Kurz vor den Sommerferien haben die Würzburgerinnen und Würzburger noch einmal die Wahl. Soll der Großparkplatz an der Talavera künftig bewirtschaftet werden oder nicht? Darum geht es beim Bürgerentscheid am kommenden Sonntag – aber nicht nur darum. Die Abstimmung dürfte sich auf die Würzburger Stadtpolitik auswirken, und zwar unabhängig vom Ausgang. Drei Gründe, die dafür sprechen:
1. Der Bürgerentscheid ist auch eine Abstimmung über Würzburgs mittelfristige Verkehrspolitik
Verkehrspolitik war bereits vor der Kommunalwahl 2020 ein bestimmendes Thema in Würzburg. Dass die damals stärkste politische Kraft CSU genau hier eine Lücke gelassen hatte, zeigte sich bereits 2019, als außerhalb des Stadtrates mit dem Bündnis Verkehrswende eine ernstzunehmende politische Kraft entstand. Ein Jahr später zeigte sich die Kräfteverschiebung auch im Rathaus: Bündnis 90/Die Grünen wurden nach der Kommunalwahl am 15. März 2020 erstmals stärkste Fraktion.
Im Oktober 2021 trat dann mit dem Bischofshut-Bündnis ein in der Würzburger Kommunalpolitik bislang einmaliger Zusammenschluss sehr unterschiedlicher Partner auf den Plan – unter Ausschluss der vormals tonangebenden CSU sowie von SPD und AfD. Der große Wurf, den die neue Verkehrskoalition seitdem anstrebt, sieht erstmals ein Verkehrskonzept für die gesamte Stadt vor, die geplante Bewirtschaftung des bisher gebührenfreien Großparkplatzes Talavera ist ein Teil davon.
Die Abstimmung am kommenden Sonntag dreht sich mithin nicht nur um die Frage, ob man auf der Talavera künftig ein Ticket hinter die Frontscheibe legen muss. Es geht hier auch um Grundsätzliches: Soll der Individualverkehr zugunsten des ÖPNV unattraktiver werden? Setzt man (auch) die Gebührenschraube als einen Hebel an, um die Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen?
Falls die Bewirtschaftung der Talavera am Sonntag eine klare Abfuhr erhält, sind damit (fürs erste) nicht nur die Gebühren vom Tisch. Dann stellt sich auch die Frage nach der Würzburger Verkehrspolitik insgesamt, vor allem aber nach dem Tempo der Veränderungen. Ein "Durchregieren" der Bischofshut-Koalition in der Verkehrspolitik wäre erschwert: Vor allem Vorhaben, die die Parkplatz-Situation berühren – etwa die Reduzierung von Oberflächen-Parkplätzen – müssten weiter mit kräftigem Gegenwind rechnen und stünden zudem unter dem Vorbehalt erneuter Bürgerbegehren.
Ganz anders im umgedrehten Fall: Scheitern am Sonntag die Gegnerinnen und Gegner einer Bewirtschaftung, wäre das auch eine Bestätigung des Verkehrskonzepts der Bischofshut-Koalition. Denn wenn sich das Bündnis mit einem in Teilen der Bevölkerung unpopulären Vorhaben durchsetzt, hätte dies auch auch Strahlkraft für das übrige Konzept.
2. Für das Bischofshut-Bündnis geht es um viel, für die CSU aber auch
Im Oktober 2021 rieben sich Beobachterinnen und Beobachter der kommunalpolitischen Szenerie in Würzburg die Augen, als das Bischofshut-Bündnis an die Öffentlichkeit trat und politische Kräfte von ganz links bis weit ins bürgerliche Lager hinein vereinte. Die Breite des politischen Spektrums könnte sich jedoch auch als Achillesferse der Verkehrskoalition erweisen, zumindest dann, wenn die Bewirtschaftung der Talavera krachend scheitern sollte.
Wie fragil der Zusammenschluss zumindest auf der bürgerlichen Seite ist, zeigte sich erst kürzlich. Der FDP-Kreisverband Würzburg-Stadt forderte nur wenige Tage vor dem Bürgerentscheid, dass die Talavera kostenfrei bleiben müsse. Damit stellt sich der Verband gegen die eigenen Stadtratsmitglieder Joachim Spatz und Andrew Ullmann, die die Bewirtschaftung mit beschlossen haben. Ein verlorener Bürgerentscheid könnte die politischen Kräfte, die am Bündnis mitwirken, auseinanderdriften lassen.
Für die CSU, seit der Kommunalwahl 2020 nur noch zweitstärkste Kraft im Rathaus und bei den Bischofshutplänen zur Beobachterin degradiert, bietet der kommende Sonntag die Chance, sich beim wichtigen Themenfeld Verkehrspolitik als Akteurin zurückzumelden – natürlich vorausgesetzt, die Gegnerinnen und Gegner einer Talavera-Bewirtschaftung setzen sich durch. Die Partei hat die Ziele des Bürgerbegehrens "Kostenfreie Talavera" von Anfang an unterstützt und würde im Falle eines Erfolgs mit auf der Seite der Sieger stehen.
Ein Abstimmungserfolg am Sonntag reicht aber nicht. Um wieder in die Offensive zu gelangen, bräuchte die CSU neben zündenden verkehrspolitischen Ideen auch Bündnispartner: Ein Auseinanderbrechen der Bischofshut-Koalition könnte ihr dabei helfen.
3. Die Entscheidung wirkt sich auf die Rollen von OB Schuchardt und Bürgermeister Heilig in der Verkehrspolitik aus
Ebenso wie die CSU-Fraktion war auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) 2021 nicht in die Planungen des Bischofshut-Bündnisses eingebunden gewesen. Dem Konzept hatte Schuchardt damals "wenig neue Gedanken" bescheinigt. In der Folge blieb allerdings auch ihm vor allem die Rolle des Moderators, den Takt gaben andere vor. Ein Kompromissvorschlag für geringere Parkgebühren auf der Talavera, den Schuchardt gemeinsam mit SPD-Fraktionschef Kolbow eingebracht hatte, blitzte im Stadtrat ab.
Schuchardt sitzt derzeit zwischen den Stühlen. Ein Sieg des Ratsbegehrens, für den er öffentlich werben muss, würde seine Position in der Würzburger Verkehrspolitik eher schwächen – zugunsten seines einstigen OB-Mitbewerbers Heilig. Lehnen die Würzburgerinnen und Würzburger die Bewirtschaftung des Parkplatzes ab, könnte Schuchardt indes die Initiative zurück erlangen und in die Rolle schlüpfen, die ihm – siehe Flüchtlingspolitik und LGBTIQ – ohnehin am besten liegt: die des liberalen Konservativen, der auch mit der grünen Klientel kann, dessen Schritte zur Veränderung aber kleiner ausfallen.
Und Martin Heilig? Für den grünen Umweltbürgermeister steht am Sonntag wohl am meisten auf dem Spiel. Heilig hat in der Vergangenheit vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung nicht immer klug agiert, auch im grünen Lager hat er längst nicht nur Anhänger. Eine Niederlage am Sonntag würde die Kritik an seiner Person wieder lauter werden lassen.
Von einem Ja zur Bewirtschaftung könnte Heilig indes am stärksten profitieren. Das Stahlbad eines Bürgerentscheids erfolgreich überstanden zu haben, wäre nicht nur ein inhaltlicher Triumph, sondern würde auch massiv auf sein Standing als Bürgermeister einzahlen. Die Rolle des Taktgebers und Antreibers der Würzburger Verkehrswende – sie wäre Martin Heilig auf absehbare Zeit schwer streitig zu machen.
Wenn aber sogar die Sprecher*innen des Begehrens „kostenfreie Talavera“ die übrigen Maßnahmen des Pakets Besser leben im Bischofshut loben, sehe ich nicht, warum das Bündnis an einem möglicherweise verlorenen Entscheid zerbrechen sollte.
Lukas Weidinger
Fraktionsvorsitzender, Grüne im Stadtrat
"Grundsätzlich finde ich diesen ganzheitlichen Ansatz für ein Verkehrskonzept gut. Das Aber ist für mich: Viele Details wurden nicht berücksichtigt"
...für den WÜ-Raum nicht gerade unwichtig 🤷♂️
...ob diese zutreffend ist, steht auf einem anderen Blatt 😉
Gefährlich wird's nur beim Versuch durch stures Beharren einer verfestigten Einstellung, selbige Andersdenkenden aufzwingen zu wollen.
Gelingt das nämlich nicht, sind oft genug verbale persönliche Angiffe die Folge. Und das hat mit einer sachlichen Diskussion über eine Thematik nichts mehr zu tun!
Ich weiß, das ist nicht immer einfach und mißlingt mir auch noch manchmal.
@Online-Redaktion:
Mein Vorschlag für eine Forum-Verbesserung wäre ein Entwurfsbutton ähnlich wie in Office-Programmen. Den könnte man ja hier zeitlich auf 1 bis 2 Tage pro Kommentar begrenzen. Solange ein Kommentar im Entwurfsmodus ist, kann der User ihn noch jederzeit ändern oder auch wieder löschen.
Bis jetzt ist es halt so, das beim Klick auf "Kommentieren" das Geschriebene nicht mehr zu ändern oder rückgängig zu machen ist.
Es ist Schade für den Zeitaufwand wenn deshalb eineLöschung durch die MP erfolgt.
Über den Kopf von Anliegern Parkgebühren beschlossen? Es wurde bereits 1995 mit dem Verkehrsentwicklungsplan beschlossen, die Talavera zu bewirtschaften - einstimmig . Es wurde nur bis heute nicht umgesetzt. Dadurch sind uns gewaltige 41 Mio. € durch die Lappen gegangen, die wir bis heute eingenommen hätten, und für den Straba-Ausbau gebraucht hätten. Wer will, dass das zukünftig besser läuft, der stimme für das Ratsbegehren!
Man sehe sich die unterirdischen Plakate des Bürgerbegehrens an: "Hilfe! Mord und Totschlag in der Stadt! Ärzteflucht! Buslinien, die einmal am Tag fahren und ähnlich freie Erfindungen: mangels Argumenten Flucht in billige Polemik, die den Egoismus der Aktion übertünchen soll.
in Schweinfurt kündigt die Diakonie reihenweise Pflegeverträge, weil sie nicht mehr genug Personal hat, und in WÜ will man den Leuten, denen eh wenig genug übrig bleibt, immer noch mehr Geld aus der Tadsche ziehen bzw. bewirken, dass der Parkdruck in der Zellerau weiter zunimmt? Kann man nicht bittebittebitte erstmal dafür sorgen, dass die Leute, die zu ihrer Arbeit nach WÜ MÜSSEN, dies auch außerhalb der "üblichen ÖPNV-Zeiten" KÖNNEN, ohne dabei auf ihr Auto angewiesen zu sein?
Und ich sag das sicherheitshalber nochmal, ich brauche die ### kostenlosen Parkplätze nicht, weil ich eh mit dem ÖPNV komme, was allerdings wiederum "nur" daran liegt, dass der ÖPNV für meine Belange wochentags ausreicht (aber z. B. für meine Anfahrt zum Ehrenamt am Wochenende absolut indiskutabel ist - im Prinzip müsste ich am Arbeitsplatz übernachten, um am Sonntagfrüh pünktlich da zu sein). Ist in der Region WÜ das Anrufsammeltaxi noch nicht erfunden???