Deutschland will raus aus der Abhängigkeit von russischem Gas. 55 Prozent der Gasimportestammen heute aus Russland, in Bayern liegt der Anteil sogar noch höher, bei 80 Prozent. Der Grund: eine Leitung nach Süddeutschland. Für Stadtwerke-Chef Thomas Kästner ist klar, was langfristig daraus folgen muss: weg von Gas, hin zu alternativen Formen für die Wärmeversorgung.
Das Tochterunternehmen der Stadt will sein Fernwärmenetz in der Stadt massiv ausbauen. Dass man damit den Nerv trifft, zeigt eine aktuelle Entwicklung. Wie Kästner sagt, ist die Nachfrage in Sachen Fernwärme sprunghaft angestiegen, "die Leute wollen sich unabhängig machen". Die Unsicherheit wegen der Gaslieferungen, die explodierenden Preise und die Tatsache, dass Gas eben nicht die Übergangslösung sein wird, wie geplant, treibt die Menschen um.
Auf was die eigene Heizung umrüsten? Pellets, Wärmepumpen, die sich nicht für jedes Haus eignen, beispielsweise, wenn es nicht perfekt gedämmt ist, und dann? Die Fernwärme kann ein Baustein sein, Schweinfurt ein Stück unabhängiger zu machen von russischem Gas, meint der Stadtwerke-Chef. Denn: Im Fall von Schweinfurt stammt die Fernwärme aus erneuerbarer Energie – der Verbrennung von Hausmüll. Auch wenn das im ersten Moment schräg klingt, wird Hausmüll als erneuerbarer Rohstoff gewertet.
Woher kommt die Fernwärme, die die Stadtwerke Schweinfurt verkaufen?
Rund 65 Prozent der Fernwärme und des Stroms, die das Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt (GKS) produziert, stammt aus der Verbrennung von Hausmüll. Für den Rest wird neben Kohle schon ein geringer Anteil getrockneten Klärschlamms verfeuert. 2028 soll Klärschlamm komplett die Kohle ersetzt haben. Vom GKS werden SKF, Schaeffler und ZF mit Fernwärme versorgt; über die Stadtwerke als weiterer Gesellschafter auch private Haushalte und Gewerbetreibende.
Wie umweltfreundlich ist die Fernwärme, die in Schweinfurt produziert wird?
Theoretisch kann Fernwärme nicht nur durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern oder Müll hergestellt werden, sondern auch von Windrädern oder Biogasanlagen. In Schweinfurt kommt die Fernwärme vom GKS. Und auch dort macht sie ökologisch Sinn, sagt Kästner: So liege der CO2-Ausstoß durch die Fernwärme aus dem GKS schon jetzt bei einem Faktor von 0,4 und damit besser als Gas. Dadurch gebe es bis 2025 auch eine höhere Förderung durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA.
Gibt es Fördergelder vom Staat für den Umstieg auf Fernwärme?
Ja. Über die BAFA erhalten nicht nur die Stadtwerke für den Ausbau des Netzes eine Förderung. Auch Bürgerinnen und Bürgern können profitieren. Liegt der Anteil der Energiegewinnung für die Fernwärme bei mindestens 55 (Prozent) – und das ist in Schweinfurt der Fall – dann gibt es für den Anschluss an ein Wärmenetz 35 Prozent Zuschuss. Tauscht man gleichzeitig dafür eine Ölheizung aus, sind 45 Prozent Förderung möglich. Außerdem lassen sich auch Zuschüsse der Stadt abgreifen, sagt Anja Binder, Verkaufsleiterin der Stadtwerke. Das wären für eine Heizungssanierung 1000 Euro, plus weiteren 1000 Euro als Fernwärme-Prämie. Voraussetzung: die Heizung muss älter als 15 Jahre sein.
Wie groß ist das Versorgungsnetz aktuell und wo wird weiter gebaut?
49 Kilometer zieht sich das Netz aus Fernwärmeleitungen der Stadtwerke schon heute durch die Stadt. 101 Gigawattstunden Wärme werden darüber im Jahr abgesetzt, sagt Kästner. Gut ausgebaut ist das Fernwärmenetz im Hafen-West, im Maintal, in der Innenstadt, in Yorktown, Bellevue, im Gründerzeitviertel, im Musikerviertel und am Bergl. Wer sich dort für einen Anschluss entscheidet, wird zeitnah angebunden, verspricht der Stadtwerke-Chef.
Das Netz werde kontinuierlich ausgebaut. Aktuell passiert das in der Niederwerrner Straße und in der Franz-Schubert-Straße. Bald beginnen sollen auch die Arbeiten für das Fernwärmenetz in der Sattlerstraße, weiter geplant ist die Anbindung der Gartenstadt und das Fortführen der Trasse Richtung Eselshöhe, so Kästner. 674 Straßen hat Schweinfurt insgesamt, in 128 liegen aktuell Fernwärme-Leitungen.
Und was ist dort, wo es noch kein Netz gibt, beispielsweise am Deutschhof?
Nicht jede Ecke der Stadt wird sich direkt mit dem Fernwärmenetz vom GKS verbinden lassen, sagt Kästner offen. Zum einen muss es wirtschaftlich sein, es muss also genug Abnehmer geben oder große Wohnobjekte von den Wohnungsbaugesellschaften, die sich anschließen lassen. Denn: Der Bau von isolierten Fernwärmeleitungen ist teuer.
Eine Million Euro kostet ein Kilometer Leitung aktuell, so Kästner, das verlegt man "nicht aufs Geradewohl". Zum anderen spielt die Entfernung eine Rolle. Was zu weit weg liegt, wie der Deutschhof, muss mit dezentralen Lösungen versorgt werden. Also kleinen Kraftwerken, die möglichst mit erneuerbaren Energie Wärme erzeugen und das Gebiet versorgen können.
Wie funktioniert das System Fernwärme in Schweinfurt eigentlich?
Im GKS wird durch Kraft-Wärme-Kopplung aus dem Verbrennen von Hausmüll, Klärschlamm und Kohle heißer Dampf erzeugt. Der wird über Wärmetauscher in heißes Wasser umgewandelt und durch das Rohrnetz zu den Betrieben oder auch privaten Haushalten gepumpt. Dort steht eine Hausstation. Auch sie ist ein Wärmetauscher. Das Wasser im Haussystem wird erhitzt, das erkaltete Wasser fließt wieder zurück in Richtung GKS. Ein Kreislauf.
Mit welchen Kosten muss ich beim Umstieg auf Fernwärme rechnen?
Der Standardhausanschluss für ein Einfamilienhaus durch die Stadtwerke kostet laut Vertriebschefin Binder einmalig etwa 2500 Euro. Die Wärmestation, je nach Größe, zwischen 5000 und 10.000 Euro. Dazu kommen die Kosten für die Installation. Die Verbraucherzentrale geht beim Umstieg auf Fernwärme von Gesamtkosten zwischen 8000 und 15.000 Euro aus, für ein kleineres Gebäude.
Was ist mit den laufenden Kosten und wie schneidet Fernwärme im Vergleich ab?
Der Vergleich bei den laufenden Kosten ist nicht einfach. Denn: Bei Gas und Heizöl gibt es Umwandlungsverluste, bei Fernwärme nicht. Der Arbeitspreis und (vor allem) der Grundpreis liegen bei ihr im Vergleich zu Gas in Schweinfurt deutlich niedriger. Um etwa 20.000 Kilowattstunden Heizleistung im Jahr zu erzeugen, fallen laut Verkaufsleiterin Binder bei Gas 1694 Euro an, bei Heizöl 2727 Euro (bei einem Preis von 1,36 Euro pro Liter und 2000 Litern im Jahr). Die Fernwärme käme auf Kosten von 1527 Euro, wobei hier für die gleiche Heizleistung 3000 Kilowattstunden weniger nötig wären .