Matthias Schranner, Rektor der Gustav-Walle-Schule, durfte das Gefängnis am Friedrich-Bergius-Ring bereits nach einer Stunde wieder verlassen. Davon können andere nur träumen. Der Schulleiter hatte Quali-Zeugnisse an Gefangene verteilt, deren Schulzeit lange zurückliegt und deren Leistungen von damals oft nicht nicht die Besten waren.
Strafgefangene im Alter von 25 bis 46 Jahren hatten sich seit September 2019 auf den qualifizierenden Mittelschulabschluss vorbereitet: Von 13 Prüfungsteilnehmern haben zwölf bestanden, sieben von ihnen hatten beim Notendurchschnitt eine "1" vor dem Komma.
Lehrer durften nicht in die JVA
Auch die Prüfungsvorbereitungen im Gefängnis waren von Corona überschattet. Lehrer durften vorübergehend nicht zum Unterricht in die Justizvollzugsanstalt kommen und "homeschooling" im Gefängnis gestaltet sich noch einmal anders, zum Beispiel ohne Laptop.
JVA- Lehrerin Viktoria Büchner hat vor Unterrichtsbeginn um 7.45 Uhr Arbeitsmaterial von Zelle zu Zelle verteilt, die Arbeiten vom Vortag mitgenommen und geholfen, wenn in einem Unterrichtsfach Ratlosigkeit herrschte. Unter diesen Bedingungen den Quali anzugehen war, so JVA-Chef Robert Hutter, eine besondere Herausforderung. Aber: die Beteiligten haben sich angestrengt – und durchgehalten. Rektor Schranner stellte bei der Zeugnisübergabe anerkennend klar, dass es keinen "Corona-Rabatt" für die Prüfung gab, für die seit Jahren die Gustav-Walle-Schule zuständig ist.
Plötzlich Erfolgserlebnisse
Bei Kaffee und Kuchen für Erfolgserlebnisse gelobt zu werden, war für die meisten Gefangenen ein neues Erlebnis und man sah ihnen an, dass es ihnen gut tat. Sie haben auch allen Grund, so JVA-Lehrerin Büchner, auf sich stolz zu sein und sollten sich nach ihrer Entlassung, mit dem Quali im Gepäck, den Schwung erhalten, so weiter und einiges anders zu machen, damit sich weitere Erfolgserlebnisse anschließen.
Ausführlich beschrieben wurde bei der Feier auch das Verhalten einer Gefangenen, deren Strafverbüßung während der Abschlussvorbereitung endete. Hier bestünde immer die Gefahr, dass gute Vorsätze nach der Entlassung auch schnell wieder vergessen wären. Doch die ehemalige Insassin hatte mit der Gustav-Walle-Schule Kontakt aufgenommen und dort dann mit sehr viel jüngeren Mitschülern die Prüfung abgelegt. Als sie im Telefonat mit dem Schulsekretariat erfuhr, dass sie bestanden hatte, freute sie sich so laut, dass es Schranner auch ohne Telefon in seinem Büro nebenan hören konnte, erzählte dieser die Anekdote.
Und auch wenn das Fotografieren in der JVA zum Schutz der Gefangenen streng geregelt ist, durften sie sich dank der Mund-Nasenschutz-Masken für ihr Abschlussfoto im Hof mit ihren Zeugnissen aufstellen. Zumindest in diesem Punkt kam ihnen Corona dann doch gelegen.