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Schweinfurt
Hitzige Wortgefechte und ein klares Bekenntnis: So unterscheiden sich die Schweinfurter Bundestagskandidaten
Beim "Heißen Stuhl" des DGB trafen die Kandidaten der Parteien in Rededuellen aufeinander. Welche Meinungen sie bei den Themen Arbeit, Klima und Industrie vertraten.
An Diskussionsstoff zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten von Grünen und CSU, SPD und Volt sowie FDP und Linken fehlte es beim Debattenformat 'Heißer Stuhl' vom DGB im Naturfreundehaus Schweinfurt nicht.
Foto: Anand Anders | An Diskussionsstoff zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten von Grünen und CSU, SPD und Volt sowie FDP und Linken fehlte es beim Debattenformat "Heißer Stuhl" vom DGB im Naturfreundehaus Schweinfurt nicht.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 19.02.2025 02:37 Uhr

Kurz vor Beginn ihrer Debatte beim "Heißen Stuhl" sorgen Anja Weisgerber (CSU) und Stefan Weidinger (Grüne) kurz für einen heiteren Moment. Als Co-Moderator Sven Schröter den IT-Servicemanager auf seine Leidenschaft zum Tanzen des Wiener Walzers anspricht, wird darüber spekuliert, ob ihm wohl am Wahlabend auch zum Tanzen mit dem politischen Gegner zu Mute ist. "Können wir gerne machen", prescht Weisgerber hervor.

Ob das ihrem Parteivorsitzenden Markus Söder gefallen würde? Wohl kaum. Schließlich schossen er und seine Wahlkämpfer in den letzten Wochen mit teils kruden Bemerkungen gegen die Grünen und eine mögliche Schwarz-Grüne Koalition im Bund. Weisgerber jedenfalls ist der Auffassung, Söder könne tanzen. Ob er es auch kann, da sind sich die Gäste an diesem Abend nicht sicher.

Großes Interesse im Naturfreundehaus Schweinfurt

Seit 20 Jahren führt der DGB die Traditionsveranstaltung mit Fokus auf Arbeitspolitik durch. Abgenutzt hat sich das Konzept offenbar aber noch nicht. Rund 170 Gäste kamen zu der beliebten Diskussionsrunde in das Naturfreundehaus Schweinfurt. Nach gewohnter Gepflogenheit lädt der DGB die Direktkandidaten aller im Parlament vertretenen Parteien und Gruppen ein – bis auf die in Teilen als rechtsextrem geltende AfD.

Weil das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), welches wie die Linken derzeit als Gruppe im Bundestag sitzt, keinen Direktkandidaten in Schweinfurt aufgestellt hat und Sabrina Neckov von den Freien Wählern aus Termingründen abgesagt hatte, mussten die Besucherinnen und Besucher stattdessen mit dem Volt-Kandidaten Claus Christ aus Röthlein vorliebnehmen. In drei 30-minütigen Runden traten jeweils zwei Kandidaten in Duellen gegeneinander an. Anschließend stellte das Publikum Fragen.

Stefan Weidinger für Stärkung der Betriebsräte

Den Anfang machten Stefan Weidinger und Anja Weisgerber. Nach einem harmonischen Einstieg entbrannte eine hitzige Diskussion. Moderator Frank Firsching fragte angesichts der drohenden Entlassung von 300 Mitarbeitenden im Kauflandlager Donnersdorf nach mehr Mitbestimmungsrechten für Betriebsräte. Weidinger, selbst sechs Jahre Betriebsrat, befürwortete mehr Mitsprache. Weisgerber, die von der Betroffenheit ihrer Haushaltshelferin bei Kaufland sprach, bekräftigte ihren Einsatz für die Arbeitnehmer im Fall Kaufland.

Fair im Umgang miteinander, dafür hart in der Sache: Die Moderatoren Frank Firsching (Vordergrund) und Sven Schröter sowie die Kandidierenden Michael Mörer (von links, FDP), Markus Hümpfer (SPD), Stefan Weidinger (Die Grünen), Agnes Conrad (Die Linke), Anja Weisgerber (CSU) und Claus Christ (Volt).
Foto: Anand Anders | Fair im Umgang miteinander, dafür hart in der Sache: Die Moderatoren Frank Firsching (Vordergrund) und Sven Schröter sowie die Kandidierenden Michael Mörer (von links, FDP), Markus Hümpfer (SPD), Stefan ...

Die Kündigungen und Werkverträge seien "mehr als fragwürdig" und müssten rechtlich geprüft werden, weshalb die CSU mit dem Management verhandeln wolle. Die Tarifbindung solle europaweit durch steuerliche Anreize und öffentliche Ausschreibungen an tarifgebundene Unternehmen verankert werden – vorausgesetzt, die Anreize reichen nicht aus. Neben Sachsen ist Bayern das einzige Bundesland, welches noch kein Tariftreuegesetz eingeführt hat. Weidinger fordert daher mehr Druck auf Bayern, um Tariftreue zu gewährleisten.

In der Pflege plädierte Weisgerber für klare Arbeitszeiten. Angehörige würden in Bayern durch Pflegegeld unterstützt. Weidinger will die Pflegeheimkosten deckeln und Kapitalerträge in die Sozialversicherungen einfließen lassen. Hierfür strebt er eine Verschmelzung der privaten und der gesetzlichen Bürgerversicherung an, während Weisgerber diesen Ansatz nur prüfen möchte.

Was die Finanzierung betrifft, plädierte Weisgerber für den Erhalt der Schuldenbremse und gezieltere Investitionen. Sie verwies auf das jüngste Förderpaket des Freistaats, in welchem zehn Millionen Euro in die Konversion, fünf Millionen in Start-ups, fünf Millionen in Forschungs- und Wasserstofffeinrichtungen und zehn Millionen zu Schaeffler fließen sollen. Weidinger hingegen will die Schuldenbremse reformieren und mithilfe eines Finanzfonds Direktinvestition ermöglichen, darunter zehn Prozent Beihilfen für Unternehmen, die vor Ort investieren.

SPD will Industrieproduktion in Deutschland halten

Schneller und konstruktiver ging es dagegen bei Markus Hümpfer (SPD) und Claus Christ (Volt) zu. Um Energiekosten zu senken, setzt Christ auf die Verstaatlichung der Stromnetze. Hümpfer unterstützt einen Industriestrompreis und fordert eine Deckelung der Netzentgelte, um energieintensive Firmen zu halten.

Gelingen soll das auch mithilfe der Deckelung der Netzentgelte auf drei Cent die Kilowattstunde, um energieintensive Firmen zu halten. Nach Ansicht Hümpfers müssten auch Windkraftanlagen zu einem gewissen Prozentsatz in Deutschland produziert sowie Aufträge an lokale Unternehmen vergeben werden. Im Unterschied zur SPD möchte Volt die Vergabe und Produktion europäisch denken und auch EU-Firmen in die Anforderungen einbeziehen. 

Einigkeit bei Gesundheit, Unterschied beim Renteneintritt

In der Gesundheit setzt die SPD auf eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Volt möchte Beamte, Selbstständige und Arbeiter gleichermaßen einbeziehen. Beide Parteien fordern eine Reform der Erbschaftssteuer. Die SPD will Investitionen in die Bundeswehr mit Entwicklungszusammenarbeit verbinden.

Justin Rieck wollte von SPD und Volt wissen, ob sie lieber in die Schiene oder die Straße investieren würden.
Foto: Anand Anders | Justin Rieck wollte von SPD und Volt wissen, ob sie lieber in die Schiene oder die Straße investieren würden.

Unterschiede zwischen den beiden Parteien gibt es hingegen bei der Erhöhung des Renteneintrittsalters. Christ plädiert für ein flexibles Alter, gekoppelt an Lebenserwartung und Beruf. Dazu möchte die junge Partei ein staatlich finanziertes Startbudget von Tausend Euro zur Geburt anlegen, das mit Vollendung des 18-Lebensjahrs ausbezahlt wird. Die SPD lehnt das ab. Zudem will Hümpfer die Agentur für Arbeit zu einer Serviceagentur ausbauen, um Menschen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Auf die Frage, ob in Schiene oder Straße investiert werden soll, legt sich Hümpfer nicht fest, während Christ die Schiene stärken will.

Linke positioniert sich als Steuerentlastungspartei 

Im finalen Duell trafen Agnes Conrad (Die Linke) und Michael Mörer (FDP) aufeinander. Die 27-jährige Betriebsratsreferentin lehnt unbezahlte Karenztage und längere Arbeitszeiten angesichts der hohen Belastungen ab. Die FDP will dagegen Menschen, die mehr leisten möchten, unterstützen. Den Mindestlohn möchte Mörer aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen an die jeweilige Region anpassen.

Conrad hält den derzeitigen Mindestlohn von 12,82 Euro für untragbar, genau wie die hohen Wohnkosten, welche sie mit dem Bau von 250.000 Sozialwohnungen senken will. In der Gesundheitsversorgung möchte Conrad die Fallpauschale und damit die Profitorientierung der Häuser abschaffen. Stattdessen sollen Kliniken wieder in die kommunale Hand zurückgeführt werden. Die FDP möchte dagegen mehr Spezialisierung im Klinikbereich. Details nannte Mörer nicht.

Hitzige Wortgefechte und ein klares Bekenntnis: So unterscheiden sich die Schweinfurter Bundestagskandidaten

Steuerpolitisch möchte die Linke vor allem niedrige Einkommen entlasten. Demnach hätten Familien mit einem Jahresgehalt von 40.000 Euro im Jahr mit der Linken 6000 Euro mehr übrig, während hohe Einkommen ab 150.000 Euro stärker zu Kasse gebeten würden, so Conrad. Nach Mörers Ansicht sollte sich jeder von seinem erwirtschafteten Geld leisten können, was er oder sie wolle. Was die Finanzierung betrifft, möchte die Linke an die Vermögen von Millionären und Milliardären ran. Die FDP will dagegen untere Einkommen stärker belasten und bei den öffentlichen Ausgaben – unter anderem bei Ministerien einsparen. 

Bei einer Sache waren sich am Ende aber alle Kandidaten einig: Die Einhaltung der Klimaziele bleibt oberstes Gebot.

 
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  • Bernd Schuhmann
    Wenn man nicht mehr weiter weiß , kommt die Nazikeule heraus.
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  • Hiltrud Erhard
    Schämen Sie sich eigentlich nicht für solche Beiträge?
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  • Manfred Englert
    In der Übersicht der Schnellfragerunde gibt es die Rubrik: Geflüchtete an deutsche (soll vermutlich an deutschen) Grenzen abweisen.

    Diese Frage ist so eindeutig falsch gestellt, denn wenn jemand an der Grenze zu Deutschland Asyl begehrt und sämtliche Dokumente bei sich führt, ist er zunächst legal dort angekommen.
    Zu prüfen wäre nun, woher dieser Begehrende kommt! Denn wenn dieser schon durch Rumänien, Bulgarien, CZ, Polen oder Ungarn und Österreich kommen sollte, scheint irgendetwas nicht zu stimmen.
    Die Zurückweisung an der Grenze käme dann in Betracht, würde dieser Flüchtling keinerlei Ausweispapiere mit sich führen.
    Denn dieses Fehlen verhülfe dem Flüchtenden zu einem Aufenthalt bei guter Alimentation für ca fünf Jahre und länger, weil kein Land der Welt diesen Menschen bei festgestellter Nichtberechtigung mehr aufnehmen würde!
    Hier sieht man eindeutig die Fahrlässigkeit (oder sogar vorsätzlich) im Umgang mit Migranten und welche Parteien dem zustimmen!!
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  • Bernd Schuhmann
    Ausgrenzung findet nur von den selbsternannten Demokraten statt!
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  • Klaus Schröder
    Allwrdings
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  • Klaus Schröder
    Also, beim Thema Ausgrenzung steht ihr weit vor alle anderen Parteien auf Platz eins. Euch wird braune Medaille umgehängt.
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