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Schweinfurt
Veränderungen im Schweinfurter Busverkehr sorgen für Unmut. Arbeiten die Stadtwerke nach?
Die Stadtwerke bekommen viel Frust ab. Die Führung aber sagt: "Wir sind zuversichtlich, dass unsere Fahrgäste das neue System schon bald schätzen."
Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke (links) und Mirko Hrnjak, Bereichsleiter Verkehrsbetrieb, müssen sich mit teilweise massiver Kritik am neuen Bussystem auseinandersetzen. 
Foto: Steffen Saffert | Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke (links) und Mirko Hrnjak, Bereichsleiter Verkehrsbetrieb, müssen sich mit teilweise massiver Kritik am neuen Bussystem auseinandersetzen. 
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 18.01.2025 02:36 Uhr

Zum 1. Januar wurden Taktung, Linienführung, Nummern der Linien, Haltestellen, Preise und Bezahlsystem im Schweinfurter Busverkehr geändert. Das sorgt für Unmut. Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke, und Mirko Hrnjak, Leiter Personenverkehr und Fahrzeugtechnik, äußern sich zur Kritik. 

Haben Sie mit den negativen Reaktionen auf die Änderungen gerechnet?

Thomas Kästner: Die Stadtwerke haben zum Jahresbeginn drei maßgebliche Veränderungen im ÖPNV umgesetzt: Erstens werden durch den Beitritt der Stadt Schweinfurt zum Verkehrsverbund Nahverkehr Mainfranken (NVM) die neuen Tarife und die neue „Wabenstruktur“ des NVM angewendet. Dies bedeutet, dass die Stadtwerke keine eigenen Produkte mehr anbieten und die Tarife nicht mehr eigenständig festlegen können. Zweitens gilt das neue Stadtbusnetz mit neuen Linien, neuen Bushaltestellen und veränderten Abfahrtszeiten. Und drittens wurde auf ein bargeldloses Bezahlsystem umgestellt. Kritik war absehbar. Dennoch sind wir überzeugt, dass die mit großer Mehrheit vom Stadtrat und den Gremien beschlossenen Veränderungen den ÖPNV in Schweinfurt als Teil des Nahverkehrs im NVM deutlich verbessern werden.

Die Kritik an der bargeldlosen Bezahlung erinnert an die Kritik bei der Einführung des e-Tickets mit der Flexikarte 2017, mit der bereits digital eingecheckt und automatisch abgerechnet werden konnte. Heute erhalten wir Rückmeldungen, dass sich viele unserer Kunden den Beibehalt der Flexikarte gewünscht hätten. Dies zeigt, dass sich Neues etablieren kann und akzeptiert wird.

Mirko Hrnjak: Wir waren darauf eingestellt, dass es zu Beschwerden und Nachfragen kommen wird, da ÖPNV immer ein sehr sensibles Thema ist und eine sehr große Personengruppe betroffen ist.

Wie gehen Sie damit um?

Kästner: Man sagt, dass Kritik die höchste Form der Zuneigung ist, die uns zwar nicht schmeichelt, uns aber besser macht. Wir nehmen alle kritischen Rückmeldungen ernst und prüfen sie sorgfältig. Erste kleinere Anpassungen, wie zum Beispiel Verstärkerbusse im Schülerverkehr, wurden bereits umgesetzt. Wir arbeiten an weiteren Anpassungen, um sinnvolle Änderungen, wo möglich, umzusetzen. Wir sind direkt mit Kritik und Problemen vor Ort und in den Bussen konfrontiert. Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den letzten Wochen mit Hochdruck und viel Engagement an der Umsetzung der Veränderungen gearbeitet haben, ist es allerdings manchmal schon hart, den manchmal sehr deutlich geäußerten Frust abzubekommen.

Hrnjak: Wir sind nach wie vor von den Maßnahmen überzeugt, da der Nahverkehrsplan objektive Handlungsempfehlungen gibt, um einen attraktiven und zuverlässigen ÖPNV für alle Fahrgäste sicherzustellen. Der Beitritt zum NVM vereinfacht die Nutzung des ÖPNV durch einen einheitlichen Tarif im Verbund. Das neue Bezahlsystem „SWeasy“ verkürzt die Aufenthaltszeiten an den Haltestellen, verbessert die Pünktlichkeit und entlastet das Fahrpersonal. Das neue Stadtbusnetz umfasst eine verbesserte Linienführung mit Hin- und Rückfahrten auf der gleichen Linie sowie eine einheitliche Taktung. Es ist logisch aufgebaut und greift mit seinen Anschlussverbindungen räumlich und zeitlich ineinander über. Durch die Stärkung des Roßmarkts als zentraler Busbahnhof wird die Innenstadt sehr gut angebunden und damit die Attraktivität unterstützt. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Fahrgäste das neue System schon bald schätzen und nach einer Eingewöhnung mit etwas Stolz auch auf den modernen Stadtbusverkehr in Schweinfurt blicken werden.

Das papier- und bargeldlose Bezahlsystem SWeasy sorgt für Kritik. Hauptkritikpunkt ist das Auschecken am Ende der Fahrt. Kann man hier nachbessern?

Kästner: Das Auschecken ist technisch erforderlich, damit der richtige Tarif entsprechend den Vorgaben des NVM berechnet werden kann. Das System ist für unsere Fahrgäste vorteilhaft, weil keine Waben gezählt werden müssen und bei mehreren Einzelfahrten automatisch nur der Tagespreis als „Bestpreis“ berechnet wird. Bei der Betrachtung ist unbedingt zu berücksichtigen, dass mit SWeasy nur der bisherige Tarif- oder Einmalfahrschein aus Papier ersetzt wird. Nicht betroffen sind Deutschlandticket, Handyticket oder ein Aboprodukt.

Hrnjak: Wir sehen es als Vorteil, dass jetzt niemand mehr vorne beim Busfahrer einsteigen muss und unsere Fahrgäste an jeder Türe ein- und aussteigen können. Gerade für Senioren ist es ein großer Vorteil, weil sie an jeder Tür einsteigen und sich gleich hinsetzen können.  Zusätzlich gibt es nach wie vor die Möglichkeit, sich ein Terminal im Kundencenter anzuschauen und sich die Funktionen dort erklären zu lassen.

Die Kredit- oder EC-Karte zu benutzen, um am Terminal im Bus ein- und auszuchecken empfinden viele Ältere als unsicher. Alternative zum Bargeld, das nicht mehr genommen wird, wäre die Prepaidkarte. Aber die zu bekommen, war nicht einfach. 

Kästner: Das bargeldlose Bezahlen ist mittlerweile flächendeckend etabliert und hat sich als sichere und zuverlässige Zahlungsmethode bewährt. In vielen Städten im Ausland funktioniert das gleiche System im ÖPNV reibungslos und wird von allen Nutzern, einschließlich Senioren, sehr gut angenommen. Wir haben dennoch volles Verständnis für diese Bedenken. Aus diesem Grund bieten wir im Kundencenter in der Wolfsgasse eine Prepaidkarte an. Zum Jahreswechsel gab es bei den Karten Lieferverzögerungen unseres Dienstleisters, die jetzt erfolgreich behoben wurden. 

Hätte man alles besser kommunizieren können?  

Kästner: Wir haben ab Anfang des letzten Jahres mit öffentlichen Kommunikationsmaßnahmen begonnen und diese im zweiten Halbjahr verstärkt. Das umfasste insbesondere Außen- und Innenwerbung in den Bussen, Pressemitteilungen, Pressegespräche, Einbindung des Senioren- und Behindertenbeirats, Informationsbusse am Marktplatz. Wir setzen an den Knotenpunkten derzeit zusätzliches Personal zur Hilfe und Unterstützung ein. An alle Haushalte im Bediengebiet der Stadtwerke wurde zusätzlich eine Sonderausgabe des SWJournals und des Fahrplanbuchs versendet, in dem alle Veränderungen und die neuen Linien und Zeiten anschaulich erklärt werden. Leider ist es durch einen regionalen Dienstleister zu fehlerhaften oder verspäteten Auslieferungen gekommen.

Mit zusätzlichen Bussen wollen die Stadtwerke den Schülerverkehr entlasten.
Foto: Josef Lamber | Mit zusätzlichen Bussen wollen die Stadtwerke den Schülerverkehr entlasten.
Fahrgäste klagen über Verspätungen. Woran liegt das? Was wird getan, um das zu verbessern?

Kästner: Bei jeder Veränderung kann es zu Anlaufschwierigkeiten kommen. Auch die Busfahrerinnen und Busfahrer sowie unsere Fahrgäste brauchen Routine auf den neuen Routen. Wir haben analysiert, dass die Verspätungen zu Beginn des neuen Systems zwar spürbar waren, mittlerweile aber deutlich abgebaut werden konnten. 

Hrnjak: Wir behalten die Situation im Blick, prüfen Rückmeldungen zu den geänderten Haltestellen und analysieren, ob und wie Optimierungen möglich sind – stets unter Berücksichtigung der Vorgaben des Nahverkehrsplans. Wie auch schon beim alten Fahrplan wird es laufende Weiterentwicklungen geben. Ich werbe um Verständnis, dass es in den ersten Wochen an der einen oder anderen Stelle noch quietschen kann.

Was sagen sie jemandem, der sauer ist, weil zum Beispiel "seine Haltestelle" weg ist? 

Hrnjak: Wir erleben von einzelnen Kundinnen und Kunden die subjektive Erwartungshaltung, dass „meine Haltestelle“ und „meine Linie“ nicht verändert werden sollen. Als Verkehrsbetrieb müssen wir auf Grundlage des geltenden Nahverkehrsplans aber das große Ganze im Blick haben, das heißt, das gesamte Netz und seine Fahrgastströme betrachten und auch die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten. Jede Busminute mehr, die beispielsweise auf einer Schleifenfahrt entsteht, um eine bestimmte Haltestelle anzubieten, kostet sehr viel Geld – und zwar für alle Fahrgäste. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Fahrgast bei der Verlegung einer Haltestelle einen längeren Fußweg hat, für einen anderen Fahrgast sich der Weg aber verkürzt.

Herr Hrnjak, Sie sitzen selbst oft am Steuer eines der Stadtbusse. Wünschen sie sich außer Geduld jetzt bei der Umstellung noch etwas von den Fahrgästen? 

Hrnjak: Etwas mehr Rücksicht auf die Mitfahrerinnen und Mitfahrer. Der Sonderbereich für Kinderwägen und Rollatoren wird oft unsachgemäß besetzt. Diesen Bereich freizuhalten, ist eine Hilfe, vor allem für die Älteren. Ich sehe auch oft, dass junge Leute ihren Rucksack auf den Sitz neben sich stellen oder ihn auflassen, wenn sie im Gang stehen – so wird es anderen schwerer gemacht, durchzukommen und einen Bus– zum Beispiel im Schülerverkehr–optimal auszulasten.

 
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Kommentare
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  • Marc Stürmer
    Selbstkritik sieht anders aus. Ich hätte als Minimum eine Entschuldigung für das Desaster bei den Prepaidkarten erwartet.

    Plus für die idiotischen Entscheidungen bei den Haltestellenverlegungen, weg von Häuschen hin zu einfachen Masten. Nur wenig konnte im Vorfeld verhindert werden.
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  • Roland Albert
    An alle, die es hier nicht auf die Kette bekommen, dass sowas wie funktionieren könnte:
    Macht ein Praktikum in den Niederlanden. Da bekommt ihr gezeigt, wie ÖPNV und auch das mitfahren funktioniert. Ich war letztes Jahr dort und war verwundert, erstaunt und angenehmst überrascht, wie das dort funktioniert.
    Aber auch an alle, die glauben, dass auf sie Rücksicht genommen werden muss…
    Das läuft dort auch anders, da macht einfach jeder mit.
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  • Thomas Diener
    Viele Antworten sind einfach nur Floskeln und zeigen das auf die Bedürfnisse älterer
    und vielleicht auch hilfsbedürftiger Menschen in den Panungen keine Rücksicht genommen wurde . Man hat das Gefühl die reden und entscheiden alle nur , aber wissen gar nicht was sie tun !
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  • Wie so oft. Ältere Menschen und jene mit Einschränkungen haben Probleme mit zu fahren. Das fängt schon bei der Buchung
    an.
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  • Günther Fuchsenberger
    Brigitte SA: Sie sind für Diskriminierung und Ausgrenzung derer,die kein Smartphon besitzen verantwortlich!
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  • Hartmut Bach
    Das System kann eigentlich gar mit funktionieren. Der 30 min Takt gibt 25 min für hin und Rückweg vor, der Bus kann nur 11 min zuverlässig in eine Richtung fahren, das ist zu wenig Zeit für die gegebenen Entfernungen. Sofort zurück zum alten System und sich was neues überlegen. Wenn die beiden Herren von ihrem neuen System überzeugt sind, müssen es halt andere Leute machen.
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  • Guido Spahn
    Die Busse fahren früher ab und kommen später an, zu spät!
    Ich hatte die ganze Woche Schüler, die mindestens 10 Minuten später zum Unterricht gekommen sind! Wenn Stegreifaufgaben oderSchulaufgaben anstehen ist das auch schulorganisatorisch höchst problematisch und mit unnötigen Sonderaufwand verbunden!
    Busfahrpläne müssen bedarfsgerecht ausgerichtet sein am Unterrichtsbeginn und -ende der Schüler. Wo ist die Schnittstelle zwischen Schulen, Stadtwerken und ÖPNV? Gute Arbeit für gutes Geld! Die Planung erscheint mir an den tatsächlichen Bedürfnissen vorbeizugehen! Ich selbst habe als Gemeinderatsmitglied in Poppenhausen diese Woche zum Thema „Busfahrpläne“ mehr als 25 kritische Nachrichten mit nachvollziehbaren Klagen erhalten! Meine eigene Tochter kann diese Woche mehrfach zu spät zum Unterricht, obwohl die Busse früher abfahren! Das Umsteigesystem von Oberwerrn nach Kronungen und Kützberg ist unpraktikabel.
    Für Senioren bestehen kaum Chancen, mitzuhalten!
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