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Würzburg
Nach 19 Jahren im Würzburger Gefängnis: JVA-Leiter Robert Hutter geht in den Ruhestand
Als JVA-Chef hat Robert Hutter viel Zeit im Knast verbracht. Dort hat er einiges erlebt: Hungerstreik und Erfolge - und einen Kollegen, der bundesweit Schlagzeilen machte.
Robert Hutter war 19 Jahre lang Leiter der Justizvollzugsanstalt Würzburg.
Foto: Thomas Obermeier | Robert Hutter war 19 Jahre lang Leiter der Justizvollzugsanstalt Würzburg.
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:51 Uhr

Robert Hutter hat die Justizvollzugsanstalt Würzburg 19 Jahre lang geleitet. 28 Jahre seines Berufslebens hat er insgesamt hinter Gefängnismauern verbracht. Jetzt geht Hutter in den Ruhestand. Kurz bevor der Direktor seine Anstaltsschlüssel endgültig abgibt, haben wir ihn im Gefängnis besucht.

Kameras. Eingangsschleuse. Ausweiskontrolle. Objektkontrolle: Das Handy darf nicht mit in den Knast. Auch den Autoschlüssel, den Geldbeutel und sonstige persönliche Sachen müssen Besucher im Spind verstauen, bevor ihnen ein Justizbeamter die Tür zum Verwaltungs- und Besuchertrakt öffnet. Direkt hinter der Tür links liegt ein gesicherter Raum, in dem die Justizbeamten bei Schichtbeginn ihre privaten Schlüssel einschließen und die Gefängnisschlüssel abholen. Zusätzlich greifen sich die Beamten ein Sprechfunkgerät. "Für Notfälle. Sicher ist sicher!", sagt der Gefängnisdirektor.

Wieso geht ein Mensch freiwillig ins Gefängnis?

Genau diesen Weg, an den Überwachungskameras vorbei, durch die Schleuse, zum Schlüsselraum und dann die Treppe hoch, hat Hutter fast zwei Jahrzehnte lang an jedem Arbeitstag genommen. Sein Direktorenbüro ist licht und bietet einen hübschen Ausblick auf den stillen, schilfbestandenen Feuerlöschteich. Trotzdem: Gefängnis bleibt Gefängnis. Wieso tut man sich das ein ganzes Berufsleben lang an?

Kameras. Eingangsschleuse. Objektkontrolle. Ausweiskontrolle: Wer die Justizvollzugsanstalt Würzburg besucht, muss einige Kontrollen hinter sich bringen.
Foto: Thomas Obermeier | Kameras. Eingangsschleuse. Objektkontrolle. Ausweiskontrolle: Wer die Justizvollzugsanstalt Würzburg besucht, muss einige Kontrollen hinter sich bringen.

"Ich wollte immer Polizist werden", sagt Hutter. Das ist er auch geworden, direkt nach seinem Realschulabschluss. "Fünf Jahre lang war ich dabei. Aber Polizeiarbeit ist immer Schichtarbeit. Und wiederholt sich oft."

Hutter holt das Abi nach, studiert Jura. Als Rechtsreferendar verbringt er einen Teil seiner Ausbildung in der JVA Landsberg. Das ist der Moment, als er merkt, dass die Arbeit im Justizvollzug zu ihm passt. "Das Umfeld einer Anstalt kannte ich ja schon aus der Polizeiarbeit", erzählt er. Mit Menschen, gerade auch in Konfliktsituationen, gerade in Ausnahmesituationen, kann er umgehen. Auch das hat er "auf der Straße", beim Streife fahren, gelernt. Das ist es, was ihn an der Arbeit in der Gefängnisverwaltung interessiert: "Dass man mit Menschen zu tun hat. Kriminelle sind auch Menschen. Genau wie du und ich."

In der Würzburger JVA geht es auch um die Vorbereitung auf ein besseres Leben draußen

Erst die JVA Aichach, dann Straubing, dann Würzburg: Von Gefängnis zu Gefängnis steigt Hutter in der Leitungshierarchie auf, übernimmt schließlich 2003 die Leitung der JVA Würzburg, die ausgelegt ist für rund 600 Gefangene mit kurzen und mittellangen Haftstrafen.

Anders als etwa im Hochsicherheitsgefängnis Straubing, wo fast nur Lebenslängliche einsitzen und es für die Leiter darum geht, den Verurteilten lebenslange "Perspektiven" innerhalb des Knasts zu bieten, geht es in der JVA Würzburg vor allem um die Vorbereitung auf ein besseres und möglichst straffreies Leben draußen.

In der JVA Würzburg werden den Gefangenen viele Bildungsmöglichkeiten geboten. Insassen können etwa ihren Quali nachholen oder die Mittlere Reife machen.
Foto: Thomas Obermeier | In der JVA Würzburg werden den Gefangenen viele Bildungsmöglichkeiten geboten. Insassen können etwa ihren Quali nachholen oder die Mittlere Reife machen.

Wie das funktioniert? "Wir versuchen, den Leuten etwas beizubringen, das sie draußen nutzen können", sagt Hutter. Einerseits durch Behandlungsgruppen, die sich gezielt an sexuelle Gewalttäter oder an Drogensüchtige richten. Andererseits über die Möglichkeit, Schulabschlüsse nachzuholen: Da ist gerade in der JVA Würzburg vom Mittelschulabschluss bis zum Fernstudium viel möglich.

Ein unvergessenes Erlebnis: Die Freude einer Gefangenen, die den Schulabschluss schaffte

Gefragt, welches positive Ereignis ihm in seiner langen JVA-Karriere besonders gut im Gedächtnis geblieben ist, erwähnt Hutter als allererstes die Freude auf dem Gesicht einer 50-jährigen Gefangenen nach bestandenem Schulabschluss. "Endlich hab' ich mal was durchgezogen, endlich hab' ich mal was ganz allein geschafft", habe die Frau gerufen. "Sie war so stolz auf sich, hatte Selbstbewusstsein. Das war schön zu sehen", erzählt Hutter.

Zwölf weibliche Gefangene der JVA Würzburg strickten im Jahr 2011 Teile für einen 1,6 Kilometer langen Schal. Er sollte einmal um die Gefängnismauern reichen. Die etwa 1000 Einzelteile des Riesenschals wurden später an Obdachlosenheime gespendet.
Foto: Daniel Karmann, dpa | Zwölf weibliche Gefangene der JVA Würzburg strickten im Jahr 2011 Teile für einen 1,6 Kilometer langen Schal. Er sollte einmal um die Gefängnismauern reichen.

Der Gefängnischef selbst ist zufrieden, dass während seiner Amtszeit mehrere neue Ausbildungsgänge oder Ausbildungsmodule für die Insassen der JVA gestartet sind: Zuletzt der Ausbildungsgang Textilreinigung. Er passe, weil kurz, in Würzburg gerade für die weiblichen Gefangenen, die in der JVA am Friedrich-Bergius-Ring nur Haftstrafen bis maximal zwei Jahre verbüßen können. "Wir bieten viele Bildungsmöglichkeiten, aber ob die Leute das nutzen, hängt natürlich von ihnen selbst ab", sagt Hutter.

Drogen und psychische Probleme: Nicht alle Gefangenen können acht Stunden arbeiten

Der Tagesablauf in der Würzburger JVA ist strikt: Wecken um 6 Uhr, "Einrücken zur Arbeit" um 6.45 Uhr. Ob in der Wäscherei oder in der Verpackung, in der Kfz-Technik oder der Schlosserei: die Knast-Arbeitszeit beginnt um 6.45 Uhr und endet, Mittagspause eingerechnet, gegen 15 Uhr.

"Nicht alle schaffen das, rund acht Stunden Arbeit am Tag durchzuhalten", sagt Hutter. Der Anteil an Gefangenen, die wegen einer Drogen- und Suchtproblematik oder wegen psychischer Auffälligkeiten nicht in der Lage ist, normale Arbeitsprozesse durchzustehen, ist während der vergangenen Jahre deutlich gestiegen – eine Entwicklung, die Hutter als besonders besorgniserregend einstuft. "Leute mit solchen Problematiken reagieren anders, reagieren aggressiver, unberechenbarer", sagt Hutter. "Und die Vollzugsbeamten müssen entsprechend vorsichtiger sein."

In den vergangenen paar Jahren hat ein Gefangener in der Würzburger JVA Feuer gelegt, dadurch mehrere Menschen verletzt und einen Großeinsatz ausgelöst. Ein weiterer Gefangener biss einen Beamten und fügte ihm schwere Kopfverletzungen zu – wegen Unklarheiten über einen Einkaufsberechtigungsschein.

Handys ins Gefängnis geschmuggelt: Dieser Fall eines JVA-Beamten machte Schlagzeilen

Das sind Vorfälle, die auch Hutter als Leiter der JVA stark mitgenommen haben. 2016 sorgte im Knast ein Hungerstreik vieler Gefangener für Aufregung. Die Gefangenen hatten flächendeckende Substitution für Drogenabhängige, Telefone auf den Stationen oder vorzeitige Entlassung trotz Drogenkonsums in der Haft gefordert. Diese Forderungen wurden nicht erfüllt.

Auch Personalnot war oft ein Problem. Und dann die Corona-Zeit, in der bis zu 45 Gefangene gleichzeitig erkrankten.

2016 sorgte in der JVA Würzburg ein Hungerstreik vieler Gefangener für Aufregung.
Foto: Theresa Müller (Archiv) | 2016 sorgte in der JVA Würzburg ein Hungerstreik vieler Gefangener für Aufregung.

Was hat Hutter, bei allen Schwierigkeiten, die eine Anstaltsleitung so mit sich bringt, in seiner Zeit in der JVA Würzburg am meisten belastet hat? "Das war natürlich der Kollege…", sagt Hutter nach einigem Zögern. Der Fall des Würzburger JVA-Beamten, der Handys ins Gefängnis geschmuggelt und gegen Geld an Insassen weitergegeben hat und der 2019 deshalb wegen Bestechlichkeit in elf Fällen zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht.

Vergangenheit, vorbei: Ab Mai, im Alter von 65 Jahren, kehrt Hutter der JVA Würzburg mit ihren rund 270 Mitarbeitern und den aktuell rund 500 Insassen aus 68 Nationen den Rücken. Im Ruhestand will er weiter ehrenamtlich soziale Arbeit machen; dann aber außerhalb der JVA: "Zeit für etwas Neues", sagt er.

 
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