Die Schweinfurter Kliniken Leopoldina-Krankenhaus und Krankenhaus St. Josef wollen zukünftig gemeinsam einen Verbund gründen. Warum Leopoldina-Geschäftsführer Jürgen Winter und Martin Stapper, Geschäftsführer der Kongregation der Schwestern des Erlösers als Betreiber des Krankenhaus St. Josef, diesen Weg für den einzig gangbaren halten und welche Sorgen sie sich über den Herbst und Winter machen, schildern sie im Exklusiv-Interview mit dieser Redaktion.
Martin Stapper: Ja, das sind die Rahmenbedingungen, die für alle Kliniken gelten. Es sind die wesentlichen Eckpunkte dabei, und genau das haben wir in den Blick genommen, als wir unsere Kooperationsgespräche für unseren geplanten Verbund aufgenommen haben. Wir glauben, dass die Lösung, für uns alleine weiterzumachen, die schlechteste aller Alternativen ist.
Jürgen Winter: Wir sind im Zeitplan, haben alle acht Projektgruppen an den Start gebracht, und alle Mitarbeitenden, die mitwirken, haben den gleichen Kenntnisstand. Wir hatten Dialogforen in beiden Häusern. Wir merken, wir müssen schnell Antworten liefern, um die Verunsicherung, die in beiden Häusern existiert, baldmöglichst durch konkrete Antworten zu reduzieren.
Stapper: Wir haben den Begriff Bildungs- und Sozialzentrum für das Krankenhaus St. Josef in unserem Prozess verändert in Integriertes Gesundheits- und Bildungszentrum, weil wir gemerkt haben, dass Bildungs- und Sozialzentrum zu sehr in Richtung Altersheim abwich. Wir möchten am Standort St. Josef hochmoderne Medizin liefern, weil genau dort die ambulante und erweiterte ambulante Versorgung geschehen soll. Ich glaube, dort werden ganz viele Schweinfurter den Erstkontakt mit dem Gesundheitssystem haben. Ganz vielen wird in ambulanten und erweiterten ambulanten Strukturen geholfen werden. Wir haben aber immer die Sicherheit, einen kompetenten Partner wie das Leopoldina mit stationärer Spezialexpertise als Partner, nicht als Wettbewerber, zu haben, um alle medizinischen Fragestellungen innerhalb von Schweinfurt lösen zu können.
Winter: Es wird in den nächsten Jahren einen Konzentrationsprozess geben. Die Krankenhausversorgung wird sich dahingehend ändern, dass eine Vielzahl bisher stationär erbrachter Leistungen ambulant gemacht werden. Es wird weniger Krankenhäuser geben, ein flächendeckender Konzentrationsprozess. Die investiven Mittel, die der Freistaat zur Verfügung stellt, sind begrenzt, und deshalb hat es Sinn, in Schweinfurt gemeinsam ein gutes, zukunftsfähiges Konzept zu entwickeln.
Stapper: Ausgangspunkt ist auch die seit Jahrzehnten in der Bundespolitik durchaus berechtigte Vermutung, dass die stationären Kapazitäten in Deutschland, was die Zahl der Betten und Krankenhäuser betrifft, zu hoch sind. Das kann man durchaus teilen. Die Streitfrage ist, wie viel man runter gehen muss, um es bezahlen zu können. Die Rahmenbedingungen für uns, um Qualität leisten zu können und Leistungen überhaupt erbringen zu dürfen, sind in den letzten Jahren immer enger geworden. Wir glauben, dass das an zwei Standorten parallel erbringen zu können, kaum möglich sein wird. Deswegen versuchen wir, Leistungen in Schweinfurt zu halten, um sie nicht an beiden Standorten zu verlieren. Deshalb müssen wir miteinander reden.
Winter: Wir denken, dass wir gemeinsam mit einem Zentralkrankenhaus und einem Standort, der verstärkt ein ambulantes Angebot vorhalten wird, am Ende des Tages mehr für die Stadt, den Landkreis und die Region Main-Rhön bieten.
Winter: Wir verfügen über mehrere positive Rückmeldungen, und es wurde dezidiert erklärt, dass wir mit unserer Planung ins Schwarze getroffen haben, die Politik in Bayern das möchte. Wir haben auf Vermittlung des Stimmkreisabgeordneten Gerhard Eck demnächst auch ein Gespräch mit dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek, bei dem wir ihm die Pläne vorstellen.
Winter: Ein bundespolitisches, wobei die Vertreter der Krankenhäuser darüber streiten, wem es am schlechtesten geht (schmunzelt). Klar ist, dass Bayern oder Baden-Württemberg mehr geben als andere Bundesländer. Bei allen Sanierungsmaßnahmen gibt es immer auch einen hohen Eigenanteil des Trägers. Da sprechen wir schnell von 30 bis 35 Prozent der Kosten. Das ist, wenn man es genau nimmt, so im Gesetz nicht vorgesehen. Da steht, dass die Investitionen in das Krankenhauswesen primär durch die Bundesländer erfolgen müssen. Zudem können und wollen wir den Eigenanteil nicht zu Lasten der medizinischen Qualität und unserer Mitarbeitenden aus den Fallkostenpauschalen erwirtschaften. Die hierfür notwendige Rendite lässt sich im kommunalen Kontext und unserem Verständnis von Daseinsvorsorge nicht erwirtschaften.
Stapper: Wenn man von unseren jetzigen Bauten ausgeht und den Bedarf zusammenrechnet, sprechen wir für beide Standorte von 400 bis 500 Millionen Euro Investition. Wir erwarten, dass in einem gemeinsamen Investitionsplan weniger Mittel notwendig sind, weil man sie zielgerichteter verteilt. Aber wir reden schon von einem gehörigen Volumen.
Winter: Derzeit haben wir eine bemerkbare Anzahl Mitarbeitende in Quarantäne. Die meisten Patienten waren nicht wegen Corona im Krankenhaus, sondern mit. Unsere große Sorge ist, dass es uns die Personalausfälle auch im Herbst und Winter schwer machen, den Regelbetrieb aufrecht zu erhalten.
Stapper: Es ist bei uns vergleichbar. Zehn bis 20 Prozent unserer Intensivkapazität ist derzeit durch Corona-Patienten belegt und ist in den letzten Wochen kontinuierlich angestiegen. Wir erwarten am Ende der Sommerferien mit den Urlaubsrückkehrern, dass da wieder mehr kommt und auch unsere Mitarbeiter betroffen sind. Sehr gut funktionieren die Absprachen unserer beiden Krisenstäbe. Wir sprechen uns zum Beispiel bei der Anpassung von Besuchsregeln oder Besuchsverboten eng ab, damit es in Schweinfurt ein einheitliches Verfahren gibt.
Winter: Ganz entscheidend ist, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen ausläuft und, dass es zu keinem Vollzug in den nächsten Monaten kommt.
Winter: Der Punkt ist, dass die allgemeine Impfpflicht gescheitert ist. Es ist aus meiner Sicht nicht mehr vertretbar, dass das nun nur im Gesundheitswesen aufrechterhalten wird. Wir sind auf unsere Mitarbeiter angewiesen, damit wir weiterarbeiten können. Die Mitarbeiter in den Krankenhäusern waren nie die Treiber der Pandemie und sind es jetzt auch nicht. Nach den Regeln, die derzeit für die gesamte Gesellschaft gelten, kann man die Mitarbeiter in Krankenhäusern nicht sanktionieren, wenn sie sich nicht impfen lassen wollen.
Winter: Ich finde zumindest, dass es zum jetzigen Zeitpunkt überdacht werden muss und auf keinen Fall verlängert oder sanktioniert werden darf.
Stapper: Ich wünsche mir von der Bundespolitik auch mehr Planbarkeit. Wir wissen jetzt noch nicht, wie wir im Herbst reagieren sollen. Wir haben zwar unsere bewährten Mechanismen, aber es gibt zu wenig Vorgaben. Da sind wir mit Kindergärten und Schulen in einem Boot, sollten aber doch gelernt haben. Wir fordern über unsere Verbände auch für 2023 einen Budgetausgleich für zu wenig behandelte Patienten. Wir haben den Auftrag, pandemische Fälle zu behandeln, dafür brauchen wir aber auch wirtschaftliche Sicherheit.
Winter: Die Politik hat während der Pandemie gesehen, was Krankenhäuser leisten können. Wir waren eine verlässliche Größe. Es wurde aber auch eine Erwartungshaltung bei den Mitarbeitenden geschürt, weil gesagt wurde, dass vermeintliche Unzulänglichkeiten was den Arbeitsplatz Krankenhaus anbelangt verbessert werden. Ich erwarte, dass es da Entscheidungen gibt. Was will man sich zukünftig leisten, wo geht es hin in der Krankenhauslandschaft? Das ist man unseren Mitarbeitenden schuldig, denn es gibt sehr viel Unsicherheit. Man hat sie beklatscht, doch es wird klar, dass es keine Bereitschaft der Mitarbeitenden für ein weiter so wie vor der Pandemie gibt. Es braucht klare Vorgaben und die Perspektive, dass der Arbeitsplatz Krankenhaus kein Arbeitsplatz ist, dessen Zukunft immer mehr Patienten in kürzerer Zeit bei noch weniger Kosten ist. Daran muss sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach messen lassen. Leider habe ich bis jetzt wenig davon gehört.
Winter: Es braucht ganz dringend einen vollständigen Ausgleich, wir können das nicht gegenfinanzieren. Wir gehen davon aus, dass unsere Energie- und Stromkosten von 1,9 Millionen Euro jährlich auf bis zu fünf Millionen Euro im nächsten Jahr steigen. Das ist in unserem System nicht gegenfinanzierbar, denn wir können und wollen nicht zu Lasten der Medizin, Patienten oder Mitarbeiter einsparen. Nach unserem jetzigen Kenntnisstand sind wir die Letzten, die bei Erdgasmangel abgeschaltet werden. Und natürlich ruhen wir uns auf dieser Aussage nicht aus und haben eine Kampagne für Energiesparmaßnahmen begonnen. Das Thema Nachhaltigkeit ist für unsere beiden Häuser ein wichtiges Thema.
Stapper: Bei uns ist es ähnlich. Das Krankenhaus konnte bisher wirtschaftlich für sich selbst sorgen, das Szenario ist jetzt da. Ich verstehe nicht, warum die Politik beim Thema Energiekosten für die Krankenhäuser so lange auf sich warten lässt. Es braucht belastbare Signale.
Winter: Nein. Aber es gibt mit den Stadtwerken Gespräche über die Anbindung an das Fernwärmenetz.
Winter: Ich denke, man muss ambulante und stationäre Altenpflege von der Pflege im Krankenhaus unterscheiden. Für das Gesundheitswesen gibt es deutlich mehr Bewerber als bei der Altenpflege. Der Fachkräftemangel in der Gesundheitspflege ist nicht so dramatisch wie in der Altenpflege, was auch an der Bezahlung liegt. St. Josef hat 75 Ausbildungsplätze, wir haben in unserer Berufsfachschule gemeinsam mit Haßfurt über 200 Ausbildungsplätze. Alleine für das Leopoldina-Krankenhaus haben wir 180 Ausbildungsplätze im Bereich Pflege. Ich denke, wir machen unsere Hausaufgaben ganz gut.
Stapper: Die Berufsfachschule ist eines der Erfolgsmodelle für die Pflege. Wir machen seit Jahren allen Absolventen ein Übernahmeangebot, was auch fast alle annehmen. Wir haben im Leopoldina und im Krankenhaus St. Josef zwei Tarifverträge, die faire Bedingungen liefern und einen Rahmen, in dem man arbeiten kann. Es ist nicht das Geld, das für den Beruf motiviert, sondern die Arbeitsbedingungen, die Teamarbeit, die Zufriedenheit und die Balance zwischen berechtigtem Freizeit- und Familienbewusstsein und den Arbeitsphasen. Da sind wir schon relativ weit. Für mich ist es notwendiger, darauf zu schauen, wo man besser werden kann, als auf die Integration von ausländischen Pflegekräften aus Übersee zu setzen. Wir setzen darauf, zukünftig gemeinsam im Verbund ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.