Würzburg zählt zu einer der wenigen Städte in Deutschland, in denen das studentische Verbindungswesen nicht nur auf eine lange Tradition zurückblickt, sondern auch heute noch Teil des Stadtbildes ist – fast 90 Prozent der 32 Verbindungen verfügen über ein eigenes Haus.
In den Medien wurde in letzter Zeit viel über die Burschenschaft Teutonia Prag in Würzburg berichtet – das wirft grundsätzliche Fragen auf: Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff ‚Burschenschaft‘? Gibt es auch Frauen in Burschenschaften? Seit wann gibt es Burschenschaften in Würzburg? Welche Studentenverbindungen existieren noch immer? Und: Gibt es mögliche Gefahren im Zusammenhang mit ihnen?
Was ist eine Burschenschaft?
Im Allgemeinen werden Studentenverbindungen oft unter dem Begriff ‚Burschenschaften‘ zusammengefasst. Jedoch gehören die Burschenschaften nur zu einer Kategorie innerhalb der vielfältigen studentischen Korporationen. Zu Studentenverbindungen zählen auch:
- Corps (traditionell geprägt, früher überwiegend dem Adel vorbehalten)
- Landsmannschaften (auf regionalen Zugehörigkeiten basierend, heute teils aber auch freier besetzt)
- Konfessionelle Verbindungen
- Turner-, Sänger- und Jägerbünde
Was sind die Unterschiede zwischen den Studentenverbindungen?
Die verschiedenen Arten von Studentenverbindungen unterscheiden sich in ihren historischen Wurzeln, Schwerpunkten und Organisationsstrukturen:
Burschenschaften sind traditionell politisch orientiert und spielten eine herausragende Rolle in der deutschen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts. Sie betonen oft den schlagenden Fechtkampf und tragen stolz ihre jeweiligen Farben. Die Mehrheit der Burschenschaften akzeptiert lediglich männliche Mitglieder, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Corps sind traditionell geprägt, politisch stets neutral und nehmen Mitglieder jeder Staatsangehörigkeit, sozialen oder ethnischen Herkunft sowie Religionszugehörigkeit auf. Während Landsmannschaften auf regionalen Zugehörigkeiten basieren, heute aber nicht immer zwingend Regionalität umsetzen, und Konfessionelle Verbindungen einen religiösen Schwerpunkt haben. Turner-, Sänger- und Jägerbünde konzentrieren sich auf sportliche, musikalische oder jagdliche Aktivitäten. Diese sind in der Regel weniger traditionalistisch und haben oft auch gemischt geschlechtliche Mitglieder.
Was zeichnet eine Burschenschaft aus?
Das Lebensbundprinzip
Das Leben in einer Verbindung ist geprägt von festgelegten Ritualen und Regeln, denen die Mitglieder Folge leisten müssen. Außerdem gilt bei den meisten Burschenschaften das Lebensbundprinzip: Einmal Mitglied einer Studentenverbindung zu werden, bedeutet oft eine lebenslange Bindung. Das heißt: Ehemalige Mitglieder, die bereits im Berufsleben stehen, leisten finanzielle Unterstützung für ihre Verbindung. Ein rückwärtsgewandter Generationenvertrag also.
Darüber hinaus sind Angehörige von Studentenverbindungen überdurchschnittlich häufig in Führungspositionen in der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Verwaltung zu finden. Häufig bieten sie ihren Brüdern auch berufliche Unterstützung.
Die Mitgliedsstruktur von Burschenschaften
Burschenschaften zeichnen sich durch eine dreistufige Mitgliedschaftsstruktur aus: Neumitglieder, aktive Burschen und Altmitglieder. Neumitglieder werden auch „Füchse“ bzw. „Füxe“ genannt. Wer Teil einer Burschenschaft werden möchte, durchläuft zunächst eine festgelegte Zeit als Fux und muss sich in dieser Phase bewähren – in der Regel ein bis drei Semester. In dieser Zeit eignen sich die Neumitglieder auf Probe Wissen über die Geschichte und Gepflogenheiten der Verbindung an.
Ist die Probezeit bestanden, folgt in einer feierlichen Zeremonie die Ernennung zum Burschen. Der Fuchs wird also während seines Studiums zum Teil der „Aktivitas“ seiner Verbindung. Die berufstätigen Altmitglieder werden auch „Alte Herren“ oder „Philister“ genannt.
Die äußerlichen Unterscheidungsmerkmale
Studentenverbindungen lassen sich anhand folgender äußerlicher Merkmale unterscheiden: „farbentragend“, „nicht farbentragend“ und „farbenführend“ sowie „schlagend“ (in unterschiedlichen Ausprägungen wie judoka-schlagend oder fakultativ-schlagend), „freischlagend“ und „nichtschlagend“. Burschenschaften sind dabei grundsätzlich schlagend – mit Ausnahme von einigen christlichen Burschenschaften – und farbentragend.
Mitglieder farbentragender Studentenverbindungen erkennt man meist an einem dreifarbigen Band und einer Kappe. Die nicht farbentragenden lehnen dies ab und werden auch als „schwarze“ Verbindungen betitelt. Dennoch tragen sie bei feierlichen Anlässen den sogenannten „Wichs“, die traditionelle studentische Festtracht. In farbenführenden Burschenschaften gibt es eine Fahne, ein Band wird dabei aber nicht getragen.
Die Begriffe „schlagend“ und „nichtschlagend“ beziehen sich auf den studentischen Zweikampf – eine jahrhundertealte Tradition. Bei der Bestimmungsmensur handelt es sich um eine vereinbarte Form des Fechtkampfs, welcher oft Verletzungen im Gesicht oder am Kopf zur Folge hat. In der ersten Mesur gibt es diese Verletzungen häufiger am Hinterkopf, damit sie nicht auffällig zu sehen sind, berichtet ein langjähriges Mitglied einer Burschenschaft dieser Redaktion. Diese Verletzungen werden auch als „Schmisse“ bezeichnet und oft als eine Art Ehrenzeichen betrachtet. Befürworter von Burschenschaften sehen die Kämpfe als Mittel zur Charakterbildung der Mitglieder. Freischlagende Verbindungen führen ebenfalls schlagende Mensuren durch, haben aber oft eine liberalere Herangehensweise an die Kämpfe.
Gibt es auch „weibliche Burschenschaften“?
Traditionell sind Burschenschaften ausschließlich für männliche Mitglieder ausgelegt – es existieren also keine „weiblichen Burschenschaften“. Historisch bedingt haben Burschenschaften eine männerdominierte Struktur: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts durften nur Männer an deutschen Hochschulen studieren und der Begriff „Bursche“ wurde allgemein für alle Studenten verwendet. Daher waren zu dieser Zeit alle Mitglieder von Burschenschaften männlich. Allerdings gibt es in
Deutschland seit dem 20. Jahrhundert – nachdem Frauen das Studieren erlaubt wurde – andere Arten von Studentenverbindungen, die auch für Frauen zugänglich sind. Meist werden diese Verbindungen als „Damenverbindungen“ bezeichnet. Auch sie haben ihre eigenen Traditionen und Schwerpunkte, die jedoch von den männlichen Burschenschaften abweichen können. Sie können ähnlich wie bei den männlichen Verbindungen politische, soziale, schulische oder andere Interessen verfolgen.
Seit wann gibt es Burschenschaften?
Die Geschichte der Burschenschaften reicht bis ins 11. Jahrhundert zurück, als europäische Universitäten entstanden. Im 19. Jahrhundert entstanden die ersten Corps und die Urburschenschaft in Jena, die demokratische und nationalistische Ideale vertrat. Nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819 wurden deutsche Verbindungen verboten, aber viele arbeiteten im Untergrund weiter. Von der Gründung des Deutschen Reichs bis zum Ersten Weltkrieg erlebten die Verbindungen ihre Blütezeit.
In der Weimarer Republik bis 1933 distanzierten sich die meisten Burschenschaften vom Staat, wurden konservativer und öffneten sich den Nationalsozialisten. Als Student einer solchen Verbindung anzugehören, war damals der Normalfall. Während des Dritten Reichs wurden die Burschenschaften aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden jedoch viele Verbindungen wiedergegründet und öffneten sich ab den 1970er-Jahren für Frauen und andere Religionen. Heute geht man laut Schätzungen davon aus, dass ca. zwei bis drei Prozent aller Studenten und Studentinnen einer Verbindung angehören.
Die Geschichte der Burschenschaften in Würzburg
Auch in Würzburg besteht das Verbindungswesen schon seit dem 19. Jahrhundert. Eine der ältesten noch existierenden Korporationen Deutschlands ist das 1805 in Würzburg gegründete Corps Franconia. Die Burschenschaft Germania mit ihrem Haus auf dem Nikolausberg, eine der bekanntesten Burschenschaften Würzburgs, wurde 1818 gegründet. Die Würzburger Burschenschaften haben sich über die Zeit hinweg recht stabil entwickelt, abgesehen von einer Unterbrechung während der Zeit des Nationalsozialismus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch hier die alten Verbindungen größtenteils wieder aktiviert. Nur wenige neue wurden hinzugefügt – hauptsächlich solche, die aufgrund von Vertreibungen aus der damaligen Tschechoslowakei entstanden sind. In den 1950er und 1960er Jahren erlebten die Verbindungen in Würzburg eine Art Wiederbelebung, auch weil die Stadt und die Universität sie unterstützten.
Wie viele Burschenschaften existieren in Deutschland?
In Deutschland gibt es über 1.000 aktive Studentenverbindungen, wobei nur etwa ein Viertel davon Burschenschaften sind. Besonders in traditionsreichen Universitätsstädten, wie beispielsweise Heidelberg, Tübingen, Marburg, Erlangen oder Freiburg findet man recht viele der meist sehr ansehnlichen Verbindungshäuser. Ähnlich sieht es in Würzburg aus: Hier gibt es aktuell 33 verschiedene Verbindungen.
Welche Studentenverbindungen gibt es in Würzburg?
Lediglich drei der 33 Studentenverbindungen in Würzburg sind weiblich, die übrigen ausschließlich männlich.
An drei Standorten findet man mehr als die Hälfte der 33 Würzburger Verbindungen: in der Mergentheimer Straße unterhalb des Käppele, im Frauenland in der Rottendorfer Straße und im Kreuzungsbereich von Keesburgstraße, Edelstraße und Schillingstraße.
Die Würzburger Studentenverbindungen lassen sich in 13 pflichtschlagende, zwei freischlagende und 18 nichtschlagende unterteilen:
Pflichtschlagend:
- Burschenschaft Adelphia (gegründet 1867)
- Landsmannschaft Alemannia Makaria CC (gegründet 1863)
- Burschenschaft Arminia (gegründet 1848)
- Turnerschaft Asciburgia CC (gegründet 1851)
- Corps Bavaria KSCV (gegründet 1815)
- Corps Franconia KSCV (gegründet 1805)
- Burschenschaft Germania (gegründet 1818)
- Corps Makaria-Guestphalia (gegründet 1863)
- Corps Moenania KSCV (gegründet 1814)
- Corps Nassovia KSCV (gegründet 1836)
- Corps Rhenania KSCV (gegründet 1842)
- Landsmannschaft Teutonia CC (gegründet 1865)
- Prager Burschenschaft Teutonia DB (gegründet 1867)
Freischlagend:
- Universitäts-Sängerschaft Barden (gegründet 1869)
- BdSt Saxo-Borussia (gegründet 1917)
- Akademische Jägerschaft St. Eustachius WJSC (gegründet 1968)
Nichtschlagend:
- Akademisch-musikalische Verbindung SV (gegründet 1872)
- AMDV Danaria (gegründet 2019)
- Akademische Turnerverbindung Alsatia ATB (gegründet 1880)
- AV Athenia SB (gegründet 1994)
- Wingolfsverbindung Chattia WB (gegründet 1931)
- KDStV (Katholische Studentenverbindung) Cheruscia CV (gegründet 1893)
- KDStV Franco-Raetia CV (gegründet 1905)
- KDStV Gothia CV (gegründet 1895)
- Burschenschaft Mainfranken SB (Höchberg) (gegründet 1920)
- KDStV Markomannia CV (gegründet 1871)
- KStV Normannia KV (gegründet 1876)
- KStV Rheno-Frankonia KV (gegründet 1892)
- ADV Salia (gegründet 1994)
- KDStV Thuringia CV (gegründet 1902)
- WKStV Unitas Hetania UV (gegründet 1875)
- VDSt Würzburg-Jena VVDSt (gegründet 1919)
- KStV Walhalla KV (gegründet 1864)
Verbindungspartys in Würzburg
Selbst viele Nicht-Mitglieder kommen ab und an mit den Würzburger Studentenverbindungen in Berührung, denn einige legendäre Partys finden in den Würzburger Verbindungshäusern statt – sei es die jährliche Germanenfete kurz nach Semesterbeginn mit grandioser Aussicht oder die Collegeparty der AMV! (Akademisch-Musikalische Verbindung), eine der größten Hauspartys Würzburgs. Auch ohne Mitgliedschaft sind hier gute Stimmung und feucht-fröhliche Abende garantiert.
Sind Burschenschaften gefährlich?
Besonders die Würzburger Burschenschaft Teutonia Prag war zuletzt Gegenstand der Berichterstattung: Gegen den Würzburger AfD-Politiker Daniel Halemba, seit 2021 Mitglied der Burschenschaft, und drei anderen Mitgliedern wurde belastendes Material gefunden. Deshalb wird gegen ihn wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.
In den Verfassungsschutzberichten der deutschen Bundesländer werden immer wieder einzelne Burschenschaften aufgrund ihrer Verbindungen zu Rechtsextremisten erwähnt. Einige bekannte Burschenschaftler waren oder sind Mitglieder in rechtsextremen Organisationen.
Traditionell sind Burschenschaften im Nachkriegsdeutschland jedoch kaum in der Politik vertreten. Ganz anders sieht es dagegen im Nachbarland Österreich aus: Dort werden viele Nachwuchspolitiker der deutschnationalen, rechtspopulistischen FPÖ (seit vielen Jahren drittstärkste Partei in Österreich) direkt aus zum Teil rechtsradikalen Burschenschaften rekrutiert. In Deutschland könnte es mit der AfD eine ähnliche Entwicklung nehmen. Dies zeigt sich gerade am Würzburger Daniel Halemba – mit nur 22 Jahren jüngster Abgeordneter in der Geschichte des Bayerischen Landtags.
Fall Halemba: Neonazi-Aufkleber bei "Teutonia Prag"
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba. Er ist Teil der Burschenschaft "Teutonia Prag", bei der es kürzlich eine Razzia gab. Aufkleber aus dem Anwesen legen eine rechtsextreme Gesinnung der Mitglieder nahe.
Es kann sich sicher jeder selbst seine Gedanken machen und Meinung zu den "Burschenschaften" machen
Menschen, die Gleichberechtigung ablehnen, sich im ritualisierten Vollsuff gegenseitig mit Säbeln die Köpfe einschlagen, einer elitären gestrigen Weltsicht frönen und die präparierte Lunten irgendwelcher Tiere an die Kappen pinnen, denen begegne ich zumindest mit einem gesunden Argwohn.
Und ob Gesinnungen und Traditionen des 19. Jahrhunderts tatsächlich dazu beitragen, in unserer aktuellen Weltsituation nachhaltige Lösungsansätze zu entwickeln, das halte ich für eher unwahrscheinlich.
Die Anzahl der Likes macht es deswegen nicht attraktiver.
Das gemeine Landvolk versteht es dennoch nicht, kommt da niemals rein und wählt dennoch…AFD.
Was kürzlich bewiesen wurde…