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Würzburg
So tickt Würzburgs neuer Uni-Präsident: Paul Pauli im Interview
Seine beiden Vorgänger an der Spitze der Würzburger Universität waren Physiker. Nun kommt mit Paul Pauli ein Psychologe ins Präsidentenamt. Was ändert sich?
Ab 1. April ist der Psychologe Paul Pauli neuer Präsident der Universität Würzburg. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre.
Foto: Thomas Obermeier | Ab 1. April ist der Psychologe Paul Pauli neuer Präsident der Universität Würzburg. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:54 Uhr

Nach seiner Wahl durch den Universitätsrat im vergangenen Oktober tritt der Psychologe Prof. Paul Pauli am 1. April sein Amt als neuer Präsident der Würzburger Julius-Maximilians-Universität an. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Der 60-Jährige folgt auf den Nanophysiker Alfred Forchel, der altersbedingt ausscheidet. Was zeichnet den neuen Präsidenten aus und wie will er die Uni weiterentwickeln?

Frage: Herr Professor Pauli, was hat Sie vorrangig zur Kandidatur als Uni-Präsident bewogen?

Prof. Paul Pauli: Mir hat es bisher schon viel Freude gemacht, Menschen aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen zusammenzubringen. Austausch und Dialog fördern – das möchte ich gerne für die gesamte Universität voranbringen. Ich denke, dass mein Fach mir dabei helfen kann. Die Psychologie ist ja eine Art Scharnier zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.

Sie haben sich gegen einen auswärtigen Mitbewerber durchgesetzt. Den „Stall“ zu kennen – eher Vor- oder Nachteil?

Pauli: Ich bin seit 20 Jahren an dieser Universität. Da ist es von Vorteil, dass mich die Akteure hier kennen und Vertrauen in meine Person haben – auch für diese neue, große Aufgabe.

Und Nachteile?

Pauli: Man kann sich natürlich nicht ganz von seiner Historie lösen. Ich bin in der Psychologie und in der Fakultät für Humanwissenschaften verwurzelt. Außerdem bin ich Zweitmitglied in der Fakultät für Medizin. Deshalb ist es wichtig, den Blick auch für andere Bereiche zu öffnen, die man nicht so gut kennt. Das will ich tun.

Wird sich im Vergleich zu Ihrem Vorgänger der Stil ändern?

Pauli: Jeder Präsident bringt seine eigene Persönlichkeit und seinen Führungsstil mit. Ich will mit offenen Türen arbeiten und in einem neuen Format „Meet the President“ bewusst auf allen Ebenen Leute einladen, sich mit mir zu treffen und auszutauschen. Das sind Neuerungen, wie sie zu meiner Persönlichkeit passen. Was am Ende zählt, ist der Erfolg.

Blick auf die Neue Uni am Sanderring: Mit dem Psychologen Paul Pauli steht erstmals seit 2003 wieder ein Nicht-Physiker an der Spitze der JMU. 
Foto: Patty Varasano | Blick auf die Neue Uni am Sanderring: Mit dem Psychologen Paul Pauli steht erstmals seit 2003 wieder ein Nicht-Physiker an der Spitze der JMU. 
Wird man merken, dass erstmals seit 2003 - nach Axel Haase und Alfred Forchel - ein Nicht-Physiker an der Uni-Spitze steht? Zum Beispiel durch eine Stärkung der Geisteswissenschaften?

Pauli: Ich denke, sie werden etwas mehr Gewicht bekommen – aber auch, weil sie in Ausschreibungen immer mehr gefordert werden. Beispiel Künstliche Intelligenz: Dazu braucht man ausgezeichnete Informatikerinnen und Informatiker. Aber genauso muss man die Konsequenzen für die Gesellschaft untersuchen. Hier sind Sozialwissenschaftler gefragt. Aber natürlich werden wir unsere exzellente Forschung in der Physik oder Chemie weiter vorantreiben.

Das interdisziplinäre Zusammenarbeiten der Fächer scheint immer entscheidender.

Pauli: Richtig. Und hierzu passt mein persönlicher Hintergrund, den ich dafür einbringen möchte. Übrigens könnten Sozial- und Geisteswissenschaften ein eigener Förderschwerpunkt bei der nächsten Exzellenzstrategie von Bund und Ländern werden.

Die letzte Exzellenzrunde war für den Freistaat – ausgenommen die Münchner Unis – eine Pleite. Würzburg konnte ein Cluster mit der TU Dresden für die Quantenphysik holen. Wie kann man aufholen?

Pauli: Wir wollen als neue Universitätsleitung sehr früh für die nächste Exzellenz-Ausschreibung planen – unmittelbar nach Amtsantritt. Die Physik ist klar gesetzt, wir wollen dieses Cluster erfolgreich weiterführen. Aber wir wollen weitere Themen identifizieren, mit denen wir Erfolg haben könnten – aus eigener Kraft oder mit einem Partner. Ich wünsche mir schon, dass sich auch ein Thema aus den Sozial- und Geisteswissenschaften auf den Weg zur Exzellenz macht.

Wie können Sie Spitzenforscher nach Würzburg locken?

Pauli: Natürlich braucht es Spitzenpersonal. Aber auch wichtig erscheint es mir, nach „Rising Stars“ Ausschau zu halten, also nach Leuten mit Potenzial. Das sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Schwelle zur Spitzenforschung, für die ein Wechsel nach Würzburg attraktiv sein könnte, um ihr Thema auf höchstes Niveau zu hieven.

Als Uni-Präsident will Paul Pauli frühzeitig die Weichen für die nächste Exzellenzrunde von Bund und Ländern stellen.
Foto: Thomas Obermeier | Als Uni-Präsident will Paul Pauli frühzeitig die Weichen für die nächste Exzellenzrunde von Bund und Ländern stellen.
Wie wichtig ist Ihnen exzellente Forschung im Verhältnis zur Lehre?

Pauli: Ich habe den Anspruch, dass unsere Universität in der Forschung exzellent ist. Gleichzeitig darf man nicht vergessen: Der wichtigste Auftrag ist, Nachwuchs und Studierende auszubilden. Und das muss ebenso auf exzellente Weise geschehen. Ich glaube an das Humboldtsche Bildungsprinzip: Forschung und Lehre gehören zusammen.

Da bereiten die Pläne der bayerischen Hochschulreform Sorge. Ziehen sich die besten Forscher über Freisemester zurück in ihr Kämmerlein?

Pauli: Hilfreich ist eine gewisse Flexibilität beim Umfang mit der Lehrverpflichtung. Sich ganz herauszuziehen, wäre nicht zielführend.

Also Top-Forscher stehen auch künftig im Hörsaal?

Pauli: Ja, sinnvoll eingebunden in ihre Forschungsarbeit.

Der Freistaat pumpt Millionen für die Wissenschaft in die Münchner Einrichtungen. Bleibt der Rest im Freistaat, auch Würzburg, auf der Strecke?

Pauli: Das glaube ich nicht. Schon ein Blick nach Baden-Württemberg zeigt, dass Exzellenz in einem Bundesland besser zu verteilen ist und dass man sie auch außerhalb Münchens braucht. Diese Notwendigkeit scheint erkannt. Natürlich hat München mit den Hochschulen und den außeruniversitären Einrichtungen mehr Schlagkraft als wir. Mittlerweile lässt sich aber räumliche Distanz gut überbrücken und wir können uns mit Partnern ebenfalls exzellent aufstellen. Beispiel Nationales Tumorzentrum: Neuer Standort wird nicht München, sondern Würzburg.

Mit der neugegründeten TU Nürnberg kommt eine weitere Hochschule auf die fränkische Landkarte. Eher Konkurrent oder Partner?

Pauli: Es ist erfreulich, wenn es in Nordbayern eine weitere Universität gibt. Dies darf aber nicht zu Lasten der bestehenden gehen. Entscheidend ist, dass der Geldtopf für die Wissenschaft in Bayern entsprechend vergrößert wird und nicht bei anderen gekürzt wird. Wir selbst sind eine Volluniversität, das ist unsere Stärke und unser Profil. Wir können Brücken bauen zwischen den Disziplinen.

Sie haben das neue Uni-Präsidium paritätisch mit Frauen und Männern besetzt. Ein Signal für Gleichstellung und mehr Professorinnen?

Pauli: Wir haben schon einiges getan. Zum Beispiel sind 35 Prozent unserer Tenure-Track-Professuren, eine Art Vor-Professuren, mit Frauen besetzt. Bei den Junior-Professuren sind es 50 Prozent. Insgesamt beträgt der Frauenanteil an den Professuren aber erst 22,5 Prozent. Das ist zwar besser als der bayerische Schnitt, aber im Bundesvergleich noch zu wenig.

Was wollen Sie unternehmen?

Pauli: Wir müssen es schaffen, dass aus diesen frühen Professuren dauerhafte ohne Befristung werden. Bei den Berufungen müssen wir verstärkt nach Frauen Ausschau halten. Man darf aber nicht vergessen, dass wir viele hervorragende Frauen ausbilden, die an andere Universitäten wegberufen werden. Auch das ist ein Beitrag zur Gleichstellung.

Und wie sieht es mit der Internationalisierung aus? Hinkt die Uni beim Anteil ausländischer Studierender noch hinterher?

Pauli: Bei den Studierenden sind wir bei acht bis neun Prozent, das ist deutlich unter dem Bundesschnitt von etwa 13 Prozent. Da wollen wir uns noch mehr anstrengen. Ziel ist es, in bestimmten Regionen als Hochschule bekannter und attraktiver als zu werden. Im Blick haben wir Asien und Afrika. Hier wollen wir die Kontakte mit ausgewählten Unis intensivieren und dadurch Studierende und Wissenschaftler des akademischen Mittelbaus gewinnen.

Die Pandemie fordert auch die Hochschulen. Fühlen Sie sich im politischen Diskurs hinreichend berücksichtigt?

Pauli: Nein. Die Politik geht davon aus, dass wir die Situation schon irgendwie managen. Aber auf der Strecke bleibt die persönliche Interaktion zwischen Dozierenden, Wissenschaftlern, Gremien und den Studierenden. Da ist nicht alles digital aufzufangen. Deshalb muss man sich Konzepte zum Beispiel mit Tests überlegen, wie wir diesen Austausch wieder forcieren können – wenn auch zunächst nur in kleineren Gruppen.

Hat sich die Wahrnehmung der Wissenschaft durch die Corona-Krise verändert?

Pauli: Ich glaube, die Beachtung und Wertschätzung in der Öffentlichkeit ist gewachsen. Verschiedenste Disziplinen leisten ihren Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen, das wird gesehen – nicht nur in Politik und Medien. Und Wissenschaft hat eine Verantwortung für die Gesellschaft, indem sie mit faktenbasierten Erkenntnissen zur Diskussion beiträgt.

Prof. Paul Pauli

Der Psychologe, Jahrgang 1960, stammt aus in Biberach an der Riß und kam im Jahr 2001 als Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie I, Biologische Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie an die Julius-Maximilians-Universität (JMU). Vor seinem Wechsel war er in Tübingen, München und Southampton in Forschung und Lehre tätig. 1997 habilitierte sich Paul Pauli in Medizinischer Psychologie an der Uni Tübingen. Sein wissenschaftliches Interesse gilt vor allem den Themen Angst, Schmerzen und Sucht. Seit 2007 ist er kooptiertes Mitglied der Fakultät für Medizin. Als Studiendekan und Dekan der Fakultät für Humanwissenschaften wirkte Paul Pauli bereits an der akademischen Selbstverwaltung der Uni mit. Pauli ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
aj
 
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