Das dürfte die kürzeste Sommerpause in der Fußball-Historie des FC 05 Schweinfurt gewesen sein: Eineinhalb Wochen Urlaub gab's, gefolgt von ebenfalls rekordverdächtig kurzen zweieinhalb Wochen Vorbereitung auf die neue Regionalliga-Saison. Verantwortlich waren die Play-offs ab Mitte Mai und die Pokal- sowie Drittliga-Relegationsspiele im Juni – Ende bekannt: erfolglos. Deswegen starten die von Tobias Strobl trainierten Nullfünfer den nächsten Anlauf Richtung Profifußball: unverhohlen als Titelanwärter – mit dem Vorteil, dass der Meister der Bayern-Staffel direkt aufsteigt, mit dem Nachteil, dass der Kreis der Konkurrenten deutlich größer geworden ist. Los geht's in einer 20er-Liga mit 38 Spieltagen am Samstag (17 Uhr) beim TSV Buchbach.
Die Vorbereitung
Die zweieinhalb Wochen waren eher Einspielphase. Zur Vorbereitung rechnet der FC 05 die komplette Phase seit der Wiederaufnahme des Trainings im März. Seither wurden die Neuen des Sommers 2020 sowie der im Februar 2021 hinzugekommene Regisseur Daniel Adlung integriert. Die vier neuen Feldspieler dieses Sommers brauchen noch ein wenig, bis die Automatismen sitzen. "Wir glauben aber, dass wir uns perfekt gefunden haben", so Strobl. In den beiden Testspielen gab's bei Drittligist SV Wehen-Wiesbaden ein 0:1 mit zwischenzeitlichem Glanz, beim 7:1 gegen Bayernligist Don Bosco Bamberg folgten nach drei Nullrunden endlich Tore.
Dass der FC 05 seit März unter Dauerbelastung steht, wertet Strobl angesichts des enormen Programms von 25 bis zum 4. Dezember zu absolvierenden Spielen "als Vorteil. Wir sind im Rhythmus. Wir können uns wie auch Bayreuth, Unterhaching und Bayern besser regenerieren. Unsere Spieler müssen nicht um sechs Uhr raus und auf die Baustelle. Von diesen vier Teams darf sich keines über englische Wochen beschweren. Wir sind die Nutznießer."
Die Mannschaft
Minus drei – der FC 05 hat quantitativ abgespeckt. Für die vierte Liga sei, so Strobl, der neue auch sein Wunschkader. Gleichwohl insbesondere der Weggang von Innenverteidiger Philipp Maier (zum SSV Ulm) weh getan habe. Der Trainer hätte sich einen weiteren Linksverteidiger gewünscht als Backup für David Grözinger, ist aber begeistert von der menschlichen Komponente: "Das hat sich die letzten Monate entwickelt. Eine Anekdote: Als Sascha Marinkovic in der Nacht von Samstag auf Sonntag nach Rosenheim umziehen sollte, aber erst um 2 Uhr heimgekommen ist, hatten die Jungs sich vorher heimlich den Schlüssel seiner Schweinfurter Wohnung und des Umzug-Lkws besorgt und alles fertig beladen, dass er gleich losfahren konnte. Obwohl er den FC 05 verlassen hat. Selbst Neuzugänge, die ihn gar nicht gekannt haben, halfen mit."
Die Torhüter
Keine Frage: Nummer eins ist Luis Zwick, der Kapitän. "Der beste Keeper der Regionalliga. Das Gesamtpaket passt. Er ist auf der Linie und in der Luft gut, er hat eine super Fuß-Qualität", sagt sein Trainer. Nach dem Weggang von Jan Reichert zum Club galt es, eine verlässliche Nummer zwei zu finden. Was mit Bennet Schmidt vom Regionalliga-Südwest-Meister SC Freiburg II gelang. Strobl: "Wenn er bei seiner Größe noch mehr Sprungkraft entwickelt, ist er vom Level da, wo Jan Reichert war."
Die Abwehr
Seit der Verpflichtung der Außenverteidiger David Grözinger und Thomas Haas sowie von Innenverteidiger Nico Rinderknecht ist die Abwehr das Filetstück der Mannschaft. Oldie Lukas Billick hat mit diesen Nachbarn zu früherem Drittliga-Level zurückgefunden. "Da steht mit diesen Vieren eine außergewöhnliche Qualität auf dem Platz", so Strobl. Der auch Augsburg-Zugang Jannik Schuster ob dessen Bissigkeit zutraut, sich einzufügen, mitunter auch auf der Sechs. Dass man in den letzten sieben Spielen dennoch jeweils mindestens ein Gegentor kassiert hat, schreibt der Coach "unserer mutigen, offensiven Ausrichtung zu" – Stichwort Dreierkette. Ein Risiko, das er bewusst eingehe. "Wir wollen das Spiel aktiv gestalten."
Das Mittelfeld
Kreatives oder arbeitendes Zentrum? "Ich finde, dass wir beides sehr gut verbinden." Während Kristian Böhnlein oder Martin Thomann den Typ Kämpfer verkörpern, definieren sich Daniel Adlung, Kevin Fery, Amar Cekic oder Marco Zietsch über das Spielerische. Dennoch fordert Strobl "dass wir immer erst arbeiten und dann spielen. Ich will sehen, dass jeder sein volles Herz ausschüttet in den Zweikämpfen." Was dem Trainer noch abgeht? "Ich wünsche mir mehr Scorerpunkte vom Mittelfeld. Ein Fery oder Adlung sollten in 38 Spielen auf 20 Scorerpunkte kommen, vielleicht sieben Tore machen und 13 auflegen. Ein Thomann zweistellig treffen." Ausbaufähig ist zudem die Torquote aus Standardsituationen. Da will sich Strobl künftig weitgehend heraushalten, die Spieler nicht mit Varianten überfrachten, sondern individuelle Kreativität zulassen.
Der Angriff
Im Angriff lebt der FC 05 von Adam Jabiri. Aber: 38 Spiele sind für einen 37-Jährigen ein gewaltiges Pensum. "Er ist ein Mehrwert, den kein anderes Team hat", sagt Strobl. Und grübelt, ob in Jabiris Schatten für andere der Druck wachse. Florian Pieper und Amar Suljic haben reichlich Potenzial, es fehlt aber an Konstanz. Neuer Hoffnungsträger ist ein Junger: der frühere Junioren-Nationalspieler Meris Skenderovic. Der Ex-Hoffenheimer scheint die nötige Leichtigkeit mitzubringen. Strobl: "Wir haben 100 Prozent Vertrauen in unsere Stürmer. Sie werden treffen." Müssen sie auch, denn Jabiri wird zwar bestmöglich 38 Mal auf dem Platz stehen, aber kaum 38 Mal über 90 Minuten.
Der Anführer
Daniel Adlung ist mit seiner geballten Erfahrung von 287 Zweitligaspielen fraglos ein Kandidat für die Kategorie Führungsspieler. Strobl spricht aber lieber von einer Achse Zwick – Billick – Böhnlein – Adlung – Jabiri. "Das ist die Achse, die ich am liebsten in jedem Spiel auf dem Platz haben und nicht umbauen will."
Das System
Zwei Spitzen. Darauf legt sich Strobl fest. Dahinter hänge viel vom gerade zur Verfügung stehenden Spielermaterial ab. 3-5-2 ist sein favorisiertes System ("da haben wir mannorientiert guten Zugriff"), 4-4-2 mit Raute die Alternative. Jeweils gegen den Ball, betont der 33-Jährige und überrascht System-Fetischisten mit seiner Aussage zum Spiel mit Ball: "Da gibt es für die Jungs kein System, sondern Prinzipien. Über allem steht: Verlieren wir den Ball, müssen drei Spieler und ein Sechser für die Verteidigung zuständig sein." In der Realität sieht das dann oft so aus, dass die Abwehrreihe sich wechselweise als Dreier- oder Viererkette formiert, dass Suljic oft so weit nach rechts ausweicht, dass zentral nur eine erkennbare Spitze bleibt. "Allzu sture Vorgaben hemmen die Jungs" – ein moderner Ansatz.
Die Konkurrenz
Der Weg zum Titel führt für den FC 05 vor allem über die SpVgg Bayreuth. "Die haben investiert, sich sehr gut verstärkt, einen breiten Kader und mit Benedikt Kirsch einen absoluten Unterschied-Spieler bekommen." Drittliga-Absteiger SpVgg Unterhaching habe mit der Verpflichtung von Sandro Wagner als Trainer "eine ganz andere Stimmung in den Verein gebracht", der zuvor nur halbherzig die sofortige Rückkehr in den Profifußball postuliert und eher an seinem Nachwuchskonzept festgehalten hatte. "Da warte ich tagtäglich auf die ein oder andere Verpflichtung. Ein absoluter Mitkonkurrent." Eine "Wundertüte" sei indes der ebenfalls abgestiegene FC Bayern München II, der offenkundig Nachwuchsförderung in den Fokus rückt – zuletzt aber mit einem Testspiel-1:0 über Bundesliga-Aufsteiger Greuther Fürth aufhorchen ließ. Eine gute Saison traut Strobl dem Nachbarn TSV Aubstadt zu, letzte Saison immerhin Fünfter. "Die haben drei Spieler dazu bekommen, nach denen sich jeder Regionalligist die Finger geleckt hätte."
Das Saisonziel
Anders als in den letzten Jahren formuliert der FC 05 sein Ziel schnörkellos: Meisterschaft, Aufstieg. "Alles andere würde der Sache nicht gerecht werden", so Strobl. "Diesem Anspruch müssen wir uns stellen. Die Qualität ist definitiv da." Dass dies vom ersten Spieltag an Druck bedeutet, müsse die Mannschaft, die in den Play-offs einem solchen standgehalten hatte, in der Relegation aber nicht, aushalten: "Der Druck verteilt sich auf 38 Spiele. Aber das Beispiel von Rot-Weiß Essen zeigt, dass man auch mit 80 Punkten nicht automatisch aufgestiegen ist. Man kann sich bei der Konkurrenzsituation nicht allzu viel erlauben." Zuletzt hatte die Oktober-Misere 2019 Schweinfurt den Aufstieg gekostet, ohne sie wäre Türkgücü München nicht davon gezogen. "Jedes einzelne Spiel, gleichwie der Gegner heißt, hat eine krasse Wichtigkeit" – 38 Endspiele also.
Das ist wohl arg überheblich bei dieser Konkurrenz (u. a. Haching, Bayern II und FCN II) - oder ist da nur dem Reporter was rausgerutscht?