
Der eher dramatische Anfang geht so: Der Würzburger Dom wurde aus den Trümmern der Würzburger Residenz erbaut. Weniger pathetisch könnte es so klingen: Reinhold Dukat hat es wieder getan – nach der Residenz baute er nun auch den St.-Kilian-Dom aus Lego-Steinen. Um die 1800 Arbeitsstunden hat er investiert und geschätzt um die 2,5 Millionen Steine verbaut. Und gegenüber der Residenz steigerte sich der Kitzinger noch einmal: Diesmal lässt sich das Werk nicht nur von außen bestaunen – es gibt sogar überraschende Innenansichten.
Das Unternehmen Dombau startete allerdings mit einer versteckten Träne und einer fast nicht zu glaubenden Demontage: Das Vorgängerwerk musste dran glauben. Anfang 2018 hatte der heute 72-Jährige die Lego-Residenz als Wunderwerk mit eineinhalb Millionen Steinen und im Maßstab von etwa 1:32 in seinem Gästezimmer entstehen lassen. Damals investierte er in den Nachbau des Weltkulturerbes gut 1000 Arbeitsstunden. Die Belohnung für all die Mühe, Tüftelei und Geduldsproben: Neben Schlagzeilen und Schulterklopfen durfte der Nachbau sechs Wochen im Original ausgestellt werden. Ein beglückendes Gefühl, das für seinen Erbauer Lohn genug war.

Letztlich aber führte am Rückbau der Residenz kein Weg vorbei: Die Steine bildeten den Grundstock für das noch gewagtere Werk. Wobei der beige, sandsteintypische Farbton zum Glück auch bei der neuen Herausforderung mit der markanten Doppelturmfassade passte. Eine weitere Steigerung: mehr Steine, mehr Details und erstmals mit Innenleben. Reinhold Dukat weiß, wie man es sich schwer machen kann. Er weiß aber auch, dass es Lösungen dafür gibt.
Zunächst versuchte er, wie schon bei der Residenz, lange vor dem Baubeginn mit dem Kiliansdom eins zu werden. Vor Ort inspizierte er jeden Winkel. Und falls das bei dem einen oder anderen Raum nicht erlaubt war, passierte es eben aus Versehen. Wieder kamen unzählige Fotos zusammen. Der Kitzinger vertiefte sich seit Sommer 2019 in jede noch so kleine geschichtliche Fußnote. Und so wurde aus dem intimen Kenner der Residenz zunehmend ein herausragender Dom-Fachmann.
In einem Rutsch gebaut
Als der 72-Jährige schließlich im vergangenen August zur Grundsteinlegung schritt, spielte nicht zuletzt die Pandemie eine große Rolle: Wenn man sowieso daheim bleiben muss, kann man auch mal den Dom in einem Rutsch nachbauen.

Was die Geschichte des Doms anbelangt, machte dem früheren Diplom-Betriebswirt, der erst im Alter von 50 Jahren zum glühenden Lego-Fan geworden war, zu diesem Zeitpunkt keiner mehr etwas vor. Die verschiedenen Bauphasen, der Mix der Baustile – Reinhold Dukat brachte es zum wandelnden Dom-Lexikon. Jede Jahreszahl sitzt, bis hin zum großen Einschnitt: der etwa 80-prozentigen Zerstörung des Bauwerks zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Wiederaufbau, die Einweihung 1967 – alles war abgespeichert und floss letztlich in Dukats Bauwerk ein.
Ein privates Legoland
Wieder hatte der Rentner seinen Tunnelblick aufgesetzt. Seine Frau Gertrud bekam den gebürtigen Saarländer maximal noch zu den Mahlzeiten zu Gesicht. Das Paar hatte 2009 geheiratet und zog in Kitzingen zusammen. Beim Umzug war damals schon ein Anhänger alleine mit Legosteinen beladen – Dukats Passion verteilte sich auf 30 Umzugskartons. Eine Art privates Legoland. Danach ging es bei den beiden Kulturfreunden mit der Entdeckung Frankens so richtig los. Zudem nutzte Dukat seine Freiheiten als Rentner, um Kunstgeschichte an der Uni in Würzburg zu studieren und bei der Kitzinger Volkshochschule das Malen zu erlernen.

Tüfteln und Kompromisse schließen
Bei den Entdeckungstouren durch Franken konnte damals freilich noch keiner erahnen, dass sich Dukat die Wahrzeichen eines Tages nach Hause holen würde. Wobei der Dom ihn diesmal mitunter an Grenzen kommen ließ: so viele Details! Tüfteln. Kompromisse schließen. Immer wieder das Überprüfen: Passen die Proportionen noch? Und wie bekommt man beispielsweise den gotischen Stil hin, wenn Lego dafür gar nicht gemacht ist? Weshalb nicht selten neben der drei mal drei Meter großen Platte auch die Frage im Gästezimmer stand, warum es ausgerechnet der viertgrößte romanische Dom in Deutschland sein musste. Am Ende aber war der kreative Kopf doch immer wieder selbst überrascht, "dass ich das so hinbekomme".
Ob Altäre, Figuren, das angrenzende Burkardushaus, die Darstellung von Adam und Eva – es ging irgendwie. Selbst die Bäume im Innenhof durften auf keinen Fall fehlen. 1800 Stunden dauerte der Lego-Dombau, sechs Monate lang jeden Tag zehn Stunden. "Ich kann dann einfach nicht mehr aufhören", sagt der Erbauer. Selbst der Sonntag war kein Ruhetag. Aber es ging ja um den Dom, weshalb "der liebe Gott sicher ein Auge zugedrückt hat".

Um Weihnachten herum war das Werk vollbracht. Und Gertrud Dukat hatte ihren Mann pünktlich zum Fest zurück. Der war mit sich zufrieden: "Zu 90 Prozent getroffen" habe er das über 100 Meter lange Original, so seine Schätzung. Und bitte: Wer kann schon von sich behaupten, einen eigenen Dom im Gästezimmer zu haben. Hier und da lässt sich sogar ein Dach öffnen oder ein Bauteil – wie etwa die Krypta – herausziehen.
Zur endgültigen Zufriedenheit fehlt letztlich nur eines: die Präsentation des Lego-Doms im Original. Reinhold Dukat hat schon einen passenden Ort dafür ins Auge gefasst: das Dommuseum. Bleibende Eindrücke sind garantiert – allein das letzte Abendmahl mit Lego-Männchen vergisst man mit Sicherheit nicht wieder.
Aber schade um die Residenz! Der gute Mann braucht nen Sponsor!