Den Piepser hat er immer griffbereit. Beim Schlafen liegt er auf seinem Nachttisch. Denn für Stefan Dietz ist eines selbstverständlich: "Wenn etwas passiert, dann fährt man hin und unterstützt - egal, ob man Dienst ist oder nicht". Seit fast 30 Jahren ist Dietz beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) aktiv. Beim Axt-Attentat in Würzburg, dem ersten islamistischen Anschlag in Deutschland im Jahr 2016, hat er als Einsatzleiter die Rettungskräfte koordiniert. Bei der Messerattacke am Würzburger Barbarossaplatz in diesem Jahr hatte er keinen Dienst - aber war als Führungskraft im Einsatz. Jetzt hat der 43-Jährige für seine Leistung bei schweren Einsätzen als besondere Ehrung die DRK-Leistungsspange in Silber erhalten.
Was zeichnet den Mann aus, der selbst in der Nacht des 18. Juli 2016, als halb Würzburg unter Schock stand, die Ruhe bewahrte? Seine Kollegen sagen: "Für Stefan Dietz ist sein Beruf seine Berufung". Der Bereichsleiter Servicedienste und stellvertretender Kreisgeschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Würzburg ist "mit dem Roten Kreuz groß geworden". Als 15-Jähriger kam der Sommerhäuser zum Jugendrotkreuz nach Ochsenfurt. Als 19-Jähriger übernahm er die Leitung der zwölf Jugendgruppen in Stadt und Landkreis Würzburg. "Es war eine Gemeinschaft, in der man sich getroffen und Freunde gefunden hat", sagt Dietz.
Fast 20 Jahre lang war Dietz ehrenamtlich beim BRK tätig, auch während seiner Lehre als Koch und der zwölf Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Gerade bei seinen monatelangen Auslandseinsätzen - in Bosnien, im Kosovo, im Oman - sei ihm bewusst geworden: "Das BRK ist eine Gemeinschaft, die mich immer wieder aufgenommen hat. Sie hat mir Halt gegeben."
Heute ist er als Einsatzleiter meist derjenige, der anderen Halt gibt. Deshalb erhielt er nun die DRK-Leistungsspange in Silber. BRK-Präsident Theo Zellner zeigte sich bei der Verleihung erfüllt von "Stolz und Dankbarkeit, dass wir uns in den schwierigsten und dramatischsten Situationen auf Menschen wie Sie verlassen können". Dietz sei "ruhig, konzentriert, besonnen". Selbst als sich der Terroranschlag praktisch vor der eigenen Haustür ereignete.
Stefan Dietz selbst erinnert sich noch genau an die erste "Chaos-Phase" jener Nacht des 18. Juli 2016. Als man in der Innenstadt überall Blaulicht auf den Straßen sah, als das Telefonnetz so überlastet war, dass selbst die Leitstellen untereinander kaum kommunizieren konnten, als es anfangs nicht gelang, den Kontakt zur Polizeileitstelle herzustellen. Als man noch nicht wusste, wie viele Verletzte es gab. Als noch nicht sicher war, ob man mit mehreren Tätern rechnen musste und ob weitere Anschläge in anderen Stadtteilen verübt werden sollten. "Man hat solche Szenarien vorher nie geschult", sagt Dietz. Seine Rettungskräfte hatten keine schusssicheren Westen. "Ich musste mich mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass möglicherweise nicht alle meine Einsatzkräfte lebend heimkommen."
Er habe "nüchtern den Überblick behalten müssen", sagt Dietz. Deshalb koordinierte er den Einsatz, "von hinten" aus, etwa 300 Meter vom Tatort im Regionalzug entfernt. Er habe sich nicht von seinen Emotionen überwältigen lassen dürfen. "Alle Verletzten des Axt-Attentats haben überlebt. Kein Helfer wurde physisch verletzt. Das war verdammt viel Glück."
Während die meisten anderen Rettungskräfte mit der Schreckensnacht nach und nach abschließen konnten, mussten sich Stefan Dietz und einige andere damit weiter beschäftigen. Der Axt-Anschlag wurde wissenschaftlich untersucht und aufgearbeitet. "Für mich als Einsatzleiter war das fast schlimmer als der Einsatz selbst", sagt Dietz. Auch noch ein Jahr später musste er sich mit jeder Minute der Nacht gedanklich auseinandersetzen.
Als es am 25. Juni 2021 zur Messerattacke am Würzburger Barbarossaplatz kam, war es indes genau jener Aufbereitung zu verdanken, dass sich von den Rettungskräften niemand selbst in Lebensgefahr begeben musste. Denn mittlerweile sind bei Anschlägen und Amokläufen Rettungsleitstelle und Polizeileitstelle eng miteinander vernetzt. Und es gibt spezielle Einsatzpläne, Schulungen und Ausrüstung.