Markus Schmitt ist 57 Jahre alt und Leiter des Bereichs Service und Netzwerkmanagement beim Automobilzulieferer ZF. Sina Schano hat mit 24 Jahren gerade ihr duales Mechatronik-Studium an der TH Würzburg-Schweinfurt abgeschlossen. Jetzt startet sie bei ZF ins Berufsleben. Zwischen den beiden liegen mehr als 30 Berufsjahre – und einige Veränderungen wie Homeoffice oder der Vier-Tage-Woche. Ein Gespräch über klassisches Karriereleitern, moderne Work-Life-Balance und ein Sabbatical als Großvater.
Markus Schmitt: Es war immer mein Ziel, irgendwann Direktor hier im Unternehmen zu werden. Aber Traumjob? Ich war nebenbei 20 Jahre lang leidenschaftlicher Fußballtrainer – wahrscheinlich wäre mein Traumjob Bundestrainer gewesen. Aber Spaß beiseite: Ich habe mich vom Produktmanager hochgearbeitet und bin jetzt für eine größere Anzahl an Mitarbeitenden verantwortlich. Und ja, das ist es, was ich machen will.
Schmitt: Natürlich ist es nicht so, dass ich abends nach Hause gehe und alles hinter mir lasse. Das wäre gelogen. Die Verantwortung legt man mit dem Feierabend nicht einfach ab. Außerdem sind wir weltweit am Markt, allein durch die Zeitverschiebung müssen Gespräche oft spät abends oder früh morgens stattfinden. Da muss man selbst für sich sorgen und irgendwann sagen, jetzt wird der PC ausgemacht. Sonst kann man sich leicht verausgaben.
Sina Schano: Erst einmal geht es für mich darum, Erfahrungen zu sammeln und mich einzuarbeiten. Es ist nicht mein oberstes Ziel, steil die Karriereleiter nach oben zu klettern. Ich will etwas erreichen, aber die Work-Life-Balance ist auch wichtig.
Schmitt: Den Begriff gab es noch gar nicht, als ich angefangen habe. In unserer Generation ging es darum, möglichst viel zu arbeiten, schnell nach vorne zu kommen und viel Geld zu verdienen. Deshalb habe ich nebenbei Zeitungen ausgetragen. Nur so konnten meine Frau und ich unabhängig werden und uns eine eigene Wohnung leisten, ein Auto oder einen Urlaub. Das Ziel war von Anfang an: Gas geben. Heute ist das alles entweder selbstverständlich oder nicht mehr nötig.
Schano: Nein, aktuell nicht. Ich habe aber vor, mich neben meinem Beruf in der Entwicklung selbstständig zu machen. Allerdings eher als Hobby und Ausgleich und um mich kreativ ausleben zu können. Es geht dabei nicht darum, Geld zu verdienen.
Schano: Definitiv. Selbstständig sein und seine eigenen vier Wände zu haben, das ist wichtig. Ich habe nach meiner Ausbildung in meinem Elternhaus eine Einliegerwohnung komplett renoviert und lebe dort – das war ein kleines Ziel für mich. Jetzt will ich im Beruf Fuß fassen. Und später möchte ich ein eigenes Haus kaufen und eine Familie gründen.
Schmitt: Auf jeden Fall. Ich würde sagen, etwa alle zehn Jahre verschiebt sich das Ziel.
Schano: Ich denke auch, dass sich mit zunehmendem Alter die Prioritäten verschieben. Das beste Beispiel: Wenn man Familie hat, setzt man die Lebensansprüche anders.
Schmitt: Mein Sohn lebt mit seiner Familie in den USA und als der erste Enkel auf die Welt gekommen ist, war klar: Er soll seine Oma und seinen Opa live erleben können. Meine Frau und ich sind beide Familienmenschen, und das war uns wichtig. Ich habe diese Auszeit lange geplant und mit meinem Chef abgesprochen. Am Ende waren wir vier Monate weg und sind mit dem Enkel, meinem Sohn und der Schwiegertochter durch Amerika gefahren.
Schmitt: Ich glaube, in der Lebensphase als junge Eltern denkt man grundsätzlich etwas anders als in der Großeltern-Phase. Damals stand eine lange Auszeit nicht zur Debatte. Ob es im Rückblick verkehrt war? Ich habe nicht das Gefühl, dass ich etwas nachholen muss. Aber jetzt war uns diese Entscheidung wichtig.
Schmitt: Im Management und Führungsbereich gab es damals noch nicht viele, die das gemacht haben. Deshalb war man vielleicht froh, dass sich jemand traut. Es gehört Planung und Disziplin dazu, aber ich kann es jedem empfehlen.
Schano: Tatsächlich sind einige aus meinem Freundeskreis nach dem Abitur eine Zeit lang herumgereist und haben sich treiben lassen. Für mich persönlich wäre ein Sabbatical grundsätzlich spannend – aber ich würde nicht planlos ein Jahr verbummeln. Ich brauche Struktur und Plan in meinem Leben. Wenn ich ein Sabbatical machen würde, würde ich mir etwas vornehmen. Vielleicht sogar eher im Ausland arbeiten, um neue Kulturen zu entdecken. Das wäre interessant.
Schano: Ich denke schon. Viele Leute in meinem Alter denken sich, der Ernst des Lebens kommt noch früh genug – warum soll ich mir nicht erst Zeit nehmen, um auszuprobieren, mich selbst zu finden und zu überlegen, wo ich überhaupt hinwill. Hinzu kommt: Dadurch, dass die meisten Arbeitgeber jetzt Möglichkeiten zum Homeoffice bieten, kann man flexibler leben. Viele Berufe kann man von überall ausüben. Ich denke, das ist für junge Menschen attraktiv.
Schano: Homeoffice ist auf jeden Fall ein Fortschritt. Wenn man Arbeit und Privatleben gut kombinieren kann, geht man mit einem anderen Gefühl an den Beruf heran, mit weniger Zwang. Ich denke, dass das die Qualität steigert.
Schano: Es ist eher ein fließender Übergang, die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmt.
Schmitt: Ich glaube, jüngeren Menschen ist Freizeit wichtiger geworden. Das ist eine Generationensache. Bei uns hat man von den Eltern vorgelebt bekommen, dass sie klein angefangen haben und sich etwas aufbauen mussten. So etwas übernimmt man als junger Mensch. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, ein freies Jahr einzulegen und um die Welt zu fahren.
Schmitt: Das ist eine schwierige Frage. Manchmal habe ich mich in den letzten Jahren gefragt: Was ist mit den jungen Leuten heutzutage los, fehlt ihnen der Biss? Haben sie es nicht mehr nötig? Aber im Rückblick muss ich sagen: Vielleicht ist es clever, sich die Kraft im Berufsleben einzuteilen. Wenn man immer Gas gibt und an die Grenze geht, ist irgendwann der Akku leer.
Schano: Ich glaube, insgesamt steht die Gesundheit im Leben heute stärker im Fokus als früher. Man achtet darauf, fit zu bleiben und ausgewogen zu leben. Auch, um einen Burnout zu vermeiden.
Schmitt: Den Begriff hat es in meiner Jugend noch gar nicht gegeben, glaube ich.
Schmitt: Ein bisschen stimmt das schon, bei uns stehen noch viele Sachen auf der Wollen-wir-noch-machen-Liste. Und natürlich besteht die Gefahr, dass man irgendwann nicht mehr fit genug dafür ist. Deshalb will ich versuchen, den Absprung sinnvoll hinzukriegen. Und dann kann auch ich mir vorstellen, ein Wohnmobil zu kaufen und dem Enkel damit Europa zu zeigen.
Schano: Bei mir muss man ehrlicherweise sagen: Wer weiß, wann für mich die Rente beginnt – vielleicht mit 80. Meine Lebensträume will ich bis dahin aber nicht aufschieben.