So viel öffentliche Wissenschaft war noch nie. Kein Tag, an dem uns nicht Virologen, Infektiologen, Physiker oder Ökonomen die Ursachen und Wirkungen des Sars-CoV2-Virus erklären würden. Nicht immer einmütig, bisweilen sich selbst widersprechend. Aber das gehört zum Wesen von Forschung, die sich mit stetig neuen Erkenntnissen vorantastet. Dass binnen Jahresfrist ein Impfstoff entwickelt sein könnte – davon hatten wir mehr geträumt als es erwartet.
Von der Ministerpräsidentenkonferenz nicht einmal erwähnt
In der allgemeinen Wahrnehmung und Wertschätzung hat die Wissenschaft in den vergangenen Monaten erheblich gewonnen. Umso mehr muss irritieren, dass sie im jüngsten Bund-Länder-Beschluss zur Pandemiebekämpfung nicht stattfindet. 13 Seiten wurden nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 3. März vorgelegt. Die Hochschulen aber – der Ort, an dem Wissenschaft gelebt und gelehrt wird – sind darin mit keiner Silbe erwähnt. Das ist skandalös.
Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte gerade mal einen Nebensatz übrig: Hochschulen seien ja erst in ein paar Wochen dran. Lieber Herr Söder, an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften wie in Würzburg-Schweinfurt haben die Vorlesungen in dieser Woche begonnen! Digital, versteht sich. Das dritte Semester in Folge – ab 12. April dann auch an der Universität. Es gibt Studierende, die haben ihre Uni oder FH noch nicht ein Mal von innen gesehen.
Ist das so gravierend? Ja, das ist es.
Hochschule ist weit mehr als reine Wissensvermittlung, sie formt junge Menschen in ihrer Persönlichkeit. Studierende erwerben wichtige Kompetenzen nicht vorrangig im sturen Auswendiglernen, sondern durch Denken in Zusammenhängen. Durch Überprüfen, Kritik, Widerstreit. Durch gemeinsame Erkenntnis. Nicht nur Personalchefs achten auf Team- und Kommunikationsfähigkeit. Und wo könnte man sie – eigentlich – besser trainieren als an der Hochschule? Studierende sollen nicht zu Fachidioten werden, sondern erworbenes Wissen in die Gesellschaft einbringen. Nicht nur zur Pandemiebekämpfung.
Digitalisierung an Hochschulen durch Pandemie extrem beschleunigt
Dass die 400 000 Studierenden in Bayern ihre Ausbildung nun schon das dritte Semester in Folge überwiegend als Videospiel erleben, muss alarmieren. Doch die Politik wirkt seltsam gleichgültig. Sie scheint sich darauf zu verlassen, dass Hochschulen digital besser funktionieren als Grundschulen. Und zugegeben: Die Pandemie hat die bayerischen Unis und FHs in Siebenmeilenstiefeln digitalisiert. Was heute Alltag ist, war noch vor einem Jahr kaum denkbar.
Mit Anstrengung und Flexibilität wurden Angebote aus dem Boden gestampft. Nicht wenige Studierende sind sogar dankbar für Vorlesungen am Laptop – sie sparen Zeit und Fahrwege. Und war die Dozentin oder der Dozent unverständlich, wird zurückgespult. Darin darf man einen Fortschritt sehen – eine Dauerlösung ist es nicht. Präsenz und persönlicher Diskurs sind digital nicht zu ersetzen.
Hinzu kommen Alltagsprobleme: Studierende geraten in finanzielle Not, weil ihnen die Nebenjobs weggebrochen sind. Und vor allem an der FH schauen viele bei den Praktika in die Röhre, die sie für ihr Studium dringend brauchen. Ja, Fristen für Bafög-Bezug und Regelstudienzeit wurden ausgesetzt, um Nachteile durch den Corona-Knockout auszugleichen. Mit solchen formalen Reaktionen ist es aber nicht getan.
Die Hochschulrektorenkonferenz fordert zu Recht: "Studierende und Hochschulen mitdenken!" Die Politik muss sie endlich auf die Agenda setzen und Perspektiven mit Blick auf Tests und Impfungen formulieren. Spätestens bei der nächsten Bund-Länder-Runde.
Vor wenigen Jahren gab es noch die zu zahlenden Studiengebühren. Das war für so manche Eltern auch nicht gerade einfach diese aufzubringen.
Hört auf zu jammern, auch wenn ihr mal selbst für euch kochen müsst!
Die Lösung der derzeitigen Probleme liegt im Impfen.
Hier schnell und möglichst unbürokratisch zu helfen, und vot allem die Impfkampagne zu beschleunigen, ist sicher der bessere Weg, als mit der Öffnung der Universitäten einen weiteren großen Raum für potenzielle
Infektionen zu schaffen.