Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine und den damit einhergehenden Sanktionen gegen Putins Regime wird auch über ein Energie-Embargo diskutiert. Die Experten sind sich einig: Während ein Importstopp von Kohle und Öl aus Russland noch eher zu verkraften wäre, würde ein Gasliefer-Stopp die deutsche Wirtschaft hart treffen. 2020 lieferte Russland etwa 168 Milliarden Kubikmeter Gas via Pipelines nach Europa, Deutschland war mit knapp 58 Milliarden Kubikmetern der Hauptabnehmer.
Der Löwenanteil des hierzulande benötigten Gases kommt aus Russland, es folgen Gasimporte aus Norwegen und aus den Niederlanden. Die Menge des in Deutschland selbst geförderten Gases ist seit Jahren rückläufig. Die Abhängigkeit vom russischen Gas ist in der Wirtschaft sehr unterschiedlich ausgeprägt. So braucht ein Unternehmen, das Hochöfen zur Stahlschmelze in Betrieb hat, naturgemäß deutlich mehr Energie, als ein Unternehmen, in dem die Teilefertigung im Mittelpunkt steht.
In der Region Schweinfurt als wichtiger Industriestandort in Bayern finden sich eine Reihe global Playern mit energieintensiven Fertigungsprozessen. Wir haben bei einigen nachgefragt, wie sie sich aktuell mit Energie versorgen, welche Rolle Gas in ihrem Unternehmen spielt und welche Strategien im Hinblick auf die künftige Versorgung mit Energie verfolgt werden.
Bosch Rexroth: Auf verschieden Szenarien vorbereiten und Vorsorge treffen
Die Bosch Rexroth AG mit Sitz in Stuttgart und Standorten unter anderem in Schweinfurt, Haßfurt und Lohr, steht für Antriebs- und Steuerungstechnik, elektrische Antriebe und Industriehydraulik. "Bosch Rexroth versorgt sich wie andere Unternehmen am Energiemarkt mit Energieträgern und kann aktuell seine Fertigungs- und Betriebsstätten unverändert versorgen", teilt auf Anfrage Nicole von Killisch-Horn von der Pressestelle des Unternehmens mit.
Maßgeblich sei dafür eine vorausschauende Beschaffungsstrategie und das bereits hohe Maß an Energieeffizienz, das die Bosch-Gruppe durch ihre weltweite Klimaneutralstellung schon 2020 erreicht habe, so Killisch-Horn.
"Wir benötigen Gas überwiegend zum Heizen unserer Gebäude, vereinzelt auch in Prozessen in unserer Fertigung", skizziert die Pressesprecherin die Abhängigkeit vom Gas. Aktuell überprüfe man im Unternehmen systematisch an welchen Einrichtungen auch LPG (verflüssigtes Petroleum Gas) eingesetzt werden könne, oder wo auf elektrische Prozesswärme umgestellt werden kann.
"Wir beobachten weiterhin die Marktentwicklung, sowie gesetzgeberische Entscheidungen. Dazu gehört auch, sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten und Vorsorge zu treffen, um bei einer Regulierung der Gasversorgung die Belieferung unserer Kunden weiter sicherzustellen oder mögliche Auswirkungen so gering wie möglich zu halten", fasst Nicole Killisch-Horn die Situation zusammen.
Fresenius: Suche nach alternativen Energiequellen
"Wir beziehen unsere Energie von regionalen Anbietern (Fernwärme) und über Konzernvereinbarungen für Strom und Erdgas", so Leif Heusen von der Fresenius-Konzernkommunikation. Das Werk in Schweinfurt ist der größte Entwicklungs- und Produktionsstandort von Fresenius-Medical-Care, wo seit Jahrzehnten zum Beispiel Dialysegeräte hergestellt werden.
Das Werk in Schweinfurt verwende keine fossilen Brennstoffe direkt. Solche kämen jedoch an einigen anderen Standorten für Heiz- und Produktionsprozesse zum Einsatz. "Allerdings keine Kohle aus Russland", so Heusen. "Die meiste Energie wird an unserem Standort Schweinfurt zum Heizen des Werkes mit Fernwärme und bei internen Vorfertigungsprozessen, zum Beispiel bei der Herstellung von Kunststoffteilen verwendet".
Um auf alle Fälle vorbereitet zu sein, befinde man sich im Austausch mit den zuständigen behördlichen Stellen. "Darüber hinaus prüfen wir an allen Standorten, wie wir unseren Energiebedarf senken und weiter optimieren können". Bei Fresenius Medical Care habe man eine ganze Reihe von Initiativen angestoßen, um das Unternehmen energetisch zu bevorraten und alternative Energiequellen zu erschließen. "Doch trotz aller Bemühungen würde die Energie im Fall eines Gasembargos nicht für alle Verbraucher in der Industrie reichen", so die Einschätzung des Konzernsprechers. "Dann müssten besonders sensible Bereiche bevorzugt versorgt werden."
ZF: Aktuelle Entwicklung wird genau verfolgt
Wie angespannt die derzeitige Situation für manche Betriebe mit Blick auf die Versorgungslage offenbar ist, zeigt auch die Reaktion des größten Industriearbeitgebers der Region. "Unser Krisenstab befasst sich mit den Auswirkungen des Krieges und verfolgt die Entwicklungen und dessen Folgen sehr engmaschig", schreibt Jessica Seufert, Pressesprecherin der ZF Friedrichshafen AG. Dazu zähle auch der Aspekt der Energielieferungen.
Angesichts der sich "dynamisch entwickelnden" Situation wolle das Unternehmen allerdings keine Aussagen zu möglichen Folgen und dem konkreten Umgang mit der Energieversorgung treffen, so Seufert. ZF zählt zum fünftgrößten Automobilzulieferer und einem der führenden Unternehmen auf dem Gebiet der Antriebs- und Fahrwerktechnik. Am Standort in Schweinfurt arbeiten aktuell rund 9000 Beschäftigte.
Schaeffler: Folgen eines Gas-Stopps wären gravierend
Auch für den Industriezulieferer Schaeffler ist Gas ein wichtiger Energieträger, erklärt Unternehmenssprecher Marco Bosch auf Anfrage dieser Redaktion. "Wir beobachten die Entwicklungen und können derzeit keine abschließende Bewertung der möglichen Auswirkungen abgeben." Die Folgen eines Embargos wären, so der Sprecher, für Deutschland und den Europäischen Wirtschaftsraum aber sicherlich gravierend und derzeit nur schwer vorhersehbar.
SKF: Ein Embargo würde die Produktion in Schweinfurt beeinträchtigen
Beim Wälzlagerhersteller SKF kommen begrenzte Mengen von Prozessgasen während des energieintensiven Härteprozesses zum Einsatz, skizziert Jörg Wuttke, Werkleiter von SKF am Standort Schweinfurt. "Diese beziehen wir direkt und ohne Bevorratung von unserem Versorger."
Eine Unterbrechung der Gaslieferung aus Russland hätte demnach die Folge, dass wichtige Prozesse am Beginn der Wertschöpfungskette gestoppt werden müssten. "Dies würde unsere Produktion in Schweinfurt erheblich beeinträchtigen", verdeutlicht Wuttke.
SKF bezieht sowohl Fernwärme als auch teilweise seinen Strom aus dem Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt (GKS), ergänzt Holger Laschka, Unternehmenssprecher von SKF in Schweinfurt in einer Pressemitteilung. "Darüber hinaus benötigte elektrische Energie beziehen wir von einem überregionalen Versorger." Für die energetischen Prozesse werden laut Laschka weder Öl noch Kohle eingesetzt.
SKF will bis 2030 klimaneutral werden
Was die Zukunft betrifft, kündigte der Konzern 2020 an, spätestens im Jahr 2030 weltweit alle Standorte treibhausgasneutral betreiben zu wollen. "Das bedeutet, dass sowohl selbst erzeugte als auch fremdbezogene und an den Standorten genutzte Energie aus nachhaltigen Quellen stammen muss", schreibt Laschka.
Dieses Ziel habe der schwedische Konzern bereits an den Standorten in Steyr (Österreich), Tudela (Spanien) und Göteborg (Schweden) erreichen können, bekräftigt der Pressesprecher. An einem konkreten Fahrplan für das Werk in Schweinfurt werde hingegen noch gearbeitet.