"Hallo, Ich muss nur noch schnell mein Rad anketten", ruft er schon aus drei Metern Entfernung. Sebastian Roth ist pünktlich am Treffpunkt Grafeneckart, trotzdem entschuldigt er sich für seine Verspätung, er komme gerade direkt aus der Schule. Er trägt einen roten Schal an diesem Tag, passend zu seinem Wahlmotto "Rot(h)e Akzente setzen". Der 39-Jährige ist Lehrer an der Wolffskeel-Realschule im Stadtteil Versbach, dort wohnt er auch gemeinsam mit seiner Frau und seinen vier Kindern. Doch wenn es nach ihm geht, ist bald Schluss mit dem Lehrer-Dasein, sein nächstes Lebensziel lautet, für die Linken in das Rathaus als Würzburger Oberbürgermeister einzuziehen.
Heute geht es für ihn und die Reporterin ins Frauenland - so will es das Los. Das Wetter meint es gut mit den beiden an diesem Januar-Tag, es ist kalt, aber die Sonne scheint. So strahlt auch Roth bei der Begrüßung: "Super Losentscheidung", freut er sich. Während im Frauenland viele nur das Wohngebiet sehen, hat der Stadtteil nach Roths Meinung viel mehr zu bieten.
Zehn-Minuten-Takt im ÖPNV für Verkehrswende
Los geht es mit dem Bus. Von der Haltestelle Dominikanergasse geht es mit der Buslinie 6 zum Frauenlandplatz. Und wie soll es auch anders sein, auf der Fahrt geht es sofort um den ÖPNV. Das Thema polarisiert, besonders in Zeiten des Wahlkampfs. "ÖPNV stärken und ausbauen" lautet ein Ziel von Roth. "Wir brauchen in Würzburg eine Verkehrswende, Würzburg ertrinkt im Mobilitätsbedarf, die Infrastruktur ist überlastet", macht er klar. Daher fordert er einen Zehn-Minuten-Takt im ÖPNV, einen Ausbau des Straßenbahnnetzes ins Umland und ein ganzheitliches Verkehrskonzept für Würzburg und das Umland. Er möchte sich dafür einsetzen, die Straßenbahn-Linie 6 Richtung Hubland schneller voranzutreiben, und auch "für die Linie 7 in meinen Stadtteil Versbach möchte ich sorgen", sagt er. Später wird er am Südbahnhof noch erklären, dass er sich zudem mehr Bahnhaltepunkte in Würzburg wünscht.
In Würzburg fehlt bezahlbarer Wohnraum
Roth wirkt selbstbewusst, er weiß, was er will, spricht dies in bestimmter, aber freundlicher Tonart aus. Außerdem lacht er viel, man merkt, dass er seine Stadt, in der er geboren ist und fest seit 2002 lebt, liebt. Angekommen im Würzburger Frauenland, kommt er auf die Wohnsituation in der Stadt zu sprechen. "In Würzburg fehlt vor allem bezahlbarer Wohnraum", macht Roth, der selbst mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus in Versbach lebt, deutlich. Durch das zögerliche Bauen, vor allem durch das Bauen im Luxusbereich, werde die Stadt der Situation der Wohnungsnot nicht gerecht.
"Was viele nicht wissen", teasert er an. "Etwa 40 Prozent der Menschen in Würzburg können einen Anspruch auf eine Sozialwohnung geltend machen." So lautet sein Ziel: Anhebung des Anteils des Sozialen Wohnungsbaus bei Neubauten von derzeit 30 auf 50 Prozent. Denn während es eine abflachende Menge an Sozialwohnungen gibt, steige die Anzahl an Menschen, die einen Anspruch daran haben, weiß er. Außerdem möchte er bereits versiegelte Flächen bebauen lassen, als Beispiel nennt er die Faulenbergkaserne in der Nürnberger Straße. Weiter fordert Roth eine Vergabe von Bauland an die kommunale Stadtbau, auch zu niedrigen Preisen: "Die Stadtbau beweist, dass es möglich ist, sozialen Wohnungsbau zu halten und dauerhaft zu bewirtschaften."
Öffentliche Plätze für Menschen aller sozialen Schichten
Am Frauenlandspielplatz nehmen sich Roth und die Reporterin kurz Zeit, um auf einer der wenigen vorhandenen Holzbänke Platz zu nehmen. Als Familienvater fällt ihm sofort auf: "Warum fehlen hier am Gerüst drei Schaukeln?" Öffentliche Plätze müssten so umgestaltet werden, dass sie für Menschen aller sozialen Schichten zur Verfügung stehen: "Wir brauchen mehr Möglichkeiten zum Verweilen, ohne dass man gleich einen Latte Macchiato bestellen muss." Eine Aufwertung der Spielplätze gehöre da ebenso dazu, wie neue Flächen für Spielmöglichkeiten, beispielsweise in der Innenstadt. Im Ringpark kann sich der OB-Kandidat mehrere öffentlich zugängliche Bühnen "ohne Verstärker und ohne Beton" vorstellen. In Sachen Klimaschutz fordert er "viel mehr Grün in der Stadt" und hat außerdem im Stadtrat beantragt, alle öffentlichen Gebäude mit Photovoltaikanlagen auszustatten.
Vor der David-Schuster-Realschule stehend, kommt Roth auf das Thema Schule und Bildung zu sprechen. Diese Bereiche liegen ihm als Lehrer besonders am Herzen. Ihm stünden die Nackenhaare zu Berge, wenn er etwa den "Finanzstau" beim Schulinvestitionsprogramm sehe. Vor allem weil sich die Stadt mit Millionenbeträgen am Stadionbau der Kickers oder am Bau der Multifunktionsarena an der Grombühlbrücke beteiligen will. Steuergelder dürften nicht in private Projekte gesteckt werden. "Die Stadt setzt falsche Prioritäten."
Pflegenotstand durch mehr Investitionen stoppen
Weiter geht die Tour Richtung der Orthopädischen Klinik König-Ludwig-Haus. Roth möchte mehr Geld investieren, um den Pflegenotstand zu stoppen. Aus eigener Erfahrung könne er sagen, dass am Uniklinikum beispielsweise meist eine Notbesetzung herrscht, unter der seine Frau bei der Geburt seines Kindes auch schon leiden musste. "Krankenhäuser sind staatlich besser aufgehoben", sagt er. So sollen Krankenhäuser bedarfsgerecht finanziert und der Personalmangel bekämpft werden.
Zum Ende der Tour geht es wieder in den warmen Bus zurück in die kalte Innenstadt. Es dämmert schon leicht an diesem späten Januarnachmittag. Dann geht es um die Frage, was Wähler von Sebastian Roth als Oberbürgermeister erwarten können. "Ich möchte Akzente setzen, nicht nur verwalten", macht er deutlich. So wolle er für die Stadtgesellschaft da sein, die Stadt "fit für die nächsten Jahrzehnte machen." Was es bedeutet, eine Führungsposition zu haben, wisse er aus seinem Beruf als Lehrer, aus seinem Engagement in der Partei und als Vorstand oder Vorsitzender verschiedener Gruppierungen und Bürgerinitiativen im Stadtgebiet. Zum Abschied drückt er der Reporterin noch einige Broschüren in die Hand. "Dein Würzburg! Deine Wahl" steht auf einer geschrieben. Am 15. März haben die Würzburger die Chance dazu.
Die Leute brauchen Lösungen. Heute Wohnungsbau zu planen, bringt in 10 Jahren ein paar nette Häusle. Wer nicht bereit ist, so viel Geld zu bezahlen, muss aufs Land ziehen. Dort ist es auch schön, aber nicht der Narbel der Welt. Zum Thema Parkplätze: Manchmal will man einfach mal schnell etwas in der Stadt erledigen, ein Restaurant fördern etc. Geht schlussendlich ja nicht mehr. Alles voll.
ÖPNV schreien, aber keine Lösung zu haben. Was bringt es, wenn man von Margetshöchheim nach Estenfeld 90 Minuten braucht? Damit fahr ich mit der Bahn nach Göttingen.
"40 Prozent der Menschen ... können einen Anspruch auf eine Sozialwohnung..." Klingt gut, wer bezahlt es?
"Anhebung ... Sozialen Wohnungsbaus ... auf 50%". Solche Aussagen zeugen von Unkenntnis wirtschaftlicher Überlegungen. Keiner investiert in Wohnungsbau, wenn er damit keinen Gewinn machen kann. Ich habe beruflich genug Sozialwohnungen gesehen. Viele dort kümmern sich nicht um die Mietsache, wirtschaften sie herunter, zerstören sie und ziehen dann aus ohne belangt werden zu können.
"Warum fehlen hier am Gerüst drei Schaukeln?" Weil sie noch eingewintert sind.
"Führungsposition zu haben, wisse er ... als Lehrer". Es dürfte schon etwas anderes sein, unsere Stadt zu führen als eine Mittelschulklasse. Aber so sieht sich ein Lehrer.