Vor einem Monat stand die Polizei in Würzburg vor Osaivbie Ekogiawes Tür. Bayerische Behörden wollten den 20-Jährigen, den alle Kelvin nennen, abschieben. Sein Fall machte bundesweit Schlagzeilen - auch weil sich der SV Heidingsfeld, Kelvins Fußballverein, für den Mannschaftskollegen stark gemacht hatte.
Das Würzburger Verwaltungsgericht setzte die Abschiebung des Nigerianers aus, doch die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) für Unterfranken legte dagegen Beschwerde ein. Jetzt muss der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München das Würzburger Urteil überprüfen. Bestätigt der VGH die Entscheidung, muss die Zentrale Ausländerbehörde Ekogiawes Antrag auf Aufenthaltserlaubnis bearbeiten. Kippt er das Urteil, erlischt der aktuelle Status als Geduldeter. Dem 20-Jährigen droht erneut die Abschiebung.
In Würzburg seinen Schulabschluss gemacht
Wie geht es Osaivbie Ekogiawe? Der Nigerianer lebt seit vier Jahren in Würzburg, hat dort die Mittelschule abgeschlossen, im September eine schulische Ausbildung in der Pflege begonnen und ist seit drei Jahren mit Elisa Goldberg zusammen. Die 19-Jährige kommt aus Karlstadt (Lkr. Main-Spessart) und studiert in Würzburg.
Im Interview sprechen Osaivbie Ekogiawe und Elisa Goldberg darüber, wie sie die vergangenen Wochen erlebt haben, welcher Weg Kelvin nach Deutschland führte – und über den Glauben an Gott.
Osaivbie Ekogiawe: Es geht mir nicht gut. Ich denke sehr viel über die ganze Sache nach. Ich hoffe, dass alles schnell vorbei ist und ich meine Zukunft planen kann.
Ekogiawe: Es war sehr anstrengend. Ich wollte an dem Dienstag zum Training gehen, fühlte mich aber nicht gut und habe mich hingelegt. Ich habe gerade mit Elisa telefoniert, als es an meiner Zimmertür geklopft hat. Fünf Polizisten sind ins Zimmer gekommen. Sie sagten, dass ich meine Sachen packen und mitkommen müsse. Ich war geschockt. Ich wusste nicht, was los ist. Was soll ich einpacken? Ich habe nur eine Tasche. Ich habe eine Jeans, ein T-Shirt und meine Bibel genommen. Ein Polizist hat zu mir gesagt: "Nur das? Du kommst aber nicht wieder."
Ekogiawe: Ich habe gehofft, dass ich wiederkomme. Ich kann doch nicht einfach gehen. Sie haben mir Handschellen angelegt, ich bin mitgegangen. Ein anderer Polizist hat gesagt: "Du bist einfach, trittst nicht, bist nicht aggressiv." Warum soll ich aggressiv sein? Ich bin kein schlechter Mensch, ich mache nichts Falsches, also habe ich keine Angst. Wir sind zur Polizeistation gefahren, von dort habe ich wieder Elisa angerufen. Sie hat gesagt: "Mach dir keine Sorgen, ich rufe die Anwältin an, bleib ruhig." Ich musste in einem kleinen Raum schlafen, es war kalt, ich habe keine Decke gehabt. Ich konnte dort nicht schlafen, ich habe geweint.
Ekogiawe: Vor dem Gericht waren viele Menschen, die demonstrierten. Ich konnte es nicht glauben, dass sie das für mich machen. Im Gericht habe ich meine Anwältin getroffen. Sie hat mit dem Richter gesprochen. Danach bekam ich die Handschellen abgenommen und konnte zu meiner Freundin nach draußen gehen. In diesem Moment war ich glücklich.
Ekogiawe: Ich hatte an dem Tag eine Schulaufgabe. Ich konnte sie nicht schreiben, ich habe mich sehr schlecht gefühlt, hatte keine Kraft mehr. Ich habe geweint, ich wusste nicht, was ich machen soll. Meine Freundin war bei mir. Sie hat immer gesagt: Wir schaffen das.
Elisa Goldberg: Wir hatten während der Woche "Bundestag live" geschaut, wo über das Chancen-Aufenthaltsgesetz gesprochen wurde. Ich habe mir die Namen von mehreren Politikern aufgeschrieben und angefangen, ihnen E-Mails zu schreiben. Drei haben tatsächlich geantwortet. Das hat mir neue Hoffnung gegeben.
Ekogiawe: Ich bin einfach sprachlos. Ich habe das nicht erwartet. Der SV Heidingsfeld ist für mich nicht nur eine Fußballmannschaft, sondern wie eine Familie. Alle kümmern sich um dich, sie sind für dich da, interessieren sich für dich, wollen helfen. Ich fühle mich dort zu Hause.
Ekogiawe: In Nigeria habe ich in einem Dorf bei Benin City gelebt, bei meiner Tante. Meine Eltern sind gestorben. Julius ...
Ekogiawe: Genau. Julius und ich haben in Lagos im Finale der "Copa Coca-Cola" gespielt. Mit Benin City gegen Abuja. Wir haben verloren. Aber ein Talentscout hat uns gesagt, wir seien gut, und er könne uns helfen, in Europa zu spielen. Mit ihm sind wir nach Norrköping in Schweden geflogen, wo wir vorspielen sollten. Wir waren aber zu spät, sie hatten andere genommen.
Ekogiawe: Wir wollten nicht zurück. Nigeria ist ein großes Land, aber nur für die Reichen. Die schicken ihre Kinder auf Schulen in Europa. Aber wenn du in Nigeria arm bist, hast du gar nichts: keine Schule, kaum Essen. Mein Onkel ist im November vor einem Jahr erschossen worden. Sein Haus ist abgebrannt, weil andere das Land wollten. Julius und ich sind dann von Schweden mit dem Zug nach Frankfurt gefahren. Dort haben wir für einen Monat in einem Camp gewohnt, bis wir nach Würzburg geschickt wurden.
Ekogiawe: Ich wollte das auch machen, über Libyen nach Europa. Meine Tante hat gesagt, dass es sehr, sehr gefährlich sei. Es gibt Menschen, die schaffen es, andere nicht. Ich habe nur gedacht, vielleicht kann ich es schaffen. Ich habe Wasser auf der Straße verkauft, aber das Geld hat nicht gereicht. Julius und ich wollten warten, dann haben wir den Talentscout getroffen. Das war Glück.
Ekogiawe: Würzburg war für uns eine sehr kleine Stadt. Wir wollten wieder weg. Aber ich habe zu Julius gesagt: Lass uns bleiben und es versuchen, in Würzburg ist es gut und ruhig. Als Erstes haben wir einen Deutschkurs gemacht und sind dann drei Jahre lang zur Schule gegangen. An der Klara-Oppenheimer-Schule haben wir unseren Abschluss gemacht. Im September habe ich die Ausbildung zum Sozialpfleger angefangen. Ich will Menschen helfen. Uns haben auch viele geholfen. Im Januar mache ich ein Praktikum im Seniorenheim, einen Platz suche ich noch.
Ekogiawe: Ich habe ein Jahr in Oberdürrbach gewohnt, dann in einer Jugendunterkunft im Steinbachtal. Mit 18 musst du dort ausziehen. Wenn du einen Aufenthaltstitel hast, kannst du in eine betreute Wohnung gehen oder eine Wohnung suchen. Wenn nicht, kommst du in die Unterkunft in der Veitshöchheimer Straße oder an der Reuterstraße, wo ich jetzt wohne. Ich habe dort ein Zimmer.
Goldberg: Ich kann Kelvin zu bestimmten Zeiten besuchen, muss mich am Eingang ausweisen. Es gibt Gemeinschaftsbäder und Gemeinschaftsküchen. Es ist dort schwierig, etwas zu zweit zu machen.
Goldberg: Wir müssen abwarten. Wir stehen weiterhin im Kontakt mit der Anwältin, versuchen, ständig erreichbar zu sein. Ich habe mein Handy immer an, auch nachts, dass ich sofort mitbekomme, wenn etwas passiert. Wenn ich das Telefon mal beim Sport für eine Stunde ausschalte, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich was verpassen könnte. Mehr können wir gerade nicht tun. Ich hoffe auf die Politiker, die sich für Kelvin einsetzen. Gleichzeitig wissen wir nicht, wann und wie das Gericht in München entscheidet. Dadurch kommen wir nicht zur Ruhe.
Ekogiawe: Ich verstehe nicht, wieso sie das machen. Ich versuche, alles richtig zu machen. Ich fühle mich in Deutschland zu Hause, ich gehe zur Schule, will arbeiten.
Ekogiawe: Wenn ich durch Würzburg laufe, merke ich, dass mich die Menschen erkennen: Das ist der Kelvin. Wenn ich beim Fußball mein blaues Stirnband trage, erkennen mich die anderen Spieler. Die Menschen reden über mich. Das ist alles so unglaublich. In der Schule unterstützen mich die Lehrer. Im Supermarkt hat mich ein Mann angesprochen, ob ich der aus der Zeitung bin. Er hat gesagt, dass er die Daumen drückt, dass ich bleiben kann.
Ekogiawe: Ich bin Christ und bin in Nigeria in die Kirche gegangen. Ich glaube an Gott. Osaivbie bedeutet: Gott schläft nicht, er passt auf. Wenn ich in einer schwierigen Situation bin, ist Gott bei mir und hilft mir. Ich habe die Bibel immer bei mir. Elisa hat sie mir gegeben, weil ich hier keine hatte. Ich trage auch ein Kommunionkreuz, das ich von ihr bekommen habe.
Goldberg: Ich habe versprochen, wenn Kelvin seinen Aufenthaltstitel hat, fahren wir zusammen nach Paris. Ich liebe Frankreich. Wir konnten noch nie zusammen irgendwohin fahren. Kelvin möchte dann auch unbedingt umziehen und den Führerschein machen.
Ekogiawe: Ich möchte Freiheit und in Ruhe leben können, hier eine Zukunft haben. Das wünsche ich mir.
Doch statt den Antrag zu bearbeiten hat die Behörde so lange abgwartet, bis eine erneute Prüfung der Duldung anstand. Der vorgelegte Pass- einer der Punkte unter 25a- ist gleichzeitig ein Wegfallgrund für die Duldung.
Sich hier darauf zu berufen, die Behörde könne nicht anders handeln und führe nur aus was der Geseztgeber vorgibt ist falsch. Es hätte absolut im Ermessensspielraum gelegen, den Antrag positiv zu bescheiden.
So ein Unfug.
Wenn jemand sich mit einem Mangelberuf einbringt oder einen entsprechenden Beruf lernt sollte dieser Mensch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bekommen. Egal wie er den Weg nach Deutschland gefunden hat.
Wenn jemand über die Schiene Asyl hierher kommt, es aber keinen Asylgrund gibt, dann ist er illegal hier und muss abgeschoben werden.
Ich wünsche Ihnen das Gleiche, was der Mitforist antier08.... den ausführenden Beamten in den Ausländerbehörden gewünscht hat.
Unser Boot ist nicht voll, sondern braucht dringend Ruderer, den viele, die drin sitzen können oder wollen nicht mehr rudern, sondern sind nur noch tapfere Paragraphen Reiter.
Warum gibt man den Menschen nicht so schnell eine Arbeitserlaubnis wie sie ein Steueridentnummer bekommen?
Wer erstmal jahrelang zum Nichtstun und Bezug von Leistungen verdonnert ist lernt es schwerer wieder für sich selbst zu sorgen, als wenn er es von Anfang an kann.
Wir brauchen doch in vielen Berufen dringend Nachwuchs. Wer sich hier einbringen will sollte eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung erhalten.