Yarema Antonenko war zwölf Jahre alt, als er 2014 aus der Ukraine nach Deutschland kam. Orthodox getauft, hatte er Gottesdienste in seiner Kindheit immer als langweilig empfunden. Aber an seinen ersten Kirchenbesuch in Würzburg, der das ändern sollte, erinnert er sich noch genau.
Er hatte eine Schulfreundin zur Messe im Würzburger St.-Kilians-Dom begleitet, erzählt der 19-Jährige. Er habe damals die Sprache noch nicht gut beherrscht. Der "voluminöse Klang" der Orgel hinterließ dafür umso mehr Eindruck. Und vor allem die Gemeinschaft, in der alle "irgendwie miteinander verbunden" zu sein schienen, beeindruckte ihn: "Ich habe mich wirklich fremd gefühlt und hatte keinen richtigen Platz. Weder die Ukraine, noch Deutschland waren so wirklich meine Heimat", sagt Yarema Antonenko. "Dieses Heimatgefühl habe ich erst in der Kirche gefunden."
Heute studiert der 19-Jährige aus Marktbreit (Lkr. Kitzingen) katholische Theologie an der Universität Würzburg im ersten Semester. Und er will katholischer Priester werden.
Nach der Messe im Dom suchte er schnell das Gespräch mit dem Priester der Gemeinde in Marktbreit, sagt Antonenko. Auf den Wunsch, er wolle Christ werden, habe der Pfarrer erwidert: Das sei er doch bereits. Die katholische und die orthodoxe Kirche erkennen gegenseitig ihre Taufe an. Es galt nur, einen Antrag nach Rom zu schicken.
Katholische Kirche verliert seit Jahren an Zulauf
Schnell wurde der Schüler Teil der Gemeinde St. Ludwig, und auch die Gottesdienste im Würzburger Dom besuchte er weiter. Er habe sich für die theologische Lehre interessiert - und letztendlich den Entschluss gefasst, katholische Theologie zu studieren, sagt der 19-Jährige. Andere Fächer hatte er sich auch angesehen - Politikwissenschaften oder Jura fand er wichtig und spannend. Doch, sagt Yarema Antonenko, immer fehlte ihm dabei der Aspekt des Glaubens.
Sein Entschluss läuft gegen den Trend: Mit 21,6 Millionen Gläubigen im Jahr 2021 ist die katholische Kirche laut Deutscher Bischofskonferenz (DBK) zwar die am stärksten vertretene Konfession in Deutschland. Doch die Anzahl der Mitglieder geht seit 1990 (damals 28,3 Millionen) kontinuierlich zurück.
In Bayern sind im vergangenen Jahr rund 1000 Menschen in die Kirche erstmals oder wieder eingetreten - 100.000 Menschen aber traten aus. Und während im Jahr 2000 bayernweit noch 154 Priester geweiht wurden, waren es 2021 nur noch 48. Das Vollstudium, das benötigt wird um Priester zu werden, schlossen im Jahr 1993 bayernweit noch 706 Studierende ab, im Jahr 2018 waren es nur noch 101. Und die meisten Absolventen der katholischen Theologie arbeiten später im Lehrberuf.
Diesen Rückwärtstrend spüre er auch in seinem privaten Umfeld, sagt Yarema Antonenko: "Die meisten meiner Freunde sind ungläubig. Die machen ihr Ding und ich mache meins." Sie würden manche Themen "vermeiden, bei denen wir unterschiedlicher Meinung sind". Aber, sagt der 19-Jährige: "Ich glaube, das geht allen so."
Zölibat? Kein Grund für den Würzburger Studenten, nicht Priester werden zu wollen
Die Entscheidung, als Priester zu leben und zu arbeiten, geht mit Verantwortung und Verpflichtungen einher. Für den jungen Studenten aus Marktbreit ist das kein Grund, sein Berufsziel nicht zu verfolgen. In seiner Freizeit verhalte er sich wie andere in seinem Alter auch: Hin und wieder gehe er feiern, trinke dabei auch Alkohol. Eine feste Freundin habe er momentan nicht. Aber das liege nicht daran, dass er aufgrund seines Berufswunsches enthaltsam lebe.
Ein Leben im Zölibat? Antonenko empfindet das nicht als Problem. Er wolle nicht, dass sich die Kirche verändere, nur weil das gerade dem Zeitgeist entspreche, sagt der Theologiestudent: "Wenn ich die Weihe empfangen würde, will ich nicht, dass die Kirche sich an meine Wünsche anpasst. Ich bin bewusst ein Gläubiger der katholischen Kirche."
Ihm selbst könnten solche Regeln auch gut tun, sagt er. Dass die Gesellschaft heute mit dem Thema sexuelle Beziehungen offener umgeht als früher finde er im Sinne der Aufklärung zwar gut. Andererseits sehe er die Gefahr, dass solche Themen schnell ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und die wichtigeren Aspekte im Leben durchdringen würden: "Ich merke einfach, dass das kein Lebensstil ist, den ich leben will."
Am Priester-Beruf gefällt ihm, dass man nah an den Menschen ist und sich mit ihnen auseinandersetzt. Liturgisch zu arbeiten, der Gesellschaft nützlich zu sein, anderen zu helfen, auch seelsorgerisch - das sein, was er wirklich wolle, sagt der 19-Jährige. Er empfinde das als Berufung: "Das soll nicht mystisch überhöht klingen, aber man spürt schon, wenn man das wirklich will."
Frauen als Priesterinnen - für den Theologiestudenten kein Tabu
Doch das heiße nicht, dass er nicht manches in der katholischen Kirche auch anzweifle, sagt Antonenko. Den eigenen Glauben und kirchliche Strukturen zu hinterfragen, sei sogar fester Bestandteil des Theologiestudiums. Dass es etwa Frauen untersagt ist, liturgisch tätig zu sein oder gar Priesterin zu werden, hält er für falsch: "Für mich gibt es aus theologischer und aus historischer Sicht keine Widersprüche, warum Frauen nicht die Weihe empfangen können sollten." Viel entscheidender als die Frage des Geschlechts seien für ihn die Ausbildung und der Lebensweg eines Menschen.
Yarema Antonenko sieht auch keinen Grund, weshalb ein Priester einem gleichgeschlechtlichen Paar im sonntäglichen Gottesdienst den Segen verweigern sollte: "Man darf auf keinen Fall Menschen ausschließen und sie diskriminieren, nur weil sie anders sind als die Mehrheit der Menschen." Bei der Eheschließung allerdings drehe sich nach kirchlichem Recht alles um die Kinder. Dass der Vatikan die gleichgeschlechtliche Ehe deshalb ablehnt? Der 19-Jährige will da keine Stellung beziehen: "Ob der Vatikan hier Recht hat, kann ich nicht eindeutig sagen."
Missbrauch - in der katholischen Kirche und überall, wo es Machtgefälle gibt
Und dann stehen da noch die schweren Missbrauchsfälle und Missbrauchsvorwürfe gegenüber der katholischen Kirche im Raum. Diese Vorwürfe gebe es nicht grundlos, sagt Antonenko. Sie müssten präzise aufgearbeitet werden, das sei klar. Aber er finde es schade, dass viele Menschen die Kirche inzwischen ausschließlich damit in Verbindung brächten. Missbrauch komme auch in anderen Konfessionen vor, in Vereinen, in politischen Parteien - eben überall dort, wo Machtgefälle bestehe. "Statt zu klären, macht man Panik", meint der Student. "Es braucht Kritik, aber dadurch, dass man die katholische Kirche zum Sündenbock verurteilt, ist nichts gelöst und keiner wird sich besser fühlen."
Die katholische Kirche in Würzburg kenne er inzwischen sehr gut. Wer sich scheue, einen Gottesdienst zu besuchen, solle sich nicht sorgen: "Hier ist alles ziemlich liberal und modern. Und letztlich geht man ja nicht zum Priester nach Hause - sondern man geht zu Gott nach Hause."
Missbrauch von Kindern in allen möglichen Organisationen nicht nur in der Kirche.
Aber in der rkK wurde, um den Ruf der Organisation zu schützen, besonders viel vertuscht, bis zum Verstecken der Täter in anderen Ländern, wo sie für unsere Justiz nicht mehr erreichbar waren.
Ich finde, diese Taten nimmt der junge Mann nicht ernst genug. Das was kürzlich über die Diözese Eichstätt bekannt wurde, dass mit Spenden von ahnungslosen Gläubigen Verbrecher vor der irdischen Justiz versteckt wurden, ist noch mal eine ganz andere Dimension.