Corona-Pandemie, Hochwasser, Brände, Krieg in der Ukraine - in den vergangenen Jahren gab es einige Katastrophen. Viele Menschen machen sich Gedanken, wie man die Bevölkerung schützen kann. Vor Kurzem fand zum vierten Mal das Würzburger Forum Bevölkerungsschutz statt. Dort kommen Akteure des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes zusammen, um ihr Wissen zu erweitern und Erfahrungen auszutauschen. Veranstaltet wird es von der Sektion für Notfall- und Katastrophenmedizin der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie der Universitätsklinik Würzburg zusammen mit dem Bezirksverband Unterfranken des Bayerischen Roten Kreuzes.
Professor Thomas Wurmb ist einer der Organisatoren. Der Leiter der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin am Uniklinikum Würzburg spricht im Interview über künftige Herausforderungen und erklärt, ob wir für Großschadensfälle wie Hochwasser oder nukleare Schadensfälle gerüstet sind.
Prof. Thomas Wurmb: Die letzten Monate und Jahre haben gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Bevölkerungsschutz ist und welch große Arbeit dahinterstecken muss, wenn er erfolgreich sein soll. Durch die SARS-CoV-2-Pandemie, die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und den Krieg in der Ukraine sind die Krisen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Als wir 2019 das erste Forum in Würzburg veranstaltet haben, war allen Organisatoren die Bedeutung des Bevölkerungsschutzes sehr wohl bewusst. Unser Ziel war es damals, die vielen Einsatzkräfte des Bevölkerungsschutzes in einem Forum zusammenzubringen, damit sich die Akteure kennenlernen und Strukturen und Einsatztaktiken besprechen. Die Entwicklung der Lage hat uns leider bestätigt.
Wurmb: Ganz genau. Denn zum Abwarten bleibt uns leider keine Zeit. Es geht momentan nicht mehr nur ums Planen und Vorbereiten, es geht um die konkrete Bewältigung von Schadenslagen und um konkrete Einsätze. Auch die Corona-Pandemie war eine Schadenslage, die uns über drei Jahre lang extrem beschäftigt hat und uns auch gezeigt hat, wo es im Katastrophenschutz zwickt und klemmt. Die Lage ist jetzt und wir brauchen Strategien und operative Taktiken, die schon jetzt funktionieren.
Wurmb: Wichtig sind realistische Planungen, gute Kommunikation, eine solide Finanzierung und regelmäßige Übungen. Wir müssen es schaffen, gute Strategien auf die praktische Seite zu bekommen. Nicht nur die Nachbereitung von Großschadensfällen ist wichtig, fast wichtiger noch ist die optimierte Umsetzung im nächsten Schadensfall. Ich sehe in dem Miteinander aller Akteure im Bevölkerungsschutz einen Schlüssel zum Erfolg. Mit dem Würzburger Forum möchten wir hierzu einen Beitrag leisten.
Wurmb: Wesentliche Beispiele in der Region, die uns betroffen haben, sind das Axt-Attentat im Jahr 2016, das Attentat am Barbarossa-Platz im Jahr 2021, die Corona-Pandemie und auch durch den Klimawandel bedingte Herausforderungen wie zunehmende Brandgefahr durch die Dürre und/oder vermehrt Stürme und Hochwasser in der Region. Als Beispiel aus 2022 ist der Großbrand in Geroda (Lkr. Bad Kissingen) zu nennen, der durch einen Scheunenbrand ausgelöst worden war und auf etwa zehn weitere Gebäude übergriff.
Wurmb: Dazu gehören alle Einheiten des Katastrophenschutzes, die Rettungs- und Sanitätsdienste, Krankenhäuser, Feuerwehr sowie das Technische Hilfswerk und die zuständigen Stellen der Stadt und des Landkreises Würzburg. Wenn man den Bevölkerungsschutz nach der Definition sehr eng fasst, wäre die Polizei nicht dabei. Für uns in Würzburg ist der Bevölkerungsschutz ohne Polizei aber nicht denkbar. Stellen Sie sich zum Beispiel das Szenario der Messerattacke am Barbarossaplatz vor - das geht ohne eine hochprofessionelle Zusammenarbeit mit der Polizei nicht.
Wurmb: Schon durch das Axt-Attentat in 2016 haben wir viel gelernt. Der Einsatz wurde lokal detailliert wissenschaftlich nachbereitet, bayernweit wurden Verbesserungen herausgearbeitet. Dadurch, dass 2021 eine fast identische Lage war, konnten die Erkenntnisse direkt umgesetzt werden. Auch der Einsatz von 2021 wird derzeit nach dem gleichen Schema aufgearbeitet und die Ergebnisse stehen zur Veröffentlichung an. Ich bin dankbar für die vertrauensvolle Zusammenarbeit des Universitätsklinikums mit allen Akteuren, Behörden und Organisationen für Sicherheitsaufgaben und bin froh, ein Teil dessen zu sein.
Wurmb: Letztlich schauen wir immer, wie sich die Herausforderungen entwickeln, auf welche Dinge wir neu eingehen müssen und wie sich die Welt verändert hat. Wesentlich ist aber auch, dass sich Ausbildung und Ausrüstung an neue Gegebenheiten anpassen müssen. Das hat zum Beispiel auch die Sturzflut im Ahrtal gezeigt. Plötzlich braucht es andere Boote, andere Fahrzeuge, es braucht Drohnen- und Satellitenbilder, um die Lage einzuschätzen. Gleichzeitig braucht es die Fachleute, die sich damit auskennen. Das kann man nicht so einfach nebenbei stemmen.
Wurmb: Solch eine Katastrophe wie im Ahrtal wäre auch hier am Main eine maximale Herausforderung gewesen. Es handelte sich ja nicht um ein Pegelhochwasser, sondern um eine Sturzflut, die in kürzester Zeit durch heftige Regenfälle entstehen kann. Da ist der Faktor Zeit entscheidend, und man muss sich anders vorbereiten als auf Hochwasser. Genau das sind die Lektionen, die wir gelernt haben. Man braucht andere Ausrüstung, andere Warnmechanismen, außerdem Evakuierungsmechanismen im Vorfeld, das heißt schon zu wissen, wo im Notfall beispielsweise Sammelplätze für Menschen entstehen. Ich würde sagen, für erwartbare Schadenslagen sind wir bestmöglich gerüstet, aber es gibt durchaus Lagen, die von solch einem Ausmaß sein können, dass sie auch das bestmöglich vorbereitete System ins Wanken bringen. Wenn man das verhindern wollte, müsste man sich auch ganz anders aufstellen. Es ist letztlich eine gesellschaftliche Entscheidung, zu welchem Aufwand und welchen Investitionen man hier bereit ist.
Wurmb: Beim Einsatz einer Nuklearwaffe oder eines Reaktorunfalls in entfernten Gebieten bestünde für die Bevölkerung hier allenfalls die Gefahr eines radioaktiven Fallout, sprich eines radioaktiven Niederschlags. Vor diesem kann man sich durch das Tragen von FFP2- oder FFP3-Masken schützen, dennoch sollte man sich möglichst nur in Innenräumen aufhalten. Je näher die Katastrophe aber rückt, umso mehr und gravierender betrifft sie uns auch. Man muss sich die Frage stellen, was der Fallout alles kontaminiert hat, also Wasser, Nahrung, Weideflächen und vieles mehr. Noch Jahrzehnte nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl ist die Umwelt dort weiterhin radioaktiv belastet. In bestimmten Situationen ist die Einnahme von hochdosiertem Jod angezeigt.
Wurmb: Zum einen ist es sinnvoll, seine Kenntnisse in Erster Hilfe von Zeit zu Zeit aufzufrischen, um anderen Menschen in ernsten Lagen helfen zu können. Zum anderen rate ich dazu, zu Hause einen kleinen Vorrat für mindestens drei bis vier Tage anzulegen. Denn bei großflächigen Schadenslagen - zum Beispiel Stromausfall oder Unterbrechung der Wasserversorgung - wird es eine Zeit dauern, bis eine breite Hilfsaktion für die Bevölkerung anläuft. Diese Zeit sollte man überbrücken können - mit Wasser, mit Nahrung, mit Medikamenten. Außerdem ist es sinnvoll, einen Notrucksack zu packen mit den wichtigsten Ausweisdokumenten, am besten in einer feuer- und wassersichereren Dokumententasche, mit Medikamenten, FFP2-Masken, einer Taschenlampe und vielleicht der Ersatzbrille. Dann ist man für den Notfall gerüstet.
Einspruch Herr Prof.!
Mit einem Erste-Hilfe-Kurs könnten viele Mitbürger auch leichtere Verletzungen/Erkrankungen besser beurteilen und damit umgehen und müssten nicht wegen jeder Kleinigkeit panisch den Rettungsdienst rufen oder Notaufnahmen belagern!
Das würde allen im Gesundheitssystem helfen!