Früher waren die eigenen vier Wände ein Rückzugsort nach der Arbeit. Mit Corona änderte sich das für viele Menschen. Seit Beginn der Pandemie ist der Schreibtisch im Wohnzimmer nun der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit geworden. Der Dienst-Laptop steht in der Küche, Unterlagen liegen neben dem Sofa. Wie geht es den Leuten mit dieser Umstellung? Wir haben sieben Unterfranken in ihrem Homeoffice besucht. Eines wird schnell klar: Beim Arbeiten von zuhause gibt es große Unterschiede.
Denise Yilmaz (45), Study Nurse aus Würzburg
Ich wollte daheim sein, damit meine Tochter nicht so viel alleine ist. Leider kam ich in den ersten Wochen der Schulschließungen oft noch spät nach Hause, sodass die Situation für sie recht belastend war. Da habe ich gesagt: Wir müssen eine Lösung finden und habe Homeoffice beantragt. Und es wurde mir genehmigt. Ich wurde mit Laptop und Bildschirmen ausgestattet.
Das Problem ist aber: Für meine Arbeit als Studienassistentin an einer Klinik brauche ich beispielsweise Schnitte aus der Pathologie. Die kommen aber im Krankenhaus an, nicht bei mir zuhause. Danach muss ich die Schnitte in Speziallabore weiterschicken. Zwar wurde im Klinikum der Betrieb heruntergefahren, auch bei den Studien. Aber die Patienten, die schon an einer teilnehmen, kommen nach wie vor zur Visite. Dabei muss ich Vital-Parameter überprüfen, Blut abnehmen oder andere Spezialtests machen. Das lässt sich nicht von zuhause durchführen.
Deshalb habe ich mir gedacht: Ich mache jetzt vormittags die Patienten und schaue, dass ich am Nachmittag das Organisatorische von zuhause aus erledige – damit meine Tochter nicht den ganzen Tag alleine ist. Auch für die Zukunft könnte ich mir einen Homeoffice-Tag gut vorstellen.
Sabrina Mayer (24), Masterstudentin Volkswirtschaftslehre aus Würzburg
Ich glaube, dass Uni von zuhause im Sinne der Selbstorganisation für viele Studierende hilfreich sein kann. Man ist einfach dazu gezwungen, weil es die festen Zeiten für Vorlesungen zum Teil nicht mehr gibt. Dadurch ist man auch flexibler. Ich hab die meiste Zeit einen Plan, was ich an dem Tag machen will. In einem kleinen Tischkalender schreibe ich auf, was ich mir für die Woche vornehme. Wenn ich etwas erledigt habe, dann hake ich es ab – für ein kleines Erfolgserlebnis.
Mir fehlt aber die Abwechslung. Man hat immer nur den selben Ort, und ich vermisse den Austausch mit den anderen Studierenden oder Arbeitskollegen. Durch diesen Trott, dass man immer nur zuhause ist, fall' ich in eine Trägheit und kann mich nicht so gut motivieren. Wenn ich meinen Mischmasch habe, also zuhause sein und unterwegs sein, fällt es mir viel leichter.
Für die Zukunft fände ich eine Mischung aus Homeoffice und auf die Arbeit oder in die Uni zu gehen am besten. Das habe ich auch in meinem letzten Praktikum gemerkt. Da sind wir Mitte Mai auch in einen Wechsel übergegangen. Wir hatten Bürotage, wo das ganze Team da sein sollte, damit man sich wieder mal sieht. Wenn ich jetzt an diesem Tag nur Skype-Gespräche hatte, war ich auch frei zu sagen: Ich komme an dem Tag nicht. Das hat mir gut gefallen.
Joe Krieg (46), Jazz-Musiker aus Euerfeld (Lkr. Kitzingen)
Das Live-Musik machen fällt zurzeit vollkommen flach – da gibt es kein Homeoffice. Auch mein künstlerischer Output ist durch den Lockdown immens gedrückt worden. Ich schreibe viel weniger als sonst. Die kleinen Erlebnisse, die man zurzeit eben nicht hat, setzen bei mir normalerweise den kreativen Prozess in Gange. Das ist nicht nur bei uns Musikern so. Auch bei unseren drei Kindern bremst die Situation ihre Kreativität.
Meine Frau ist in Elternzeit und dadurch, dass die ganzen Konzerteinnahmen flöten gegangen sind, war klar: Das muss aufgefangen werden. Daher habe ich mich entschieden, Online-Unterricht zu geben. Das klappt erstaunlicherweise gut. Nur die Interaktion, zum Beispiel beim Jammen, fehlt durch die Latenz und den Klang beim Fernunterricht. Zusätzlich arbeite ich an der Uni Würzburg als Gitarrendozent.
Der große Vorteil ist: Ich muss nirgendswo hinfahren. Wenn ich um 16.30 Uhr mit dem Unterricht fertig bin, da kann ich fünf Minuten später unseren Kleinsten nehmen. Aber ich muss viel unterrichten, damit das Geld fließt. Dabei bräuchten die Kinder eigentlich eine Rundumbetreuung. In ihrem Alter können sie sich nicht die ganze Zeit selbstständig beschäftigen. Wir wollten drei Kinder, aber ich hätte nie gedacht, dass ich den ganzen Tag arbeiten muss. Das bringt meine Frau und mich an unsere Grenzen.
Rotraut Ries (64), Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums in Würzburg
Als Wissenschaftlerin bin ich Homeoffice gewohnt. Ich habe lange in Projekten von zuhause aus gearbeitet, vor allen Dingen als meine Kinder klein waren. Das ist nichts Neues für mich. Ich habe hier die Infrastruktur: zwei Schreibtische und meine eigene Bibliothek. Das ist eine Menge Wert. Aber da ich Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums bin und auch eine ganz neue Mitarbeiterin habe, muss ich natürlich auch vor Ort sein. Zwar habe ich vieles hier daheim, aber nicht die ganze Bibliothek wie im Zentrum. Das reicht nicht immer. Es gibt einfach Dinge, die ich im Büro erledigen muss.
Die Möglichkeit für Homeoffice zu haben, gerade wenn man mal in Ruhe etwas schreiben will, finde ich gut und wichtig. Aber ich möchte es nicht andauernd machen. Gerade mit der Leitungsfunktion lässt sich das nur bedingt verbinden. Man vereinsamt auch einfach so ein bisschen – gerade wenn man alleine lebt. Ich kann gut alleine auskommen und genieße es durchaus auch, dass ich hier meine Ruhe habe. Aber ich habe auch noch einen Hauptwohnsitz. Nur Homeoffice wäre nichts für mich.
Dominik Hammer (26), SEO-Manager aus Würzburg
Gleich zum ersten Lockdown durften bei uns alle, soweit möglich, ins Homeoffice. Bei dem was ich mache, kann ich alles problemlos von zuhause aus erledigen. Da ich in der Suchmaschinenoptimierung arbeite, habe ich keinen Kundenkontakt. Mein Telefon ist aufs Diensthandy umgeleitet. Mit meinen Kollegen habe ich täglich Team-Meetings, sonst sind wir immer per Chat miteinander vernetzt. Für Termine nutzen wir Video-Calls. Den Laptop und eine Dockingstation gab es vom Arbeitgeber. Wir konnten damals auch Bildschirme aus dem Büro mitnehmen. Die habe ich mittlerweile aber wieder zurückgebracht, nachdem ich mir selbst neue besorgt hatte.
Bei manchen Sachen ist man im Homeoffice effizienter. Der Arbeitsweg fällt weg, man bekommt mehr geschafft daheim als an manchen Tagen im Büro. Auf die Dauer wird es aber ein bisschen trist – selbst mit Videokonferenzen. Im Sommer hab ich gemerkt, dass es ganz gut ist, wenn man Homeoffice und Büro abwechseln und auf dem Heimweg dann so richtig abschalten kann.
Alexandra Decker (42), Yoga-Lehrerin aus Garstadt (Lkr. Schweinfurt)
Online kann ich nicht präsent beim Schüler sein, sondern ich muss vor der Kamera alles zeigen und anleiten. Das gleichzeitig zu machen, ist die große Herausforderungen. Deshalb habe ich meine Kurse um eine halbe Stunde gekürzt, weil ich sonst selbst nicht durchkomme mit der Atmung. Aber das ist meiner Meinung nach ausreichend. Es fasziniert mich sowieso, dass sich die Leute alleine auf die Matte begeben und aktiv was tun.
Es gibt natürlich viele meiner Schüler, die sich bis heute noch nicht online angemeldet haben und es auch nicht ausprobieren wollen. Es gibt aber auch welche, die froh sind, dass es diese Plattform gibt – weil es einen Zusammenhalt ermöglicht. Yoga ist nicht nur das Praktizieren auf der Matte, sondern auch eine Lebenseinstellung. Das hilft uns in dieser Zeit immens. Aber natürlich sagen die Schüler, dass sie gerne bald wieder in persona kommen würden.
Mit den Onlinekursen kann ich die fixen Mietkosten meines Studios tragen. Alles andere wird Gott sei Dank aufgefangen von meinem zweiten Standbein. Ich bin noch im Marketing bei einem Versicherungsmakler tätig und auch im Homeoffice. Da sitzt man nur am Schreibtisch und hat null Bewegung. Deswegen finde ich das Yoga so toll.
Marielle Scharfenberg (22), Bachelorstudentin Kommunikationsdesign aus Würzburg
Ich freue mich, wenn die Uni wieder richtig anfängt. Vor Corona bin ich gerade aus dem Praxissemester gekommen. Das heißt, ich habe Freunde von mir zwei Jahre lang nicht gesehen. Wir hatten neulich eine Online-Vorlesung, da hatte eine Freundin ihren Sohn auf dem Schoss, der jetzt winken und aufrecht sitzen kann. Vor zwei Jahren, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hatte der Kleine noch gar nicht existiert.
Der Studiengang Kommunikationsdesign lebt eigentlich davon, dass man in Kooperation arbeitet, sich gegenseitig hilft und Ideen hin und her spielt. Das ist alles weggefallen. Zusätzlich kannst du nicht mehr ins Kino, Theater oder Museum gehen. Dich deutlich weniger mit den Kommilitonen austauschen, weil digital einfach eine Barriere dazwischen ist. Man hockt in seinem eigenen Sumpf und kommt nicht so gut auf neue Ideen. Das ist nervig und geht auf die Psyche.
Es ist ganz interessant, dass man ortsunabhängig ist. Ich bin häufiger bei meinen Eltern in München gewesen dadurch, weil man die Vorlesungen von zuhause aus machen kann. Ich glaube, das birgt aber die Gefahr, dass man die Leute irgendwann nicht wieder zurück an die Unis bekommt. Manche denken sich: Warum soll ich die Wohnung hier bezahlen, wenn ich es auch zuhause machen kann? Das alles hat aber einen großen Preis, weil das Studenten leben fehlt und man nicht mehr aus dem Haus kommt.