Wie schlimm die Lage in Platz, einem Ortsteil von Geroda (Lkr. Bad Kissingen), nach dem Großbrand ist, lässt sich am Mittwochabend schon von weitem erahnen. Dicke Rauchwolken stehen über dem Ort, auf den Straßen sind unzählige Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst unterwegs.
Von Geroda aus führt eine steile, kurvige Straße hinauf in den Ortsteil, in dem 300 Menschen leben. Am Dorfeingang steht eine Polizistin und regelt den Verkehr. Die Hauptstraße, die gerade durch den Ort führt, ist gesäumt von Menschen. Einwohner und Einsatzkräfte stehen am Mittwochabend Schulter an Schulter und können das Ausmaß des Brandes nicht fassen. Es fallen Sätze wie "Hier sieht es aus wie im Kriegsgebiet" und "Stell dir vor, du gehst früh auf die Arbeit und abends ist dein Haus fort."
Weißer Löschschaum bedeckt die Straße und den Gehweg, die Abdrücke der schweren Feuerwehrstiefel sind klar zu erkennen, als wären sie hier durch Rhöner Schnee marschiert. Überall liegen Trümmer verstreut, aus denen noch Rauch aufsteigt. Die Hitze des Feuers hat die Fenster vieler Häuser zum Bersten gebracht. Abgeplatzte Ziegel von zerstörten Dächern liegen auf der Straße.
Das Feuer war bei Abbrucharbeiten einer Scheune ausgebrochen
So ein Feuer, wie es am Mittwoch am Ortsausgang von Platz Richtung Waldfenster wütete, hat auch noch keiner und keine der Feuerwehrmänner und -frauen erlebt. Es ging alles zu schnell. Bei Abbrucharbeiten einer Gemeinde-Scheune war am Mittwochnachmittag plötzlich ein Feuer ausgebrochen. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei am Donnerstagnachmittag könnte eine Selbstentzündung eingelagerter Heuballen die Ursache gewesen sein.
"Erst war das Feuer nur einen Quadratmeter groß - und nur eine Minute später stand die Scheune in Vollbrand", erzählt Alexander Schneider. Der Bürgermeister war als Erster am Brandort. Eigentlich wollte der 34-Jährige nur die Baustelle kontrollieren, als das Feuer plötzlich ausbrach.
"Ich habe die Feuerwehr alarmiert und nur noch geschaut, dass ich die Leute außen herum aus ihren Häusern hole", erzählt der Bürgermeister von Geroda am Abend sichtlich ergriffen. "Ich habe alles alarmiert, was möglich war. Wir haben hier ein Straßendorf, in dem ein Gebäude ins nächste übergeht."
Dass dies fatal enden kann, wissen die Menschen in Geroda. Viele erinnern sich an diesem Abend genau an die Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern. "1912 ist schon einmal so ein Feuer ausgebrochen und das Dreiviertel Dorf ist dabei abgebrannt", erzählt Margarethe Hilsdorf.
Fünf Scheunen und zwei Wohnhäuser sind in Platz komplett abgebrannt
Diesmal geht der Brand allerdings glimpflicher aus als 1912. Insgesamt sind sieben Wohnhäuser und sieben Scheunen und Schuppen vom Brand betroffen, zwei Wohnhäuser und fünf Scheunen sind komplett abgebrannt, so der Bürgermeister: "Die Wohnhäuser standen zum Glück leer." Die Bewohnerinnen und Bewohner der angrenzenden Gebäude können am Mittwochabend aus Sicherheitsgründen nicht in ihre Häuser zurück. "Die Leute sind alle untergebracht. Die Bereitschaft im Dorf zu helfen, ist groß", berichtet Schneider.
Ein angrenzendes Wohnhaus hat jedoch einen größeren Schaden davongetragen. Der halbe Dachstuhl ist abgebrannt, die Fensterscheiben sind von der Hitze gesprungen und der Wasserschaden im Haus dürfte enorm sein. Maria Kuhn steht am Abend sichtlich geschockt davor. "Ich saß hier unten auf der Bank vor dem Haus, als das Feuer plötzlich ausbrach", erzählt die 65-Jährige. Was zuerst brannte, kann sie nicht sagen – es ging alles zu schnell.
Neben den großen Schäden an ihrem Haus, ist auch ihre Scheune auf der gegenüberliegenden Straßenseite komplett abgebrannt. Viele Dinge hat sie verloren. Zusammen mit Elisabeth Heck, die ihr an diesem Abend als Unterstützung kaum von der Seite weicht, betrauert sie die Blumen, die in großen Töpfen zur Zierde davor standen. "Die haben geblüht, das war eine Pracht!" Übrig geblieben ist nur ein verkohlter Rest. Auch Maria Kuhn kommt an diesem Abend bei ihren Eltern in Platz unter.
Links und rechts der Straße brannten die Gebäude lichterloh
"Das Besondere an diesem Einsatz war, dass links und rechts der Straße Gebäude brannten", erklärt Kreisbrandmeister Alexander Marx, der für die Pressearbeit im Landkreis Bad Kissingen zuständig ist. Noch bei der Anfahrt zum Einsatzort seien deshalb ständig Feuerwehren nachalarmiert worden. Ob aus Bad Brückenau, Burkardroth, Oberleichtersbach oder auch Bad Kissingen, Hammelburg und Münnerstadt – am Ende des Tages waren rund 200 Einsatzkräfte von 20 Feuerwehren in dem kleinen Ort.
"Das Tückische an dem Brand sind die verschiedenen Brandstellen", sagt Marx. "Der Wind hat zur Brandausbreitung beigetragen." Die Funken sind durch die Luft getanzt und in einem Umkreis von 100 Metern haben plötzlich Dächer gebrannt. Sogar ein Feld war in Brand geraten. Was als kleines Feuer begann, entwickelte sich bei der Trockenheit schnell zum Inferno.
Neben den Feuerwehrkräften zählen auch die Landwirte zu den Helden dieses Tages. Ohne sie wäre es schlimm ausgegangen für Platz – da sind sich alle im Dorf einig. "Von Anfang an war klar, dass die Löschwasserversorgung nicht ausreicht", erzählt der Kreisbrandmeister. Schnell wurden deshalb die Landwirte nachalarmiert.
Landwirte haben Wasser für die Brandbekämpfung gebracht
Einer von ihnen ist Peter Heinle. "Die Alarmierung ging schon unmittelbar nach der Sirene los", sagt der 59-Jährige. Es sei klar geregelt, welche Güllefässer geeignet sind, um in solchen Notfällen Wasser zu fahren. "Jeder weiß, wo er noch Wasser herbekommt, wenn es im Dorf knapp ist." Er selbst habe sein 12.000-Liter-Fass bei der Zisterne in Geroda gefüllt. "In den Bächen ist ja kaum mehr etwas drinnen."
Insgesamt waren an die 40 Landwirte aus den umliegenden Gemeinden mit ihren Traktoren und Gülletank-Anhängern im Einsatz, sagt Bürgermeister Schneider. "Es ist eine super Sache, dass uns die Landwirte unterstützt haben", so Kreisbrandmeister Marx. "Sie haben geholfen, dass nicht alles in Flammen aufging." In ein Güllefass passen zwischen 12.000 und 20.000 Liter. "Da hätte das Feuerwehrfahrzeug zehnmal fahren müssen, was uns ein Traktorfahrer mit einem Mal gebracht hat."
Landwirt Heinle ist nach seinem Einsatz am Mittwochabend recht locker. "Es ist nicht der erste Brand, man stumpft ein wenig ab", sagt er. Dabei ist auch er betroffen, bei seiner Scheune ist der Dachstuhl abgebrannt. "Auf mich kommt jetzt viel Arbeit mit dem Wiederaufbau zu", so der 59-Jährige.
Es gibt auch eine gute Nachricht an diesem Tag: bei dem Brand gab es keine Schwerverletzten. "Ich bin heilfroh, dass es in dieser Hinsicht glimpflich ausgegangen ist", sagt der Bürgermeister. Vier Personen wurden vom Rettungsdienst versorgt, wie die Kreisgeschäftsführerin des BRK Bad Kissingen, Margit Schmaus, sagt: "Alles Gott sei Dank keine wesentlichen Probleme. Leichter Husten aufgrund des Rauchgases in den Lungen, aber nichts Dramatisches." Dass ein Bewohner am Mittwochabend ins Krankenhaus musste, konnte Andy Laacke, Pressesprecher im Polizeipräsidium Unterfranken, am Donnerstagmorgen nicht bestätigen.
Der Brand wird den Anwohnerinnen und Anwohnern im Gedächtnis bleiben
Trotzdem wird das Feuer den Menschen noch lange im Gedächtnis bleiben. So auch Pia Schlereth. "Ich war bis 17 Uhr auf der Arbeit und als ich auf mein Handy gesehen habe, hatte ich acht verpasste Anrufe", erzählt die junge Frau. Sie steht mit gesenktem Kopf vor den kohlschwarzen Trümmern ihrer Scheune. An der halben Wand, die gerade noch steht, hängt noch das Plakat mit der "22". Hier hat sie noch vor kurzem Geburtstag gefeiert, nun steigt der Rauch aus den Überresten ihrer Habseligkeiten.
Pia Schlereth wohnt zur Miete – ihr Haus neben der komplett in verkohlten Trümmern liegenden Scheune ist unversehrt geblieben. "Das ist ein Wunder", sagt Robert Wehner, dessen Elternhaus das ist. Auch seine Nichte Sabine Weismantel ist aus Jossgrund zum Brandort gekommen und sitzt noch spät am Abend fassungslos auf dem Gehweg. "Ich möchte mich bei jedem Feuerwehrmann, jedem Landwirt, einfach allen, die hier geholfen haben, bedanken. Diese Welle der Hilfsbereitschaft ist der Wahnsinn."
"Ein Hoch aufs Ehrenamt" – dies ist vor allem Bürgermeister Alexander Schneider in dieser Katastrophe wichtig zu sagen. Niemand mag daran denken, wie es im Ort ohne die vielen Helferinnen und Helfer ausgesehen hätte. Viele Menschen aus dem Ort hatten sich zudem am Feuerwehrhaus versammelt und Getränke und Essen für die Einsatzkräfte besorgt. Alleine 500 Brötchen wurden in der kleinen, provisorisch aufgebauten Küche geschmiert.
Das Ehrenamt hat gezeigt, wie wichtig es ist
Auch Innenstaatssekretär Sandro Kirchner ist am Mittwoch in Platz. Der CSU-Politiker aus Premich (Lkr. Bad Kissingen) hat es nicht weit und verschafft sich persönlich einen Eindruck der Lage. "Chapeau an die Einsatzkräfte, die dieses Feuer so schnell unter Kontrolle gebracht haben und die Ortschaft Platz gerettet haben", sagt Kirchner. "Es war wirklich professionell, was dort geleistet wurde. Hier sieht man, wie wertvoll das Ehrenamt ist."
Die Ermittlungen zur genauen Brandursache laufen. Am Donnerstag konnten die Brandfahnder erstmals den Brandentstehungsort betreten und sich ein Bild machen. Erste Ermittlungsergebnisse lassen nun darauf schließen, dass sich in einer Scheune eingelagerte Heuballen durch direkte Sonneneinstrahlung selbst entzündet haben, wie das Polizeipräsidium Unterfranken mitteilt. Ersten Schätzungen zufolge liege der Schaden im oberen sechsstelligen Bereich.
In Platz wird noch lange keine Ruhe einkehren. Während rund 40 Feuerwehrleute die ganze Nacht über weitere Glutnester löschten und Brandwache hielten, waren ab dem Mittwochabend bereits die ersten Bagger im Einsatz: Die abgebrannten Skelette der Gebäude fallen nun nach und nach zusammen wie Kartenhäuser. Einen Trost haben die Menschen in der Tragödie jedoch gefunden: Platz hält zusammen.
Dieser Artikel wurde im Laufe des Donnerstagnachmittags aktualisiert.
Ein großes Lob an die Feuerwehrler und die an deren Helfern.
Nach so einem Ereignis wird die Wichtigkeit wieder deutlich, wie auch schon in den Kommentaren geschrieben.
Ich hoffe nur, das die hoffentlich nun steigende Unterstützung der Wehren durch Gemeinde und vor allem durch neue Freiwillige, nicht so schnell wieder abnimmt, wie´s bei uns war.
Leute, lasst Euch ausbilden und geht zu einer Hilfsorganisation.
Auch ihr wünscht Euch Hilfe, wenn was passiert. Sei es Brand, oder Unfall.
Und jeder Mensch, der Helfer angreift, gehört wie in Australien, gnadenlos bestraft!
Und da mutet es in meinen Augen etwas befremdlich an, dass die Mainpost gleich am Tag danach darüber eine Fotostrecke von 74 Bildern veröffentlicht! Solche Fotostrecken passen aus meiner Sicht zum Bericht über ein Sportereignis oder die Spessartfestwoche.
In diesem Kontext wäre weniger mehr. Mehr auch an Respekt gegenüber den Betroffenen, denn ich kann mir nicht vorstellen dass jeder seine soeben verlorene Existenz in der Zeitung sehen will. Oder kommen als nächstes Fotostrecken bei Großunfällen?
Liebe Mainpost Mitarbeiter, statt einer Fotostrecke hätte man in der gleichen Zeit bestimmt auch ein Spendenkonto einrichten können etc.
Freundliche Grüße