Langsam wird es ernst: Sieben mehr oder weniger prominente Bewerber kündigten vergangenes Jahr an, den Posten des Oberbürgermeisters erobern zu wollen. Wie soll Würzburg sich entwickeln? Wie kann der ÖPNV besser werden? Und wo gibt es eigentlich noch bezahlbaren Wohnraum? Mögliche Antworten darauf finden sich momentan an jeder Straßenlaterne, wo die Parteien versuchen, mit Plakaten um Wählerstimmen zu buhlen.
Im auffälligen SPD-Rot lächelt auch die gedruckte Kerstin Westphal Passanten an und wirbt für sich als OB-Kandidatin. Doch wie tickt sie politisch und privat eigentlich? Um das herausfinden, soll die Reise in die Sanderau gehen – so will es das Los. Natürlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Dass die 57-Jährige nach schwieriger Wohnungssuche mittlerweile auch dort wohnt, ist Zufall. In die Straba steigt eine gut gelaunte Kerstin Westphal, obwohl über ihrer Partei momentan eher die Gewitterwolken zu hängen scheinen.
SPD hat an Stimmen verloren
Nicht nur bundesweit hat die Partei momentan wenig zu lachen. Bei der Europawahl 2019 bekam die SPD im Wahlbezirk Würzburg-Stadt 10,44 Prozent der Stimmen. Das reichte zwar, um drittstärkste Partei zu werden, fünf Jahre vorher schafften die Sozialdemokraten aber noch 22,9 Prozent.
Hat die Partei den Anschluss in der Domstadt verloren? Nein, ist sich die 57-Jährige sicher und schüttelt den Kopf. "Diese Partei ist nicht tot", sagt sie fest entschlossen. Die SPD-Stadtratsfraktion hatte sie bereits im März 2019 gefragt, ob sie sich zur OB-Wahl stellen möchte. Die Politikerin hatte zugesagt. "Nun bin ich Vorturnerin", scherzt Westphal. Auch wenn ihr bewusst ist, dass es wohl ein harter Kampf ist.
Kritik prallt ab
In den 1990ern hatte die gebürtige Hamburgerin bereits mehrere Jahre in Würzburg gewohnt, machte dann Kommunalpolitik in Schweinfurt, bevor sie ins Europaparlament gewählt wurde. Jetzt soll ihr Dreh- und Angelpunkt wieder die Domstadt werden. Kritik, dass eine Politikerin "von außerhalb" dieser Aufgabe nicht gewachsen sei, prallt an ihr ab. Auch der amtierende Oberbürgermeiser Christian Schuchardt wetterte gegen Westphal, indem er sagte, eine Verwaltung mit mehreren tausend Mitarbeitern zu führen sei etwas anderes, als auf einem hinteren Platz in einem großen Parlament zu sitzen.
Die 57-Jährige zeigt sich davon unbeeindruckt. "Das macht mir nichts", sagt sie locker, während sie durch die Straßen der Sanderau läuft. Ihr sei in ihrer Zeit in Brüssel vieles gelungen, was andere nicht von sich behaupten könnten. Aktiv war sie zum Beispiel in der Regionalförderung. Diese Erfahrung würde sie auch gerne in Würzburg spielen lassen, um Förderungen und damit Gelder in die Stadt zu holen. Würzburg als Europastadt heißt eines ihrer Ziele. "Außerdem saß ich nicht in der letzten Reihe", verteidigt sich Westphal.
Eine S-Bahn durch Würzburg?
Doch Brüssel ist nicht Würzburg. Ihren Kritikern will sie dennoch beweisen, dass sie Lokalpolitik auch hier beherrscht. Zwar gibt sie offen zu: "Ich kenne nicht alles in der Stadt." Aber das würde keiner der Kandidaten von sich behaupten können. Für sie ist der ÖPNV eine Baustelle, die zeitnah angegangen werden müsste. In diesem Punkt unterscheidet sich die Wahl-Würzburgerin mit dem norddeutschen Akzent nicht unbedingt von den anderen Kandidaten. Doch wie genau will sie Busse und Straba stärken? "Mich ärgert, dass es hier keine Online-Tickets gibt", mahnt Westphal an, während sie in der Straba sitzt. Die (noch) analogen Tickets findet sie außerdem zu teuer. Perspektivisch gesehen könnte sie sich auch vorstellen, mit einem anderen Verkehrsmittel auf Schienen durch die Stadt zu fahren. Ähnlich wie die Grünen findet sie eine S-Bahn in Würzburg sinnvoll. "Die Gleise sind doch da", merkt Westphal an, die sich als Straba-Fan bezeichnet.
Verständnis für Autofahrer hat sie dennoch. "Im Augenblick ist das in Würzburg einfach bequemer", sagt Westphal. Unter anderem auch deswegen, weil Parktickets noch zu billig seien und sich an vielen Haltestellen bautechnisch nichts getan habe. Die 57-Jährige steht an der Haltestelle Königsberger Straße, schaut sich um und merkt an: "Als ich hier 1985 zur Berufsfachschule gegangen bin, hat es genau so ausgesehen". Und das ärgert sie sichtlich. Denn bei Haltestellen wie diesen verstehe sie es, wenn der ÖPNV nicht gut ankommt. "Da ist leider Stillstand angesagt", so Westphal. Und das müsse sich schleunigst ändern.
Ändern soll sich in der Nähe der s.Oliver-Arena zukünftig etwas. Dieser Teil der Sanderau hat im vergangenen Jahr vor allem wegen des geplanten Park&Ride-Parkhauses Schlagzeilen gemacht. Gegner des Projektes kritisieren den Verlust an Grünfläche in der Stettiner Straße. Und auch Westphal übt Kritik. "Ich halte davon nichts", sagt sie. Denn die Parkplätze würden "hinten und vorne" nicht langen. Sie sieht P&R-Häuser lieber außerhalb des Stadtkerns. Auch wenn das bedeuten würde, mehr mit Bürgermeistern der umliegenden Gemeinden verhandeln zu müssen. Wenn es um die Verwaltung in Würzburg geht, wird Westphal harscher. "In Würzburg geht es nur Stück für Stück voran, es gibt kein großes Konzept", findet sie.
Personal im Rathaus aufstocken
Das könne sie bei der Personalsituation in der Verwaltung auch verstehen, die sie aufstocken würde. "Es braucht Menschen, die Entscheidungen auch umsetzen können", und spielt auf die vergangenen Haushaltsberatungen an. Stadtrat Sebastian Roth (Die Linke) und die Grünen-Fraktion wollten dem zuständigen Referatsleiter Wolfgang Kleiner etwas Gutes tun und ihm bis zu 100 000 Euro zusätzlich für die Spiel- und Bolzplätze-Pflege zur Verfügung stellen – doch Kleiner lehnte das Geld ab, da einfach das Personal fehlen würde, um noch mehr Arbeit leisten zu können.
Es sind ambitionierte Ziele, die die zweifache Mutter, die gerne verreist und Western-Filme schaut, in Würzburg vorhat. Sie ist überzeugt davon, dass es höchste Zeit wird, viele Sachen endlich anzupacken. Oder wie sie sagt: "Nun mal Butter bei die Fische".