Markus Söder will auch in den nächsten fünf Jahre als Ministerpräsident in Bayern regieren. Ob als CSU-Generalsekretär, Finanzminister oder als Regierungschef: Seit gut 20 Jahren prägt der Nürnberger die bayerische Politik. In drei Folgen wirft unser Landtagskorrespondent Henry Stern einen persönlichen Blick auf einen wandlungsfähigen Spitzenpolitiker, der polarisiert, aber immer wieder auch überraschen kann. Teil 2: Söder und Seehofer - Machtkampf mit "Schmutzeleien".
Unverhofft Finanzminister: Söder fühlt sich bereit für die Hauptrolle
Ende 2011 wird Markus Söder - unverhofft - bayerischer Finanzminister. Georg Fahrenschon wechselt überraschend an die Spitze des Sparkassenverbandes. Angeblich auf Intervention von Edmund Stoiber macht Ministerpräsident Horst Seehofer Söder zum Nachfolger. Ein Finanzfachmann ist der Jurist nicht. Aber endlich kommt er aus den politischen Nebenrollen in München ins Zentrum der politischen Macht.
"Gut gelaunt und sichtlich entspannt" sei Söder im neuen Amt, schreibt diese Redaktion wenige Monate später: "Dabei musste er bereits aus dem Stand einen Nachtragshaushalt schnüren und den stets komplizierten Finanzausgleich mit den Kommunen abschließen. Ganz nebenbei hat er dann noch den in Bayern politischen Gegenwind nicht gewohnten Sparkassen in Sachen Milliarden-Rückzahlung der Landesbank die Pistole derart vehement auf die Brust gedrückt, dass den verdutzten Verbandsfunktionären bis heute der Angstschweiß auf der Stirn steht."
Landesbank, Finanzausgleich, Griechen-Bashing, Dürer-Bild: alles zugleich und im Söder-Tempo
Weil ihm Bayern als politische Spielwiese immer schon zu klein war, stellt der Finanzminister zur gleichen Zeit den Länderfinanzausgleich in Frage ("Seit heute Morgen um 9 Uhr wird geklagt") und empfiehlt den Griechen die Rückkehr zur Drachme ("Irgendwann muss jeder bei Mamma ausziehen").
Fast nebenbei lässt er fallen, dass "nun auch der Kunstminister meine Auffassung teilt", dass Dürers "Selbstbildnis im Pelzrock" entgegen der Blockade-Haltung Münchner Bedenkenträger für eine Sonderausstellung aus der Pinakothek natürlich nach Nürnberg verliehen werde.
Aus der Leihe wird zwar nichts – und sie bleibt längst nicht die einzige vollmundige Ankündigung in Söders politischer Karriere, die unerfüllt versandet. Doch zur griffigen Schlagzeile reicht's. Für die ist Söder immer schon gut – und als Finanzminister findet er dafür reichlich Möglichkeiten.
Nicht sagen, was nicht geht: Laute Töne im Chefbüro
Im auf Sachlichkeit getrimmten Finanzministerium kommt dieser Stil nicht überall gut an: "Ich will nicht, dass man mir erklärt, was nicht geht", verlangt Söder dort. Vorlagen dürfen nicht länger als zwei Din-A-4-Seiten sein, klagen die Beamten. Und spure ein Mitarbeiter nicht, könne es im Ministerbüro auch mal lauter werden.
Als Ministerpräsident Seehofer offenbar völlig unabgestimmt die Tilgung aller bayerischen Schulden bis 2030 verspricht, unterfüttert Söder den kühnen Plan schmerzfrei mit Zahlen. Mathematisch geht die Rechnung nicht auf. Aber der Minister erkennt sofort, dass Seehofers Plan große Chancen bietet für die CSU im schwierigen Wahljahr 2013. Und für seine eigene Karriere.
Doch wer Söder bis dahin für einen Blender hält, kann in dieser Zeit erleben, dass der wortmächtige Franke, wenn es darauf ankommt, durchaus in der Lage ist, politische Minenfelder aufzuräumen.
Mehr als nur politischer Blender: In der Landesbank-Krise räumt Söder ein Minenfeld auf
Die Reste der Landesbank-Krise haben nämlich durchaus das Potenzial, Söders politische Karriere zu beenden. Zwar hatte er mit den schrägen Geschäften, die die Staatsbank 2008 an den Rand des Ruins gebracht hatten, nichts zu tun. Aber noch immer steckten zehn Milliarden Euro bayerischer Steuergelder in der wankenden Bank – und Milliardenrisiken in den Büchern.
Der Finanzminister räumt gründlich auf – mit ein bisschen Glück, aber auch mit knallhartem Krisenmanagement. Immerhin 1,2 Milliarden Euro holt Söder aus Österreich zurück, nachdem er auf einer Pressekonferenz in Wien in Margret-Thatcher-Manier verkündet hat: "I want my money back" ("Ich will mein Geld zurück") – und danach seine österreichische Amtskollegin Maria Fekter in einem Wiener Nobelrestaurant einfach sitzen lässt.
Dass unter seiner Verantwortung eine Landesbank-Immobilientochter mit gut 30.000 Wohnungen an einen privaten Investor verkauft wird, hängt Söder hingegen bis heute nach. Die Gefahr einer Landesbank-Intervention aus Brüssel bei einer Verstaatlichung der Wohnungen war im Jahr 2014 allerdings real – und hätte Söder politisch vielleicht noch mehr schaden können.
Söders Machtkampf mit Seehofer: Eiskalt gehopfter Hallodri und "zu viele Schmutzeleien"
"Ich bin schon jemand der auch kämpfen kann", sagte Söder einmal am Rande eines Interviews im persönlichen Gespräch mit dem Main-Post -Korrespondenten: "Talent allein reicht nicht." In der Tat ist sein Aufstieg an die Macht kein Selbstläufer, sondern ein harter, auch schmutziger Kampf. Viele Konkurrenten erledigen sich selbst: Karl-Theodor zu Guttenberg - mindestens so bild- und wortmächtig, aber von einer Weltläufigkeit, die Söder recht provinziell erscheinen lässt - stolpert über seine Doktorarbeit, Christine Haderthauer über schräge Geschäfte ihres Ehemanns. Und Georg Fahrenschon wählt Geld statt Macht.
Söder hingegen bleibt über all die Jahre skandalfrei. Seiner Doktorarbeit kann kein Plagiat nachgewiesen werden. Unzählige Gerüchte über angebliche Affären bleiben stets ohne jede Substanz. Und Söders einzige Droge scheint immer schon die Lust zur Macht zu sein.
Hier ist er seinem Mentor Edmund Stoiber sehr ähnlich. Auch wenn Söder-Skeptiker in der CSU lange Zeit behaupteten, es gebe einen wichtigen Unterschied: Stoiber sei es immer zuerst um Bayern gegangen. Söder gehe es vor allem um ihn selbst.
Dem Sprung an die politische Spitze in Bayern steht Söder Mitte der 2010er Jahre vor allem ein Mann im Weg: Horst Seehofer. Der hatte Söder zwar die große Bühne als Finanzminister verschafft. Doch beide verbindet eine tiefe gegenseitige Abneigung. Vielleicht sind sich beide als politische Alphatiere schlicht zu ähnlich, um einander vertrauen zu können: aus einfachen Verhältnissen nach oben gekommen, in den politischen Überzeugungen demoskopisch flexibel, machtpolitisch wenig zimperlich.
Söder und Seehofer sind sich sehr ähnlich – und trauen sich deshalb jedes Foulspiel zu
Vielleicht traute Seehofer Söder im jahrelangen Machtkampf zwischen 2012 und 2018 auch deshalb so ziemlich jedes Foulspiel zu, weil er nur zu gut wusste, wie er selbst an Söders Stelle gehandelt hätte? Beide gaben sich jedenfalls an Bosheiten nichts – von der dezenten Stichelei bis zur derben Blutgrätsche.
Wenn Seehofer ein Bier wäre, sagte Söder etwa 2013 bei dem von ihm selbst zum Gegen-Nockherberg aufgepumpten "Maibockanstich" im Münchner Hofbrauhaus, dann wäre er "ein eiskalt gehopfter Hallodri".
Seehofer wiederum hatte im Dezember 2012 auf einer CSU-Weihnachtsfeier umringt von Journalisten gestänkert, Söder habe zu viele "charakterliche Schwächen", sei "vom Ehrgeiz zerfressen" und leiste sich "zu viele Schmutzeleien". Der Weihnachtsfrieden in der CSU konnte danach nur noch mit höchsten Anstrengungen etwa von Barbara Stamm gesichert werden.
Seehofer lässt über die Jahre keinen Zweifel, dass er Söder für seine Nachfolge für ungeeignet hält. Politisch verzichten kann er auf ihn nicht – dafür ist Söders Unterstützung in der CSU und auch in der Bevölkerung längst zu groß.
Als die CSU bei der Bundestagswahl 2017 auf 38,8 Prozent fällt, steht Seehofers politische Zukunft plötzlich in Frage. Es entspinnt sich hinter den Kulissen ein wochenlanger zäher Kampf um die Macht in der CSU – den Söder schließlich für sich entscheidet: Er soll Ministerpräsident werden, Seehofer bleibt noch Parteichef und wird Bundesinnenminister.
Auf dem Weg zur Macht: Warum sich Söder gegen interne Gegner durchsetzt
Durchgesetzt hat sich Söder am Ende wohl aus zwei Gründen: Seine internen Gegner wie Manfred Weber, Ilse Aigner oder Alexander Dobrindt waren jeder für sich zu schwach und gemeinsam zu uneinig, um Söder zu verhindern.
Zudem zahlte sich nun das in langen Jahren geknüpfte Netzwerk an der CSU-Basis und in der CSU-Landtagsfraktion für Söder aus: In weiten Teilen der Partei und in der Wählerschaft galt er schlicht als aussichtsreichster Kandidat für die Landtagswahl 2018 – ein hart erarbeitetes Pfund, dass er nun einlösen konnte.
Der dritte Teil der Serie beschäftigt sich mit Söder als Ministerpräsident seit 2018: Vom Kruzifix-Verteidiger zum Corona-Schattenkanzler
Im ersten Teil der Serie geht es um Söders Imagewandel vom knallharten CSU-Generalsekretär unter Stoiber zum mitfühlenden Umweltminister: Vom Provokateur zum Lebensminister
das war doch zu erwarten, dieser Frustbewältigungsbeitrag eines Enttäuschten, aber da stehen sie doch drüber!
Politische Neutralität stünde dieser Zeitung endlich gut zu Gesicht. Was macht eigentlich der Cherfredakteur?