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Schweinfurt
Empörte Reaktionen auf Umstellungen im Schweinfurter Busverkehr: "Ich könnte heulen!"
Der Artikel über die erste Fahrt mit dem neuen Bussystem sorgte für Reaktionen. Viele sehen massive Verschlechterungen. Vor allem das Zahlsystem sorgt für Unmut.
Die geänderten Buslinien und Taktungen in Schweinfurt sorgen für Ärger. Vor allem das Auschecken am Terminal stellt Ältere vor Probleme.
Foto: Daniel Peter | Die geänderten Buslinien und Taktungen in Schweinfurt sorgen für Ärger. Vor allem das Auschecken am Terminal stellt Ältere vor Probleme.
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 14.01.2025 02:35 Uhr

Bus: Das ist derzeit das Thema in Schweinfurt und Umgebung. Seit 1. Januar gibt es, wie berichtet, Änderungen: neue Preise, Taktung, Linienführung, Nummern der Linien, Haltestellen, Zahlsystem. Mit Bargeld kann nun kein Ticket mehr im Bus gekauft werden.

Stadt und Landkreis haben sich aber auch dem Nahverkehrsverbund Mainfranken (NVM) angeschlossen. Und das hat Vorteile. Man kann zum Beispiel, zeitlich begrenzt bis Ende September, für neun Euro hin und zurück von Schweinfurt nach Würzburg fahren, mit Stadtbus und Zug. Doch das ist für eine große Zahl von Menschen, die den Stadtbus nutzen, kein Trost. Sie sprechen von massiven Verschlechterungen. Es gibt aber auch einige positive Äußerungen. Das Familienticket sei jetzt zum Beispiel günstiger. "Für mich gibt es fast nur Vorteile", schreibt ein Gochsheimer. Auf seinen Fahrten nach Schweinfurt habe er viele positive Rückmeldungen gehört. 

Doch viele, vor allem Ältere, sind getroffen, weil die Tickets teurer sind und sie eh schon aufs Geld schauen müssen.  Viele sind verzweifelt, weil sie nicht mehr fit genug sind, um an einer nunmehr weiter entfernten Haltestelle einzusteigen. Sie kritisieren das neue papier- und bargeldlose Bezahlsystem SWeasy, sie fühlen sich unsicher. Das ist eine grobe Zusammenfassung der Reaktionen auf unseren Artikel "Fazit nach erster Fahrt im geänderten Busverkehr in Schweinfurt: Ich werde jetzt wieder öfter das Auto nehmen". 

"Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem neuen Nahverkehr in Schweinfurt", hatten wir gefragt und dazu auch am Dreikönigstag die Möglichkeit geboten, anzurufen. Die Reporterin war überrascht, wie viel Leute anriefen. Sie sprach die kompletten drei Stunden pausenlos mit vor allem älteren Leuten. Das Handy, auf das die Anrufe weitergeleitet wurden, zeigt 70 verpasste Anrufe an. Es konnten einfach nicht alle zu Wort kommen.

Auschecken ein Problem

Aus den Gesprächen und Zuschriften kristallisiert sich ein Hauptproblem heraus. Man muss jetzt, sofern man kein Deutschlandticket oder eine Monats/Jahreskarte hat, beim Ein- und Aussteigen an einem Terminal im Bus seine EC - oder Kreditkarte, sein Handy oder eine Prepaidkarte hinhalten. Checkt man ein, aber nicht mehr aus, wird automatisch die Fahrt bis zur Endhaltestelle berechnet, was aktuell einem Preis von 3,90 Euro entspricht, heißt es.

Da jetzt auch Fahrgäste hinten einsteigen können, ergibt sich für Leute mit Rollator oder Stock eine schwierige Situation. "Alles rennt hinten rein, da nimmt doch keiner Rücksicht", sagt eine  88-jährige Rollator-Benutzerin. Sie hat Angst, zu stürzen. Und wie andere, fühlt sie sich nicht wohl dabei, eine EC-oder Kreditkarte in der Hand zu halten, im Gedränge. Sie will die Karte nicht verlieren. Die 88-Jährige hatte Glück. Sie schaffte es, eine Prepaidkarte zu bekommen. Damit ist aber trotzdem das Problem mit dem Auschecken am Fahrtende nicht gelöst. Ihr Fazit: "Eine Katastrophe. Da kannst Du nur den Kopf schütteln". 

Prepaidkarten schwer zu bekommen

Stichwort Prepaidkarte. Eine 85-Jährige ist am 27. Dezember extra aus Schonungen zum Roßmarkt gefahren, um sich bei den Stadtwerken eine zu holen. Aber es gab keine mehr. Sie muss alles erledigen, wenn ihr Mann in der Tagespflege ist. Jede zusätzliche Aufgabe ist eine Belastung.  Am Schalter hat man ihr geraten, doch jemanden aus der Familie vorbeizuschicken. "Ich bin mutterseelenallein hier", sagt sie. Ob sie jetzt Verwandtschaft aus Garmisch bitten solle, für sie zu den Stadtwerken zu fahren?   

Eine 82-Jährige beginnt das Gespräch mit "Ich möchte mich mal bei der Stadt bedanken." Das ist ironisch gemeint. Sie, ihr Mann und ihr Vater haben bei der Stadt gearbeitet. Zusammen gut 100 Jahre. "Und jetzt kriegen wir so einen Tritt in den Arsch." Mit dem Wegfall der Flexikarte kostet eine Fahrt jetzt 2,40 Euro statt 1,70. Für sie eine Katastrophe. Viermal im Monat zur Gymnastik, ab und an in die Stadtbücherei oder sich mit Freundinnen in der Stadt treffen. Das könne sie sich nicht mehr leisten. "Und da heißt es immer, man soll soziale Kontakte pflegen. Ich könnte heulen!"

Unmut über verlegte Haltestellen

Haltestellen sind ein großes Thema. Mehrere Schonunger rufen an. Am Kreuzbergring gibt es keine Haltestelle mehr. Eine gehbehinderte Frau, die es zu Fuß gerade bis dorthin geschafft hat, ist resigniert. "Dann muss ich halt daheim sitzen."  Deutschhofbewohner ärgern sich, dass der Bus nicht mehr am Marktplatz hält. Gartenstadt-Bewohner sind sauer, weil sie nicht mehr direkt zum Friedhof fahren können. "Eine Weltreise" sei jetzt angesagt. 

Oft angesprochen wird der Wegfall der Haltestelle "Friedrichstraße" in Schweinfurt, in der Nähe von "Kaufland". Auf beiden Straßenseiten gab es eine Haltespur und ein Wartehäuschen, eine Ampel sorgte für Sicherheit beim Überqueren. Die neue Haltestelle 'Am Kreisel' besteht nur aus einem Schild. Die Fahrgäste warten auf Platten, die auf den Grünstreifen gelegt wurden.

Viele sagen, sie wollen wieder mehr mit dem Auto fahren

Aufs Auto umsteigen, weniger Bus fahren: Das nehmen sich auch viele vor. "In der Vergangenheit nahm ich oft den Bus, aber jetzt ist das so kompliziert, dass auch ich nur noch zum Auto greife", schreibt eine Schweinfurterin. "Im Bekanntenkreis steigen alle bisherigen Flexicard-Benutzer wieder auf das Auto um, was doch eigentlich nicht Sinn der Sache ist", schreibt eine "langjährige, früher begeisterte Stadtbusnutzerin, inzwischen nur noch enttäuscht". 

Was ein weiteres Problem für viele ist: Mit der neuen Taktung müssten sie weitaus eher losfahren, um wie bisher um 8 Uhr auf der Arbeit zu sein. Auch hier heißt das Ergebnis: Aufs Auto umsteigen. Eltern aus dem Landkreis berichten, dass die Kinder jetzt erst später oder gar nicht mehr nach der Schule in Schweinfurt heimfahren können und dazu noch umsteigen müssen. 

Was viele nervt: Die Technik scheint noch nicht perfekt zu funktionieren. Auschecken seit öfter nicht möglich gewesen. "Ich zahle doch nicht mehr, nur weil die das nicht hinkriegen", sagt eine Frau, die in Zukunft mehr Auto fahren will. 

Ein Schweinfurter spricht wohl allen aus dem Herzen: "Es fällt mir schwer, diesen Umstellungen etwas Positives abzugewinnen. Aus meiner Sicht gibt es einen erheblichen Bedarf an Nachbesserungen, um den Busverkehr wieder kundenfreundlich und attraktiv zu machen."

Nicht wenige Anrufer nehmen die Bus-Änderungen zum Anlass, über den Stadtrat und den Oberbürgermeister zu schimpfen. "Wie können die so was absegnen?", fragt eine Frau. Eine Oberndorferin, die jetzt keine Haltestelle mehr in der Nähe hat, würde dem Oberbürgermeister gerne mal ihren Rollator leihen und ihn damit zum Einkaufen eines Sixpacks Wasser schicken. "Damit er mal sieht, wie das ist."   

 
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  • Christof Bretscher
    Der öffentliche Nahverkehr tritt den Beweis an, dass seine Verantwortlichen wohl eher keine Ahnung davon haben, in welche Hard -und Softwareprobleme sie mit der Einführung ihrer digitalen Neuheiten führen - für Kunden und sich selbst.Sie beherrschen sie nicht mal selbst.Durchblick? Eher nicht. Die gleichzeitige komplette Abschaffung von eTicket, Fahrkarten und Bargeld in SW beweist diese Unfähigkeit. Ich halte den Ausschluss von Bargeld als Bezahlmittel im Bus oder wenigstens an einer Fahrkartensäule ohnehin für illegal. Ein - und Aussteigen mit Ein -und Ausschecken bei hohem Fahrgastaufkommen ist ein Problem insbesondere für Menschen mit Behinderung. Die zeitgleiche Umstellung von Linienführungen und Fahrplänen tut das ihre dazu, ebenso die Erhöhung aller Fahrtarife. Über zum Teil schlampige Aufstellung von neuen Bushaltestellen wurde mehrfach berichtet. Den Zusammenschluss mit NVM finde ich gut. NB: Höchstpreis in SW 4,20€ bei 3 Waben?
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  • Heiko Kuschel
    Ich verstehe sehr gut, dass das mit dem Auschecken für viele ungewohnt ist. Aber: Es geht in so vielen Ländern auf der ganzen Welt. Ich bin öfters in den Niederlanden im ÖPNV unterwegs. Die haben so ein System für (fast) alle Verkehrsmittel im ganzen Land. Bisher brauchte man dafür noch die "OV-Chipkaart", nach und nach geht das aber, wie in Schweinfurt, einfach mit der Bankkarte. Und selbst in überfüllten Trams gibt es da keinen Stau am Ein- und Ausgang. Auch ältere Menschen kommen damit zurecht. Vielleicht ist es auch ein bisschen Gewöhungssache?
    Ich will überhaupt niemandem absprechen, dass das neue System ungewohnt ist. Aber eigentlich denke ich: Eine Karte an ein kleines Gerät halten ist doch viel einfacher als Münzen aus dem Geldbeutel holen und passend zahlen?
    Das mit den verlegten Haltestellen und einigen Kinderkrankheiten des neuen Systems ist eine ganz andere Sache. Aber da scheinen die Stadtwerke ja auch zu Änderungen bereit zu sein, wie z.B. in Sennfeld am Rempertshag.
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  • Marc Stürmer
    Das Problem ist hier doch weniger das Auschecken. Das lässt sich übrigens mit einem Kartenhalter, den man um den Hals tragen kann, sehr einfach lösen.

    Das eine Problem ist, dass die Stadtwerke den Bedarf an Prepaidkarten total unterschätzt hat, daher gab es zu wenig auf Lager und dazu noch nur in einer Verkaufsstelle. Die OV-Chipkaart in den Niederlanden dagegen bekommt man überall!

    Entweder hätte man hier früher in den Verkauf gehen müssen, oder aber mit mehreren Verkaufsstellen, wie z.B. mit Läden wie vielleicht Papier Schmitt, Tankstellen und Supermärkten.

    Das andere Problem ist die Verlegung von Haltestellen, ohne die Benutzer darüber zu informieren. Man schaue sich nur mal an, was in Sennfeld am Rempertshaag für ein Unsinn geplant war. Das konnte durch Druck rechtzeitig verhindert werden, aber einiger anderer Unsinn wurde verwirklicht!

    Und ich glaube kaum, dass die Stadtwerke hier noch nachbessern, weil es gab ja vorher keinen Druck.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    "Wie können die sowas absegnen?"

    Die Antwort ist mMn einfach: sowas kratzt keine/n Dienstwagenbenutzer/in.
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  • Anita Kaltenbach
    Kosten für den Stadtbus im Bereich der Wabe Stadt Schweinfurt: Praxistest 1: habe meine Verkehrswege zusammengefasst und eine Tageskarte genutzt. Dafür gibt es 2 Wege: die NVM-App oder die ec-Karte und das Lesegerät im Bus. Zugegeben: an das Aus-checken im Bus muss man denken. Das ist man nicht gewohnt. Ich habe die Busverkehrs-Hotline gefragt, was passiert, wenn man das mal vergessen hat, aber über das Wegeprofil das ggf. nachvollziehbar wäre. Antwort am Telefon: schreiben Sie sich auf, wie sie gefahren sind und verhandeln Sie mit uns bei Bedarf. Am Anfang sind die Stadtwerke großzügig. (Habe ich allerdings noch nicht ausprobiert. Lösungsvorschlag für Senioren, die öfter vom Hochfeld in die Stadt fahren (z. B. wegen Lebensmitteleinkauf ohne Auto): ein 9-Uhr-Monatsticket im Einzelverkauf oder als Abo (außerhalb des morgendlichen Berufsverkehrs) für 20 €. Das könnte auch den Einzelhandel und die Gastronomie sowie die Kinos beleben.
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  • Anita Kaltenbach
    Praxistest zum neuen Verkehrsverbund: via App von Haus zu Haus vom Hochfeld bis nach Coburg. Abfahrt ca. 10 Uhr Ankunft Bahnhof Coburg 12.28 Uhr und zurück ca. 17.30 und Ankunft 19.30 Uhr. Alles hat mit Anschluss sehr gut geklappt. Übergang vom Bus zur Bahn 20 Min sowohl in Schweinfurt als auch in Bamberg. Gut für Menschen mit Gepäck, Kinderwagen oder Rollator. Preis 9 € von Haus zu Haus. Super ! Damit bin ich zufrieden. Für Menschen ohne Smartphone leider unerreichbar. Sie zahlen z. B. 19 € am Automaten der Bahn im Hbf.
    Da das Ganze neu für mich war, habe ich mich vorher rückversichert, ob ich so nach Coburg komme: Info via Internetseite 1a. Info via Busverkehr -Hotline der Stadtwerke sogar am Freitag Nachmittag gut erreichbar. Info via Verkehrsverbund Mainfranken gut erreichbar und ebenfalls ok
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