 6. Februar hat der Verband den Start des Ligapokals ins den Raum gestellt. Als Vorschlag. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das viele Regionalliga-Vereine in Bayern annehmen. Wir wollen das unbedingt. Vielleicht auch Bayreuth oder Aschaffenburg. Aber für die reinen Amateurmannschaften ist das vermutlich zu früh. So haben wir genau genommen nichts in der Hand und wissen nicht, wann so entschieden wird, dass wir etwas in der Hand haben.
Strobl: Dass es wahrscheinlich eine sehr schwierige Vorbereitung wird. Erst haben alle diese lange Pause, dann geht es weitgehend auf Kunstrasen und viel früher als bei einem normalen Rundenbeginn wieder los, nämlich mit den Spielen im Februar, auf Rasen. Auf dem man seit Oktober nicht mehr war. Da müssen alle höllisch aufpassen, dass es keine Verletzungen gibt. Trotzdem wollen wir den Ligapokal ernst nehmen, er ist einfach eine Chance, wieder in den DFB-Pokal zu rutschen.
Strobl: Es muss machbar sein. Und für uns muss es leichter sein, als für die anderen Vereine. Wir sind Profis, bei uns geht keiner nebenher noch arbeiten. Wenn man ehrlich ist, haben wir da einen Wettbewerbsvorteil. Und: Endlich wieder spielen, spielen, spielen zu dürfen, das wollen die Jungs ja. Warum allerdings die Regionalgruppen aufgelöst wurden und wir jetzt nach Burghausen und Heimstetten weite Fahrten haben, erschließt sich mir nicht. Als Zweiter der abgebrochenen Vorrunde haben wir zwei Auswärtsspiele, immerhin gegen Buchbach spielen wir daheim.
Strobl: Den November haben wir vollgepackt mit Läufen. Jetzt haben wir den Jungs mal ein Zoom-Meeting angeboten, damit sie das kennenlernen. Künftig machen sie jetzt zwei, drei Zoom-Meetings, damit sie sich regelmäßig sehen. Jeder Spieler ist da mal dran, das zu leiten. Da machen sie dann quasi gemeinsam, und vor allem freiwillig, jeweils rund halbstündige Stabilisationsübungen. Verpflichtend gibt's zudem noch einen weiteren Laufplan. Wir hoffen, dass sie mit einem klaren Kopf und in gutem Zustand im Januar zurückkommen.
Strobl: Ja, Bundesligisten machen das. Die machen das natürlich hoch professionell mit riesigen Monitoren. Aber wir halten uns als Trainer-Team komplett aus den Zoom-Meetings raus, haben es nur angeregt und die Jungs setzen es um.
Strobl: Ich glaube schon, dass ich mehr Weitsicht entwickelt habe. Und ich bin sehr dankbar, dass ich einer der wenigen Menschen bin, die glimpflich aus dieser schweren Situation kommen. Ich darf mich nicht beschweren. Ich habe einen sicheren Job, ein reduziertes, aber sicheres Einkommen. Ich wohne mit meiner Frau das zweite Mal so richtig von zu Hause weg. Nach Rosenheim waren es von Ingolstadt aus eineinhalb Stunden, nach Schweinfurt sind es zwei. Und wir haben ein Baby dazu bekommen. Da ergeben sich andere Dinge als nur Fußball, ich, Fußball, ich. Jetzt heißt es Familie, Baby, Familie, Baby - und dann Fußball. Natürlich ernährt uns der Fußball, und ich strebe den maximalen Erfolg an. Aber ich würde nicht mehr über Leichen gehen für den Fußball.
Strobl: Auf jeden Fall. Die Frau sagt: Was für ein Glück, dass ihr wieder frei habt. Die Kleine zahnt, sie hatte zudem einen Harnwegsinfekt mit Fieber. Durch die Pause kann ich da sein für die Familie. Ich bin vielleicht einer der wenigen in Deutschland, der von der Sache ein klein bisschen profitiert.
Strobl: Ich denke schon, dass Kontaktbeschränkungen für uns verkraftbar sind. Meine Familie ist extrem klein, besteht nur aus Mama, Stiefpapa und Bruder. Bei meiner Frau sind es auch nur Mama, Papa, der Bruder und dessen Freundin. Wir werden uns das aufteilen. Bei der russischstämmigen Familie meiner Frau wird sich dann ohnehin alles um das Baby drehen.
Strobl: Ich denke schon. Insbesondere, wenn wir nur die Zeit ab Sommer mit der neuen Mannschaft werten. Wir hatten sehr erfrischende Vorbereitungsspiele. Dann, wenn man sich besser kennenlernen sollte und die Automatismen besser greifen müssten, hatten wir aber die schwache zweite Halbzeit in Fürth und das schwache Spiel in Aschaffenburg. Da haben wir zuerst uns im Trainerteam analysiert und danach die Mannschaft. Was fehlt uns? Uns fehlt zum Beispiel ein Element wie Marco Fritscher, mit dessen Speed wir uns von allen anderen Mannschaften abgehoben haben. Das gibt es in der vierten Liga nicht oft in Deutschland. Vielleicht haben wir es im Sommer verpasst, da Ersatz zu holen. Vielleicht würden wir da im Winter noch einmal zupacken, wenn uns etwas vor die Füße fehlt.
Strobl: Klar, zunächst hieß es nach dem Aufstieg von Türkgücü München, das machen Bayreuth und der FC 05 unter sich aus. Jetzt haben der 1. FC Nürnberg II und Viktoria Aschaffenburg auch anklingen lassen, hochgehen zu wollen. Beide haben die Qualität, sich auch in Play-offs durchsetzen zu können. Und nur um die geht es. Gerade Aschaffenburg macht das gut. Was wir gar nicht haben, haben sie: Sie machen Standard-Tore. Und Bayreuth hat perfekt nachverpflichtet. Ich freue mich auf das Duell, da treffen zwei Philosophien aufeinander. Bayreuth spielt ungemein zielgerichtet in die Box.
Strobl: Als ich als Trainer angefangen habe, war Pep Guardiola in Deutschland. Er hat etwas geschaffen, wovon viele Trainer heute noch profitieren, er war ein Revolutionär. Sich bei Ballverlust so zu positionieren, dass man sofort wieder da ist. Wir wollen auch mit hoher Intensität spielen. Wir können das Publikum nur packen, wenn es das Gefühl hat, die Mannschaft gibt alles. Dazu brauchen wir eine gute Mischung aus Ballbesitz und Bällen in die Box. Dieser Fußball passt gut zu dieser Stadt.
Strobl: In dieser Hinsicht war meine Zeit bei Ingolstadt II aufschlussreich. Da geht es nur Richtung Box. Ingolstadt produziert keine Mittelfeldspieler. Ingolstadt produziert Innenverteidiger und Stürmer. Spieler, die dribbeln und flanken. Entscheidend ist die richtige Balance: Wir haben uns bei der Niederlage in Aschaffenburg nur Gedanken um Ballbesitz gemacht, aber in Zonen, wo wir Aschaffenburg gar nicht hätten weh tun können. Es hat uns gefehlt, zu dribbeln, zu flanken oder zu schießen. Daraus müssen wir für den Rest der Runde lernen. Martin Thomann kann das, ein Dribbling abschließen, wie er nicht nur auf Schalke gezeigt hat. Überspitzt gesagt: Die deutsche Nationalmannschaft hätte gerne einen Martin Thomann.
Strobl: Grundsätzlich ist es nicht einfacher geworden. Über die ganze Saison hätte sich vermutlich unsere Qualität durchgesetzt. In Play-offs kann so viel passieren. Aber: Für alle vier daran teilnehmende bayerische Mannschaften wären sie aber ein Vorteil gegenüber dem Nord-Meister. Wir kennen dann das Hopp-oder-top-Spiel und können möglicherweise damit besser umgehen.
Strobl: Es gibt zwei Muster, die wir da heranziehen. Für uns ist klar, dass wir einen Spieler verpflichten würden, der extrem viel Erfahrung mitbringt, schon Relegation in der Zweiten oder Dritten Liga gespielt hat. Und das zweite Muster wäre die Geschwindigkeit: ein Spieler für Konter. Aber in Frage kommende Spieler müssen nicht nur eine dieser zwei Eigenschaften haben, sondern menschlich zu uns passen und bezahlbar sein.
Strobl: Ja. Es sind zwei Namen auf dem Tisch. Jetzt müssen wir analysieren und hoffen, für den Fall der Fälle noch vor Weihnachten Vollzug melden zu können.
Strobl: Nein. Das wird finanziell kaum machbar sein. Man muss sich nur einen Spieler wie Marco Holz anschauen. Das war in der Regionalliga immer so ein Unterschied-Spieler. Wenn wir hochgingen, wäre das mein Wunschspieler. Er hat Gier und Erfahrung, ist dynamisch. Wir beobachten solche Spieler. Aber für die Regionalliga ist das finanziell nicht machbar.
Strobl: Bei Philp vermutlich, er hat eine der längsten Krankenakten in ganz Deutschland. Bei Kleineheismann schauen wir, wie sich der Fuß entwickelt. Man könnte ihn jederzeit ins Wasser werfen, wenn es darum geht, eine Führung in den letzten Minuten zu verteidigen. Wir haben mit ihm das Trainerteam aufgepimpt, er hat wesentlich mehr höherklassige Erfahrung als ich oder Jan Gerlein, der andere Co-Trainer.
Strobl: Ich würde sehr gerne, auch gerne zwei Jahre, hier bleiben und liege mit Markus Wolf bei den Verhandlungen in den letzten Zügen.
Strobl: Auf alle Fälle. Mein Vater hat schon gesagt, ich sei wahrscheinlich bundesweit der einzige Trainer, der 2020 noch kein Punktspiel gewonnen hat und dessen Vertrag wohl um zwei Jahre verlängert wird. Es kann in Schweinfurt sehr spannend für mich werden. Hier lässt sich eine Euphorie entfachen, wenn hier etwas wächst. Aber es ist auch der Vereine, in dem als erstes Gegenwind kommt, wenn es nicht läuft. Ich will in diesem Verein richtig ankommen.