Deutschland steht unter Stress. Das ergab eine Studie der Techniker Krankenkasse vom Dezember 2021. Etwa 64 Prozent der Menschen in Deutschland fühlen sich manchmal, 26 Prozent häufig gestresst. Zeit zum Innehalten und zum Gegensteuern. Dazu bot das Leopoldina-Krankenhaus in seinem Online-Seminar wertvolle Hilfen: Der Arzt und Psychotherapeut Alexander Pretzer (Psychosomatische Klinik) sprach in seinem Vortrag über "Stress und Stressbewältigung". Wir fassen die wichtigsten Informationen zusammen.
Was ist eigentlich Stress?
Pretzer definiert Stress im biologischen Sinn als lebenswichtigen Vorgang, als natürlichen Verteidigungsmechanismus: Er ermöglicht bei Gefahr reflexartige Angriffs- oder Fluchtmechanismen mit körperlicher Aktivierung und Energiemobilisierung. Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet, der Sympathikus (Teil des vegetativen Nervensystems) wird aktiviert, sein Gegenspieler Parasympathikus wird gehemmt.
Was bewirken die Stresshormone?
Durch die Ausschüttung von Adrenalin und Kortisol steigen Blutdruck und Puls, Blut strömt in die Muskulatur, die Verdauung wird heruntergefahren, die Schmerzempfindlichkeit herabgesetzt. Das "Kuschelhormon" Oxytoxin fördert Nähe und Bindung, lässt uns um Hilfe bitten. Dopamin, das "Belohnungshormon", vermittelt nach bewältigter Anstrengung ein Glücksgefühl. Endorphine sind vom Körper selbst produzierte Morphine, die Schmerzen lindern oder unterdrücken.
Warum kann Stress krank machen?
Obwohl sich der heutige Mensch in einer ganz anderen Umwelt bewegt als unsere Vorfahren, sind bei ihm immer noch die gleichen Stressmechanismen am Werk. Die Folge ist ein oft dauerhaft erhöhter Pegel von (eigentlich überflüssigen) Stresshormonen, die krank machen. Besonders schädlich ist dauerhafter Stress: Die Blutgefäße verengen sich, es kommt in ihnen schneller zu Ablagerungen von Fett und Kalk (Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall). Daneben kann es Magen-Darm-Probleme geben, erhöhte Infektanfälligkeit durch ein geschwächtes Immunsystem, sowie Schlafstörungen, Hauterkrankungen, Verstärkung von Allergien und Asthma. Und die Seele muss mit Burnout, Angst, Panikattacken und Depressionen kämpfen.
Was löst den Stress aus?
Schlafentzug, Reizüberflutung, Krankheit, Schmerzen, seelische Probleme, Streit, unterschwellige Konflikte, Mobbing, schwerwiegende Ereignisse. Ständige Überforderung, aber auch Unterforderung (Langeweile, Lethargie) können Stressoren sein. Im Grunde können alle Situationen Stress auslösen, die Menschen reagieren darauf sehr unterschiedlich. Hier nennt Pretzer Zeitmangel, Mehrfachbelastung, nicht "nein" sagen können, zu hoher eigener Anspruch, Beziehungsprobleme, Harmoniesucht oder eine gestörte eigene Wahrnehmung.
Wie läuft eine systematische Problemlösung ab?
1. Beschreibung des Problems, 2. Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten (Brainstorming, der Fantasie freien Lauf lassen, sich Rat holen). 3. Bewerten und Auswahl einer Lösung (Konsequenzen für sich selbst und andere, Vor- und Nachteile). 4. Handlungsplan entwickeln. 5. Umsetzung (die beste Lösung wird erprobt), 6. Überprüfung des Erfolges.
Warum ist Zeitmanagement wichtig?
Zum Stressabbau und zur Stressvermeidung ist auch ein gutes Zeitmanagement entscheidend, betont Pretzer. Dabei geht es darum, Zeit zu gewinnen und ökonomisch zu arbeiten: Zeitbewusstsein entwickeln, nie mehrere Ziele gleichzeitig ansteuern, Prioritäten setzen, positive Selbst- und Fremdkontrolle schaffen.
Was kann Entspannung bewirken?
Verhinderung, Linderung oder Beseitigung von Stress, Senkung des Erregungsniveaus, Erhöhung der Belastbarkeit, Verbesserung der Körperwahrnehmung, Abbau von bereits bestehenden psychosomatischen Beschwerden.
Welche Entspannung hilft mir?
Psychotherapeut Pretzer zählt eine breite Palette an Entspannungsmöglichkeiten auf: Musik hören, Lesen, Spazierengehen, Sport, Aufenthalt in der Natur, Baden, Träumen, ein Wochenende vertrödeln, das könne Körper und Seele gut tun. Daneben gibt es viele systematische Entspannungsmethoden: Muskuläre Entspannungstechnik, autogenes Training, Atementspannung, Vorstellungsübungen (Imaginationen), Meditation, Feldenkrais, Yoga, Pilates.