Am Wahlabend selbst herrschte noch Unklarheit, einen Tag später ist es offiziell. Neben der CSU-Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber und Linken-Urgestein Klaus Ernst zieht auch Markus Hümpfer (SPD) für den Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen in den Bundestag ein. Zwar unterlag der Schonunger Gemeinderat der CSU-Kontrahentin klar nach Stimmen, über die Landesliste reichte es nun aber dennoch für den Sprung nach Berlin.
Im Gespräch mit der Redaktion zeigte sich Hümpfer am Montagvormittag überrascht und überglücklich. "Ich habe heute morgen um sieben eine Whatsapp-Nachricht bekommen und musste dann erstmal selber nachschauen", so der Schonunger. Er beschreibt seinen Einzug in den Bundestag als "irgendwie unbeschreiblich und ein bisschen surreal". Hümpfer zieht auf Platz 21 der Landesliste in den Bundestag ein.
Was Markus Hümpfer (SPD) in Berlin erreichen will
Schon am Montag machte sich der 29-jährige Industriemechaniker und Ingenieur auf den Weg nach Berlin. Angesprochen auf seine dortigen Ziele betont Hümpfer, sich "erst einmal einfinden" zu wollen. Dann gehe es darum, die Ziele für seine Region sowie die Bedürfnisse des ganzen Landes in den Blick zu nehmen.
Dazu gehörten der gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro, eine Bürgerversicherung, Rente, erneuerbare Energien. Hümpfer nennt ein paar Themen, die ihm und seiner Partei besonders wichtig seien. In seiner Heimatregion wolle er sich vor allem für die Transformation der Automobilzulieferer-Industrie sowie für Maßnahmen gegen den Klimawandel einsetzen. Und eines ist für Hümpfer klar: Die Wählerinnen und Wähler haben entschieden, "die Mehrheit will Scholz als Kanzler".
"Verglichen mit 2017 ist das Balsam für die Seele"
Alles in allem sei es für die SPD ein "sehr guter Wahlkampf mit sehr schönen Ergebnissen" gewesen, sagte der Sozialdemokrat. Er erkenne "einen klaren Regierungsauftrag". Es habe unglaublichen Spaß gemacht, einen Wahlkampf zu führen, in dem die Umfragewerte stiegen, so Hümpfer, der sich auch an andere Zeiten erinnerte. "Verglichen mit 2017 ist das Balsam für die Seele." Und dann wäre da noch sein persönlicher Erfolg, den vor wenigen Monaten auch innerhalb der eigenen Partei wohl kaum jemand erwartet hätte.
Das sorgte für Anerkennung innerhalb der SPD. "Was für eine Nachricht", schrieb etwa Schonungens Bürgermeister Stefan Rottmann auf seiner Facebookseite. "Unser Gemeinderatsmitglied Markus Hümpfer wird in den Deutschen Bundestag einziehen! Wir sind alle wahnsinnig stolz!"
Emotionaler Moment für Weisgerber
Unangefochten holte sich Anja Weisgerber (CSU) zum dritten Mal das Direktmandat im Wahlkreis. Auch wenn sie wie die CSU bayernweit sieben Prozentpunkte abgeben musste. Immerhin: Mit 40,9 Prozent erreichte sie das beste Erststimmenergebnis Unterfrankens und schaffte es in die bayerischen Top-10. Es habe sich gelohnt, bis zuletzt um jede Stimme zu kämpfen, sagte sie am Sonntagabend gegenüber dieser Redaktion. Und man habe es geschafft, mit der "Linksruck"-Kampagne eine rot-rot-grüne Regierungsübernahme zu verhindern. Sie selbst machte sich sich für die Jamaika-Variante mit Union, Grünen und FDP stark. Und so sah es auch die Basis am Sonntagabend in Volkach.
Eine Wahlparty sollte es dort eigentlich nicht werden. Zu einer emotionalen Feier entwickelt sich das Treffen im Pfarrheim aber dann doch. Als Weisgerber den Saal betrat, applaudierten ihr die rund 70 Anwesenden im Spalier. Worte des Dankes richtet die 45-Jährige an Familie, Team und Wahlhelfende. Tränen standen ihr in den Augen – ein emotionaler Moment einer sonst eher ruhigen Veranstaltung.
Skepsis gegenüber der Ampelkoalition
Zu Gunsten des bürgerlich-grünen Bündnisses positionierte sich auch FDP-Direktkandidat Daniel Stark. "Die Jamaika-Koalition wird die Zukunft für Deutschland sein", sagte er. Aber auch eine Ampelkoalition, also ein Bündnis mit SPD, FDP und Grüne, schloss Stark nicht kategorisch aus. "Allerdings könnte es dann an den Themen Steuererhöhung und Schuldenbremse scheitern. Da sind wir nicht dabei." Ziel der hiesigen FDP sei es, dass Ergebnis vom Sonntag weiter auszubauen.
Die Grünen haben wie die FDP zwei Regierungsoptionen. Am Montag äußerte der Schweinfurter Sprecher und Direktkandidat Nicolas Lommatzsch gegenüber dieser Redaktion seine Präferenz für eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP aus. Dies würde aus seiner Sicht den Wählerwillen am besten widerspiegeln. Er sieht seine Partei in der Pflicht, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die Grünen veranstalteten am Sonntag als eine der wenigen Parteien eine lokale Wahlparty, wo man Ergebnisse und Analysen intensiv verfolgte. Auch wenn er sich persönlich mehr Stimmen als die knapp zehn Prozent erhofft habe, so sei er insgesamt zufrieden, sagte Lommatzsch. Man habe 50 Wahlstände organisiert: "so viele wie noch nie". Den Grünen sei es in der Region gelungen, eine Basis aufzubauen, die ihn positiv in die Zukunft schauen lasse.
AfD will ihre Basis verbreitern
Leichte Verluste musste die AfD hinnehmen. Kreisvorsitzender für Schweinfurt-Land, Bernd Schuhmann, nimmt für sich in Anspruch, als Direktkandidat das geringste Minus aller bayerischen AfD-Bewerber zu haben. "Mehr war in der Gesamtkonstellation nicht zu erreichen", sagte er gegenüber dieser Redaktion. Über das Gesamtergebnis seiner Partei sei er indes nicht glücklich: Man habe Wählerinnen und Wähler an Freie Wähler, Basis und CSU verloren. Gewinne bei den Linken habe dies nicht wettgemacht. Die Aufgabe der hiesigen AfD sei es, in den starken Gemeinden Mitglieder zu gewinnen und eine "tragfähige Wählerschaft" aufzubauen.
Klaus Ernst (Linke), der über die Landesliste zum fünften Mal in den Bundestag einzieht, äußerte sich am Sonntag über sein persönliches Ergebnis von 4,2 Prozent Erststimmen "sehr enttäuscht". Man habe die Ursachen für das schwache Abschneiden auf Bundesebene "komplett selbst verschuldet", sagte Ernst. Die Kernthemen, wofür die Linke einst gegründet wurde, habe man als Wählerin und Wähler nicht mehr erkennen können. Über Nacht hatte sich Ernsts Ärger nicht gelegt: Am Montag ging er mit seiner Partei hart ins Gericht, die "kaum noch bei den abhängig Beschäftigten verankert ist, aber jeder Bewegung hinterher läuft", schrieb er auf Twitter. Die Linken seien "abgewatscht" worden.
Ein ordentliches Ergebnis haben die Freien Wähler mit ihrer Kandidatin Andrea Graham hingelegt: 5,0 Prozent Erst- und 5,8 Prozent Zweitstimmen liegen ungefähr im unterfränkischen Mittel. Die erstmals angetretene Basis, der eine Nähe zur Querdenkerszene zugeschrieben wird, liegt im Wahlkreis mit 1,8 Prozent Erst- und 1,6 Prozent Zweitstimmen leicht unter dem bayerischen Durchschnitt.
Mitarbeit: Benjamin Stahl