Der Einmarsch Russlands in die Ukraine wird eines mit Sicherheit vorantreiben: Energie und insbesondere Gas werden in Deutschland noch teurer. Schließlich kommt bundesweit etwa die Hälfte des importierten Erdgases aus Russland. Mit was müssen Verbraucher also nun rechnen? Welche Rolle spielt das vorübergehende Aus der Pipeline Nord Stream 2?
Gas-Experten aus Mainfranken haben eine klare Antwort: Die Preisspirale wird sich weiter nach oben drehen. Eine Entspannung auf dem Gas-Markt ist nicht in Sicht. Und Nord Stream 2 ist nur ein Teil des Problems.
Was können Kundinnen und Kunden jetzt tun, wenn Gas immer teurer wird?
Verbraucherinnen und Verbraucher haben wenig Möglichkeiten, sagen die Gasmarkt-Experten Frank Backowies und Florian Doktorczyk vom Würzburger Energielieferanten WVV. Sie werden nach ihrer Ansicht auf lange Sicht mit hohen Preisen leben müssen: "Es wird kein günstiges Gas mehr geben", prognostiziert Doktorczyk.
Zwar werde die WVV bei ihren Gastarifen wie bisher Preisbindungen über einen längeren Zeitraum hinweg anbieten können - aber auf höherem Niveau. Das Einzige, was Gaskunden jetzt bleibe: "Energie sparen, wo es geht."
Das ist auch der Tipp von Dirk Wapki, Sprecher der Stadtwerke Schweinfurt. "Es ist zu empfehlen, die Heizungsanlage zu optimieren, um den Verbrauch zu senken."
Lohnt es sich, noch schnell den Anbieter oder den Tarif zu wechseln?
Ein kurzfristiger Wechsel bringt kaum etwas, denn teuer ist Gas mittlerweile überall. Billiganbieter, die im Internet zu finden sind, haben wegen der hohen Einkaufspreise die Lieferungen eingestellt oder inzwischen teurere Tarife als angestammte Gasversorger. Geschäftsführer Thomas Merker vom Versorger Gasuf in Würzburg sieht langfristig keine Alternativen beim Gaspreis: "Es gibt nur 'teuer' oder 'ganz teuer'."
Wie reagieren die Gasversorger in Mainfranken?
Gängige Lieferanten wie WVV, Gasuf oder die Stadtwerke in Schweinfurt sind momentan in einer zwiespältigen Situation: Weil Online-Anbieter Gas derzeit auf den sogenannten Spotmärkten zu horrenden Tarifen einkaufen müssen, sind sie entweder eingebrochen oder mit ihren Gaspreisen unattraktiv geworden. Im Umkehrschluss sind die althergebrachten Gasversorger im Vergleich nun günstiger. Gasuf zum Beispiel renne die Kundschaft derzeit die Türen ein, sagt Geschäftsführer Thomas Merker.
Seit Oktober habe Gasuf 4000 neue Kundinnen und Kunden gewonnen – knapp die Hälfte davon seien von Billiganbietern gekommen. Die Kundenzahl habe sich somit auf fast 30 000 erhöht. Für den Versorger ergibt sich damit das Problem, am Markt nun für viel Geld Gas-Kontingente nachkaufen zu müssen. Nur so kann die Nachfrage gestillt werden, sagt der Gasuf-Chef.
Wie gehen die regionalen Gasversorger mit Preiserhöhungen und Tarifwechseln um?
Obwohl Gasuf und ähnliche Grundversorger stets betonen, langfristig und damit günstiger Gas einzukaufen, kommen auch sie um Preiserhöhungen nicht herum. Vertriebsleiter Frank Backowies zufolge wird die WVV im Mai die Preise in den Grundtarifen deutlich anheben. Davon sind zwei Drittel der Kundschaft betroffen. Ähnlich ist es bei Gasuf: Dort werden laut Merker – wie schon vor längerem angekündigt – alle Tarife am 1. April um etwa 50 Prozent steigen.
Wegen der aufgeheizten Stimmung am Gasmarkt tun sich die örtlichen Versorger mit Preisgarantien schwer. Gasuf etwa gibt laut Geschäftsführer Merker in den gängigen Tarifen für Bestandskunden keine Versprechen mehr ab. Es sei vielmehr schon gegen Herbst oder Jahresende erneut "eine gewisse Preiserhöhung" zu erwarten.
Schwer tun sich die regionalen Versorger auch mit neuer Kundschaft. Die Stadtwerke Schweinfurt etwa können neuen Kunden nach eigenen Angaben derzeit nur die teureren Tarife der Grund- und Ersatzversorgung anbieten. Man arbeite aber an neuen Produkten für Neukunden.
Die Würzburger WVV, die 35.000 Gaskunden hat, nimmt derzeit wiederum keine weiteren Kundinnen oder Kunden auf. Grund: Es müsste für sie sehr teuer weiteres Gas gekauft werden, sagt Abteilungsleiter Doktorczyk. Das sei nicht vertretbar.
Welche Folgen hat das vorläufige Aus der Pipeline Nord Stream 2 für die Gaspreise?
Das Aus spielt keine wichtige Rolle, ist WVV-Vertriebsleiter Backowies überzeugt. Die von der Bundesregierung jetzt wegen des Ukraine-Kriegs auf Eis gelegte Gasverbindung aus Russland habe eine "rein emotionale" Wirkung auf den Gaspreis. Gravierender sei, dass die in riesigen Kammern gelagerten Gasvorräte in Deutschland so gering wie selten zuvor seien.
Wie Gasuf-Chef Merker weist auch Backowies darauf hin, dass Erdgas aus Russland bislang über mehrere Hauptleitungen nach Deutschland komme. Insofern spiele Nord Stream 2 nicht die Hauptrolle.
Immer wieder wird verflüssigtes und in Tankschiffen nach Deutschland gebrachtes Erdgas (LNG) als Alternative in der Not ins Gespräch gebracht. Das sei zwar grundsätzlich machbar, aber unter anderem wegen der hohen Transportkosten viel zu teuer, meint WVV-Experte Backowies. Sollte sich in Folge der Gasknappheit LNG dennoch etablieren, dann "werden die Gaspreise deutlich höher sein als in der Vergangenheit", ist sich Sprecher Wapki von den Stadtwerken Schweinfurt sicher.
Geht Deutschland bald das Erdgas aus?
Gasuf-Chef Merker antwortet zurückhaltend. Er hoffe nicht, dass es bald kein Erdgas mehr gibt. Entscheidend sei, ob Russlands Machthaber Putin den Gashahn nach Europa zudreht. Er wisse nicht, wie die Bundesregierung die Lücke dann schließen wolle, sagt Merker.
Zuversichtlicher ist Schweinfurts Stadtwerke-Sprecher Wapki: "Wir sehen die Gasversorgung nicht in Gefahr." WVV-Vertriebsleiter Backowies sieht das ähnlich: Er glaube nicht, dass es in Mainfranken im Zuge des Ukraine-Krieges bald kein Erdgas mehr gibt.