Wasserstoff ist so etwas wie eine Trumpfkarte geworden: Die Bundesregierung sieht das Gas als "Schlüsselelement für die Energiewende" in Deutschland. Schweinfurt kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn dort wird viel mit Wasserstoff ausprobiert – zum Nutzen von Unternehmen in der Region.
Seit Oktober gibt es an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) den Bachelor-Studiengang Wasserstofftechnik mit fünf Professoren und derzeit 20 Studierenden. Er sei der einzige seiner Art in Deutschland, betont FHWS-Professor Winfried Wilke.
Neben diesem Studiengang laufen in der FHWS-Niederlassung in Schweinfurt neuerdings auch die Fäden zusammen, wenn es um Infos über Einsatz von Wasserstoff in Unternehmen geht. Denn laut Wilke wurden mit Fördergeldern des EU-Aufbaufonds "React" an der Hochschule eine Beratungsstelle eingerichtet, die vor allem kleine und mittelständische Betriebe in Nordbayern kostenlos beraten soll.
Neue Wasserstoff-Beratung in Schweinfurt: Was sie für Firmen leisten soll
Geplant sind laut Wilke Webinare und ähnliche Weiterbildungen, um Unternehmern zum Beispiel aus dem Bereich Heizung und Klimatechnik zu zeigen, wie der Energieträger Wasserstoff im Alltag verwendet werden kann. Das Problem: Die drei Arbeitsplätze der Beratungsstelle konnten nach Wilkes Worten noch nicht besetzt werden, weil es an passenden Bewerberinnen und Bewerbern mangele.
Beratungsbedarf ist offenbar da, denn das Interesse am Wasserstoff ist in der Wirtschaft gerade im Zug der Energiewende vorhanden. Aber: "Viele Firmen fragen sich, ob sich das lohnt", hat Wilkes Kollege Johannes Paulus beobachtet. Der FHWS-Dekan leitet in Schweinfurt die Labore für Thermodynamik, Energie- und Wärmetechnik. Gerade der Einsatz von Wasserstoff zur Erzeugung von Flammen stehe im Fokus der Unternehmen.
Für welche Betriebe Wasserstoff interessant sein kann
In der Tat sei das gut brennbare Gas für jene Betriebe interessant, die mit großer Hitze arbeiten, so Wilke. Darunter seien beispielsweise Glashersteller wie Gerresheimer in Lohr, Schaeffler in Schweinfurt mit seinen Härteöfen für Metall oder Backofenbauer wie Miwe in Arnstein (Lkr. Main-Spessart).
Apropos Gerresheimer: Der Bundesverband Glasindustrie in Düsseldorf hat angekündigt, den Einsatz von Wasserstoff als Energielieferant deutschlandweit voranzutreiben. Denn derzeit werde noch zu 70 Prozent fossile Energie – vor allem Erdgas – für die Glasherstellung verwendet.
Das zeigt, dass grüner Wasserstoff an vielen Orten als umweltfreundliche Alternative in den Startlöchern steht. Die Kardinalsfrage werde sein, so FHWS-Experte Wilke: Wer fängt mit dem Dauerbetrieb an?
Sicher sei indes, dass "die sich Unternehmen damit einfach auseinandersetzen müssen". Freilich "ist es schwer zu sagen", so Kollege Paulus, wie viel ein Betrieb für die Umstellung etwa einer Erdgas- auf eine Wasserstoff-Anlage hinblättern muss.
Wasserstoff: Welche mainfränkischen Unternehmen aktiv sind
Um Antworten auf diese und ähnliche Fragen zu bekommen, arbeitet die Hochschule nach eigenen Angaben mit einer Reihe von Unternehmen aus der Region zusammen. Darunter sind zum Beispiel der Automobilzulieferer ZF in Schweinfurt, der Sonnenschutzanbieter Warema in Marktheidenfeld, die Stadtwerke Schweinfurt, die Fränkischen Rohrwerke in Königsberg (Lkr. Haßberge) und der Industriezulieferer Schaeffler (Herzogenaurach/Schweinfurt).
Ebenfalls im Boot ist das Stadtwerk Haßfurt, das schon im Oktober 2016 ein bayernweit aufsehenerregendes Vorhaben umsetzte: eine Power-to-Gas-Anlage. Sie nutzt überschüssigen Strom aus Windkraft- und Solaranlagen der Umgebung, um damit aus dem Wasser den Wasserstoff zu holen.
Diese sogenannte Elektrolyse zur Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff im Wasser braucht viel Strom. Während der Sauerstoff in die Luft abgegeben wird, führt die Haßfurter Anlage den mit "grüner" Energie erzeugten Wasserstoff dem Erdgasnetz und damit herkömmlichen Haushalten zum Kochen und Heizen zu.
Da Wasserstoff neben seiner reinen Verbrennung mit Hilfe von Brennstoffzellen auch in Strom umgewandelt werden kann, tüfteln die Schweinfurter Techniker derzeit am Einsatz des Gases im Verkehr. Genauer gesagt, im Flugverkehr: 2023 wollen die FHWS-Experten um Paulus und Wilke ein einmotoriges Kleinflugzeug mit Hilfe einer Brennstoffzelle in die Luft schicken.
In der Zwischenzeit soll der neue Bachelor-Studiengang Wasserstofftechnik in Schweinfurt ausgebaut werden. Schon in diesem Jahr werde sich die Zahl der Studierenden wohl auf 60 verdreifachen, so Wilke. Eine sowohl für die angehenden Techniker als auch für die regionale Wirtschaft zweifellos gute Nachricht. Denn wegen der großen Nachfrage rund um Wasserstoff hätten die Absolventen "allerbeste Berufsaussichten".