
Ist es nun der "große Wurf" und eine "herausragende Verbesserung", wie Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) die Veränderungen im Schweinfurter Bussystem seit dem 1. Januar bezeichnet mit dem Beitritt zum Verkehrsverbund Mainfranken, einem neuen rein digitalen Bezahlsystem namens SWeasy und neuen Linien und Haltestellen? Oder ist es ein "Wirrwarr sondergleichen", eine "Katastrophe" und ein "Imageschaden für den ÖPNV", weil nicht sofort alles reibungslos lief, wie es die Opposition sieht?
Vier Stunden diskutierten die Stadträtinnen und Stadträte am Dienstag nur über das Thema ÖPNV. Auch wenn es formell nicht die geforderte Sondersitzung war, wurde dem Thema Busverkehr so viel Raum gegeben wie selten zuvor einem Thema im Stadtrat. Und so ganz angenehm war der Nachmittag für die Vertreter der Stadtwerke und des Nahverkehrsverbund Mainfranken dann auch nicht.
Die Kritik aus der Bevölkerung über die vielen Neuerungen war in den vergangenen vier Wochen mannigfaltig. Nicht nur in dieser Redaktion haben sich ungewöhnlich viele Menschen gemeldet, sondern auch bei den Kommunalpolitikern. Aus allen Altersgruppen, aus allen gesellschaftlichen Schichten. Die Frage, die über der gesamten Debatte schwebte, ist die, wie man mit dieser Kritik umgeht.
Stadtwerke und Oberbürgermeister gehen auf Kritik der Bürger ein
Von Seiten der Stadtwerke standen der Leiter des Bereichs Personenverkehr, Mirko Hrnjak, und Geschäftsführer Thomas Kästner Rede und Antwort. Vom Nahverkehrsverbund war Christopher Alm zugegen. Sie gingen auf jede der teilweise sehr kleinteiligen Anmerkungen der Stadträtinnen und Stadträte ein, erklärten Hintergründe und gestanden ein, dass sicher nicht alles zum Start optimal gelaufen ist.
Am großen Ganzen will OB Remelé ohnehin nicht rütteln, denn er ist überzeugt, dass es "eine herausragende Verbesserung der regionalen Infrastruktur" ist und vor allem der Verkehrsverbund Mainfranken, der nun drittgrößte in Bayern für gut eine Million Menschen, nichts anderes als "ein großer Wurf" für den ÖPNV in der Region sei.
Der Kritik sei man sich bewusst, so Remelé, auf "konstruktive", wie er betonte, gehe man auch ein. Der OB verwies auf die lange Liste, die die Stadtwerke mitgebracht hatten: Es gibt bereits Anpassungen bei den Schulbussen, es wird Veränderungen bei verschiedenen Linien geben und es werden auch bestimmte Haltestellen wieder geändert.

Stadtwerke-Chef Kästner betonte, es sei klar gewesen, dass es nicht von Anfang an perfekt sein konnte. "Ein Bussystem ist immer ein lebendes System", sagte er und verwies darauf, dass man ständig daran arbeiten werde, zu verbessern und zu verändern. Wichtig sei aber auch, dass die jahrelange Planung für den Verkehrsverbund kein Schnellschuss und vor allem von Fachleuten vorgenommen worden sei.
Mirko Hrnjak erklärte, er sei sich bewusst gewesen, "dass der erste Schuss bei so einer Veränderung nicht sitzen kann." Die ersten Tage "waren für alle sehr anspruchsvoll, für uns wie für die Fahrgäste." Deshalb habe man auch genau beobachtet und schnell reagiert. Durch den Verkehrsverbund sei es möglich, die Themen Pünktlichkeit, Taktung und Umsteigen massiv zu verbessern. Aus seiner Sicht läuft das System täglich besser, insbesondere auch auf das Thema bargeldlose Busfahrten mit SWeasy bezogen.
Opposition sieht die Veränderungen deutlich kritischer
Die Einschätzungen im Gremium, wie gut oder schlecht das neue System nun ist, waren divers. Aus Sicht von Johannes Petersen und Ralf Hofmann (SPD) war vor allem die Kommunikation und Werbung für den neuen Verbund im Vorfeld deutlich ausbaubar. "Viele Bürgerinnen und Bürger scheinen von den Veränderungen überrascht gewesen", konstatierte Johannes Petersen, aus dessen Sicht auch ein "Tarifdschungel" herrscht. Man müsse nun "zügig Veränderungen vornehmen, damit der ÖPNV in Schweinfurt nicht schlechter, sondern besser als vorher wird."
Für Ralf Hofmann "ist es das zentrale Versäumnis, die Menschen nicht mitgenommen zu haben auf dem Weg der Veränderung, denn dadurch haben wir Schaden verursacht."
Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) erklärte, ihr sei noch nie so viel Kritik der Bürger zugetragen worden, wie bei diesem Thema. Sie sprach mehrere Aspekte an. Eines ihrer wichtigsten Anliegen: "Das rein digitale System grenzt Menschen ohne Smartphone aus. Das ist Diskriminierung vor allem älterer Menschen." Aus ihrer Sicht ist ein "Imageschaden für den ÖPNV" entstanden, wenn man sich alle Themen anschaue, die als kritikwürdig empfunden wurden.
Stefan Labus (Freie Wähler) befand, Stadtwerke-Chef Kästner "hätte seine Hausaufgaben besser machen müssen." Hätte es die massive Kritik nicht gegeben, hätte es auch keine so schnellen Verbesserungen gegeben, war er überzeugt.
Frank Firsching (Linke) berichtete von seiner Testfahrt mit dem Bus und den anschließenden Problemen mit der Abrechnung, die zu hoch ausgefallen sei. Er zeigte auch ein Beispiel eines Bekannten, bei dem die digitalen Abrechnungen bei jeder Fahrt im Januar nicht korrekt gewesen sein sollen. Firsching erklärte aber auch, er sei "zuversichtlich, dass es gelingt, die Schwachstellen nachhaltig abzustellen."
CSU und Grüne können die Kritik nicht nachvollziehen
Eine andere Sichtweise zu dem Thema hatten CSU und Grüne, die im Stadtrat seit 2020 eine schwarz-grüne Koalition bilden. Grünen-Fraktionssprecher Holger Laschka erklärte, bezugnehmend auf einige Aussagen im Vorfeld, es sei sicher "kein Desaster, kein Tsunami und es gibt keine Kollateralschäden". Er empfand die Reaktion der Stadtwerke als gut, "wie schnell soll man denn noch sein?".
CSU-Fraktionschef Stefan Funk mahnte wie sein Kollege Bernd Weiß zur Versachlichung der Debatte, "wir sind weit entfernt von einem Skandal." Stefanie Stockinger-von Lackum (CSU) betonte, man könne vor allem den älteren Mitbürgern mehr zutrauen in Sachen Digitalisierung. Sie sah auch keinen Grund, dass sich die Stadtwerke entschuldigen sollten, wie Ulrike Schneider erklärt hatte: "Wofür? Dafür, dass man fortschrittlich ist?"
in Schweinfurt bezahlt man mit SWeasy. Das ist doch nicht kundenfreundlich und umständlich noch dazu.