SpVgg Unterhaching, Bundesliga? Da war doch was: 20. Mai 2000, letztes Saisonspiel gegen Leverkusen – mit Trainer Daum und Manager Calmund und drei Punkten vor Bayern München. Ein Unentschieden und nicht Bayern, sondern Bayer wäre deutscher Meister. Aber Unterhaching, Tabellenzehnter, schlägt Leverkusen 2:0 und beschert dem FC Bayern den Titel. Am selben Tag gewinnt in Bamberg der TSV Aubstadt als Zweiter der siebtklassigen Bezirksoberliga in der Relegation um den Aufstieg in die Landesliga Nord gegen den SV Friesen mit 3:1.
Wie sich die Zeiten ändern: An diesem Donnerstagabend (Anstoß: 18.30 Uhr, ausverkauft) ist Unterhaching Gast in Aubstadt. Nicht zu einem Freundschaftsspiel, sondern zum Saisoneröffnungsspiel der Regionalliga Bayern in der NGN-Arena. Es ist das erste Heimspiel des TSV Aubstadt um Ligapunkte seit dem 24. Oktober 2020, dem 1:0 gegen Buchbach – Ingo Feser verwandelte einen Elfmeter in der fünften Minute der Nachspielzeit.
Herausforderungen im Vier-Tage-Rhythmus
Aubstadt und die Region sind euphorisiert. Es ist im 100. Jahr seit Bestehen des TSV punktgenau der Höhepunkt. Die größte Herausforderung einer Aubstädter Mannschaft; weitere folgen im Vier-Tages-Rhythmus. Bis Allerheiligen sollen 20 Spiele von 38 gespielt sein, acht in den ersten vier Wochen. Wie werden das die Lockdown-geschädigten Sehnen und Muskeln vertragen? Wann soll wie trainiert werden, wenn man am Samstagmorgen von einem Auswärtsspiel zurückkommt und am Dienstag schon wieder ran muss? Alle Aubstädter gehen einem Beruf oder einem Studium nach.
Man hat getan, was möglich war: Der Kader wurde auf 23 Feldspieler und drei Torhüter aufgestockt, die Grundlagen in 33 Trainingseinheiten plus vier Tagen Trainingslager hart erarbeitet. "Wir sind alle brutal heiß drauf, an diesem Spiel teilnehmen zu dürfen – nach der langen Pause, den langen Zuschauer-Einschränkungen", sagt Victor Kleinhenz (30), der Trainer. Er ist jetzt gut 13 Monate in Aubstadt, zwölfeinhalb als Cheftrainer, hat aber nur vier Punktspiele, vier Ligapokal- und 13 Testspiele bestritten. "Anstrengend und ansprechend" sei die Vorbereitung gewesen. "Wir haben einiges umgestellt in unserem Spielerkader, sind flexibler geworden. Wir haben an Qualität gewonnen, viel Konkurrenzkampf provoziert" und trotzdem herrsche innerhalb des Teams beste Stimmung.
Kleinhenz: "Wir werden alle Spieler brauchen"
Der große Kader beruhigt den jungen Trainer mehr, als er ihm zu denken gibt: "Sicher heißt das, die Spieler bei Laune halten, aber auch unangenehme Entscheidungen treffen müssen. Da führt kein Weg dran vorbei, das ist unser Job. Es tut halt immer extrem weh, weil die Typen charakterlich einwandfrei sind und extrem viel investieren. Wir haben aber so viele englische Wochen, da werden wir alle brauchen. So wie ich sie erlebt habe, sind sie alle bereit, den Team-Gedanken in den Vordergrund zu stellen, sich ihm unterzuordnen." Kleinhenz und seinem Trainerteam mit den Co-Trainern André Betz und Christopher Bieber sowie Torwart-Trainer Christian Mack sei es wichtig, mit den Spielern einen fairen und offenen Umgang zu pflegen. "Das zahlen sie uns zurück mit viel Disziplin und Offenheit. Dieses gepflegte Miteinander ist der Schlüssel zu unserem Erfolg."
Nach sieben Abgängen und sieben Zugängen sei man in der Lage, jede Position mindestens doppelt zu besetzen. "Deshalb sehen wir uns in der Lage, unser großes, übergeordnetes Ziel zu erreichen: den Klassenerhalt." Von den Neuzugängen machte besonders Leon Heinze (22, von TSV Steinbach Haiger) auf sich aufmerksam. "Er hat von null auf hundert sofort funktioniert, als rechter wie linker Außenverteidiger. Leon hat ein sehr gutes Gespür für die Situation gerade auf diesen Positionen, wann er sich offensiv einschalten und wann absichern muss", lobt Kleinhenz dessen Spielintelligenz.
Endres und Schebak gehen angeschlagen in die Saison
Philipp Harlaß (22, offensives Mittelfeld), wie Heinze beim 1. FC Nürnberg ausgebildet, kam von Borussia Dortmund II, "hat dort zuletzt sehr wenig gespielt. Er ist ein ganz feiner Fußballer, aber noch nicht bei 100 Prozent. Man sieht in jeder Trainingseinheit, dass er ein überragender Kicker ist", sagt Kleinhenz. Joshua Endres (24, Angreifer) wurde bei RB Leipzig ausgebildet, sammelte Regionalliga-Erfahrung bei Rot-Weiß Essen und dem KFC Uerdingen. "Ein richtiger Torjäger, viel Tempo, guter Abschluss, ist leider auch noch angeschlagen. Aber auch er wird uns weiterhelfen", sagt Kleinhenz. Max Schebak (26, Stürmer) kam nach zwölf Monaten vom FC Sand nach Aubstadt zurück, wo er schon mal sechs Jahre aktiv war. Über ihn sagt Kleinhenz: "Er ist leider auch angeschlagen, war die ersten drei Trainingswochen der auffälligste Spieler. Aubstadt weiß, was man an ihm in der Vergangenheit hatte. Und ich als neuer Trainer kann den Eindruck nur bestätigen."
Björn Schönwiesner (28, offensives Mittelfeld) war bis zur berufsbedingten zweijährigen Auszeit Führungsspieler beim Bayernligisten TSV Großbardorf. "Er kam hoch motiviert aus den USA zu uns. Er bringt eine unglaubliche Dynamik und Zielstrebigkeit mit. Unser Trainerteam hat ihm am Anfang vielleicht etwas zu viel zugemutet, sodass er immer wieder kleinere Blessuren hatte. Björn wird uns im Lauf der Saison weiterhelfen", sagt Kleinhenz.
Julian Schneider (27, Torhüter), ebenfalls vom TSV Großbardorf gekommen, "ist vor allem auf der Linie und bei Flanken ein erstklassiger Torwart. Er hat außerdem bei Schweinfurt 05 und Abtswind schon allerhand gesehen und strahlt viel Souveränität aus", sagt Kleinhenz und ergänzt: "In einem packenden Konkurrenzkampf mit Lukas Wenzel, in dem beide ihre persönlichen Stärken zeigten, hat er sich ganz knapp durchgesetzt und wird uns als Nummer 1 in die Saison führen."
Das Ziel? Sich von den Abstiegsrängen fernhalten
Acht unter Profibedingungen arbeitende Mannschaften machen die Regionalliga Bayern vermutlich zur stärksten seit ihrer Einführung. Unter ihnen der Drittliga-Absteiger SpVgg Unterhaching, die U23-Teams der Bundesligisten FC Bayern München, FC Augsburg, SpVgg Greuther Fürth, 1. FC Nürnberg sowie die Aufstiegs-ambitionierten FC Schweinfurt 05, SpVgg Bayreuth und – zum Teil – Viktoria Aschaffenburg dürften dem Geschehen an der Spitze den Stempel aufdrücken. "Wir wissen, was auf uns zukommt", sieht Kleinhenz die Trauben sehr hoch hängen. "Ich schätze die Liga sehr, sehr stark ein und glaube, auch Burghausen kann eine gute Rolle spielen. Es wird ein großes Feld von Mannschaften geben, die versuchen, ins gesicherte Mittelfeld zu kommen und sich von den vier Abstiegsplätzen fernzuhalten. Das ist auch unser Ziel. Wenn wir es so gestalten, dass wir nie in die Bredouille kommen, dann haben wir viel erreicht."
Das Startprogramm mit Unterhaching, Rosenheim, Bayreuth, Schweinfurt und Aschaffenburg sieht Kleinhenz "entspannt. Man kann es sich nicht aussuchen und muss keine Gedanken daran verschwenden. Wir sehen es so, dass durch die Highlights die Vorfreude auf die Saison noch größer ist." Natürlich freue er sich auch darauf, als Kollegen gleich auf Sandro Wagner (33) zu treffen: "Es gibt zwei große Unterschiede zwischen uns. Das ist seine große fußballerische Karriere und die als ZDF-Kommentator." So war Wagner am Sonntag noch als Experte beim EM-Endspiel in London im Einsatz. "Da ist er um Welten überlegen. Und es gibt eine dritte Situation, die ist relativ ähnlich. Es ist die, dass man uns beiden sehr rasch die Möglichkeit bot, herauszufinden, ob man Regionalliga trainieren kann. Er wurde Cheftrainer nach einem U19-Spiel und ich nach zwei Wochen, ohne Spiel, als Co-Trainer."
Wagner übrigens sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz: "Ich habe richtig Bock darauf, nach Aubstadt zu fahren."