Wie sich Kämmerer René Borchardt mit dem vorgestellten Haushalt der Stadt Gerolzhofen für das Jahr 2024 und dem Finanzplan bis 2027 fühlt, war ihm während der Stadtratssitzung am Montagabend äußerlich nicht anzumerken. Festmachen ließe sich sein Gemütszustand an der freien Finanzspanne. Das ist das Geld, das der Stadt am Ende bleiben wird, wenn alles so kommt, wie vom Kämmerer berechnet. Die prognostizierten 260.500 Euro sind nicht viel. In den Jahren 2022 und 2023 belief sich die freie Finanzspanne jeweils auf deutlich über eine Million Euro.
Der vom Stadtrat einstimmig verabschiedete Haushalt mit einem Volumen von 27,1 Millionen Euro für Vermögens- und Verwaltungshaushalt (Vorjahr: 32,5 Millionen Euro) ist Spitz auf Knopf gerechnet – und auch auf dem Papier nur dank großer Kreditaufnahmen darstellbar. Dasselbe gilt für den Finanzplan bis zum Jahr 2027.
Die größten Ausgaben kommen erst noch
Aktuell hat die Stadt ziemlich exakt fünf Millionen Euro Schulden. Im Laufe des Jahres könnten knapp 3,5 Millionen Euro an Krediten hinzukommen, um alle Ausgaben zu decken. Dabei schlagen die größten Ausgaben, etwa für Grund- und Mittelschule, eine zusätzliche Kindertagesstätte und den Marktplatz, erst in den Folgejahren voll zu Buche.
Ende 2027 könnte die Stadt laut Finanzplan mit fast 18,6 Millionen Euro verschuldet sein – "aus heutiger Sicht", wie Borchardt einschränkt. Angesichts dieser immensen Summe sieht er es als nötig an, den Stadtrat zu beruhigen: "Ich kann versichern: Wir bleiben weiter handlungsfähig." Zugleich macht er klar: Die Verwaltung sei dieser drohenden Verschuldung verpflichtet, dem Stadtrat Sparvorschläge zu unterbreiten, wie ein Schuldenszenario "in dieser Größenordnung" zu verhindern wäre.
Eine erste Analyse des Haushalts 2024 führt zu folgenden Erkenntnissen:
1. Erkenntnis: Papier ist geduldig
Wenngleich Millionenbeträge erst in den kommenden Jahren aufschlagen werden: Der Vermögenshaushalt 2024, der die Investitionen in Anschaffungen und Projekten abbildet, beläuft sich bereits auf 8,3 Millionen Euro. Doch wie nicht nur Arnulf Koch (CSU) feststellte: Der Blick zurück zeigt, dass die Stadt Jahr für Jahr mehr Ausgaben plant, als sie am Ende tatsächlich tätigt. Sollte dies in diesem Jahr erneut so sein, dürfte der Schuldenberg am Jahresende kleiner ausfallen als berechnet. Dies kann beruhigen, führt aber auch zur Frage, ob künftig nicht von vornherein die aufgeführten Investitionen auf ein realistischeres Maß reduziert werden sollten.
2. Erkenntnis: Steuereinnahmen drücken Schuldenlast
Die geplanten Einnahmen von fast 4,7 Millionen Euro an der Einkommenssteuer und "vorsichtig geschätzt" (Borchardt) Gewerbesteuereinnahmen von vier Millionen Euro – das sind eindeutig die Lichtseiten des verabschiedeten Haushalts. Sie machen allein fast 73 Prozent der auf 11,8 Millionen Euro veranschlagten Einnahmen des Verwaltungshaushalts aus. Der Verwaltungshaushalt bildet, vereinfacht gesagt, alle laufenden Ausgaben der Stadt ab, von Personalkosten bis zum Klopapier. Ohne die sprudelnden Steuern wären die vorgesehenen Ausgaben nicht annähernd vorstellbar.
Doch klar ist: In den Folgejahren werden die – ebenfalls konservativ gerechneten – Steigerungen bei den Steuereinnahmen die drastisch steigenden Ausgaben bei Weitem nicht ausgleichen. Die einfache Rechnung "Mehr Steuern = weniger Schulden" geht folglich nicht mehr auf.
3. Erkenntnis: Segen der Aufsichtsbehörde ist gefragt
Kämmerer Borchardt machte es dem Stadtrat vor der Abstimmung über den Haushalt nochmals deutlich: Das Landratsamt muss dem Haushalt angesichts der Größenordnung der geplanten Neuverschuldung zustimmen. Dass die Behörde die Zustimmung verweigert, damit rechnet Borchardt aber nicht, zumindest nicht für dieses Jahr.
Mit generellen Aussagen dazu, welche Schmerzgrenzen für einzelne Kommunen gelten, tut sich das Landratsamt auf Nachfrage dieser Redaktion schwer. Es handle sich immer um Einzelfallentscheidungen, teilt deren Pressesprecher Andreas Lösch mit. Prognosen zur Entwicklung freier Finanzspannen und zum Kreditbedarf einer Stadt wie Gerolzhofen seien angesichts der Veränderungen, die sich bei der Finanzausstattung der Gemeinden allgemein bereits eingestellt haben und noch erwartet werden, nicht zuverlässig zu treffen. Die Finanzhoheit liege jedoch immer bei der Kommune selbst. Daher gelte: Die Stadt müsse rechtzeitig die "notwendigen und geeigneten Maßnahmen" ergreifen, um, einfach gesprochen, mit dem ihr zur Verfügung stehenden Geld zurechtzukommen. Eine Lösung, wie dies am besten gelingt, liefert die Aufsichtsbehörde freilich nicht.
4. Erkenntnis: Schuldenberg kündigt sich an
Beim Blick auf die vorgesehenen Kreditaufnahmen würde einem schwäbischen Häuslebauer wohl schwindelig werden: 3,5 Millionen Euro in diesem Jahr, 2,6 Millionen Euro kommendes Jahr, nochmals so viel im Jahr 2026 und 4,4 Millionen Euro im Jahr 2027. Damit wüchse der Schuldenstand der Stadt auf bereits genannte 18,6 Millionen Euro. Dahinter stecken viel Hypothesen und Zahlen, die sich bestimmt noch mehrmals ändern werden. Doch fest steht: Die Zeiten sinkender Schulden sind vorerst Geschichte.
Ein Detail im Haushalt 2024 zeigt, dass der Kämmerer trotz allem noch Handlungsspielraum hat. So plant er in diesem Jahr mit gut 1,1 Millionen Euro eine circa viermal höhere Tilgung der Geomaris-Kredite als in den Jahren zuvor. Damit möchte er das Defizit für die kommenden Jahre drücken, sagt er, und Zinssteigerungen bei Anschlussfinanzierungen vorbeugen.
Zugleich zeigt sich: Das städtische Freizeitbad, dessen Wirtschaftsplan 2024 gegen die Stimmen von Martin Zink (Freie Wähler) und Arnulf Koch (CSU) verabschiedet wurde, kostet der Stadt jährlich viel Geld. Das Betriebsdefizit für dieses Jahr ist mit 730.000 Euro veranschlagt. Wenn's ans harte Sparen geht, dürfte das Bad zwangsläufig ins Zentrum der Debatte rücken.
5. Erkenntnis: Kaum Investitionen in die Infrastruktur
Die geplanten Millioneninvestitionen betreffen vor allem Großprojekte. Für den Unterhalt bestehender Straßen, die an vielen Stellen marode sind, sind im Vergleich dazu in den kommenden Jahren nur kleine Beträge im niedrigen fünfstelligen Bereich eingeplant. Auch für den Unterhalt von Kanälen sind, anders als für die Kläranlage, keine nennenswerten Beträge eingestellt. Insoweit hat das Sparen bereits begonnen – bei der Infrastruktur.