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Schweinfurt
Zwei Jahre Corona in Schweinfurt: Was das mit den Menschen am Krankenhaus St. Josef gemacht hat
Verschnaufpausen wie im August 2021 waren die Ausnahme: 22 Tage ohne einen einzigen Covid-Patienten im Josefskrankenhaus. 730 Tage Pandemie haben Spuren hinterlassen.
Am 11. März 2020 wurde in Schweinfurt der erste Coronafall bestätigt. Seitdem bestimmt die Pandemie den Alltag. Auch im Krankenhaus St. Josef.
Foto: Anand Anders | Am 11. März 2020 wurde in Schweinfurt der erste Coronafall bestätigt. Seitdem bestimmt die Pandemie den Alltag. Auch im Krankenhaus St. Josef.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 09.02.2024 12:21 Uhr

Es ist der 11. März 2020, als das Gesundheitsamt Schweinfurt die ersten beiden Coronafälle in Stadt und Landkreis bestätigt. Der Beginn einer Ausnahmesituation, die zwei Jahre das Leben der Menschen bestimmen wird, weltweit. Die Angst, die Unsicherheit – sie prägen die Anfangsphase der Pandemie, auch im Krankenhaus St. Josef.

Weltweit weiß niemand viel über das neue Virus, über die Gefahr, derer man sich aussetzt, im direkten Kontakt mit Infizierten. Wie groß ist das Risiko für die eigene Gesundheit, die der Familie? Manche ziehen sich zurück, sogar aus dem familiären Umfeld, mieten sich irgendwo ein, um bloß nicht das Virus mit nach Hause zu bringen.

Wer in einem Krankenhaus arbeitet, ist zwangsläufig mittendrin im Herzen der Pandemie. Dort, wo Hilfe gebraucht wird, Kontakte unabdingbar sind. Strenge Hygienekonzepte schützen, erschweren aber auch die Arbeit. Minuten braucht es, um die Schutzkleidung anzuziehen. Mal eben nach Patienten schauen ist unmöglich.

Stundenlang wird durchgearbeitet, ohne Pause, ohne Trinken, mit Maske, Schutzkleidung, Visier. Und alles, was gebraucht wird, ist knapp. Die Krankenhäuser schließen für Besucher, zeitweise ist nicht einmal bei Sterbenden der Zugang erlaubt. Das und die Verzweiflung der Angehörigen, dass man den Trauernden nicht helfen kann, hat viele Mitarbeitende traumatisiert, sagt Schwester Lydia Wießler.

Schwester Lydia Wießler, Ordensbeauftragte am Krankenhaus St. Josef.
Foto: Kathrin Kupka-Hahn | Schwester Lydia Wießler, Ordensbeauftragte am Krankenhaus St. Josef.

Sie ist Ordensbeauftragte, am Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt, sozusagen die Schnittstelle zwischen dem Träger, der Kongregation der Schwestern des Erlösers, und den Mitarbeitenden, außerdem Teil der Klinikleitung. Gemeinsam mit dem stellvertretenden Leiter der Intensivstation, Dr. Elmar Wiesner, stellt sie sich der Frage: "Zwei Jahre Pandemie, was hat das mit uns gemacht?" Beide geben einen intensiven Einblick in den Alltag der Mitarbeitenden am Krankenhaus – auf das, was sie belastet, aber nicht ausgebrannt hat, wie sie sagen.

Dr. Elmar Wiesner, stellvertretender Leiter der Intensivstation am Krankenhaus St. Josef.
Foto: Kathrin Kupka-Hahn | Dr. Elmar Wiesner, stellvertretender Leiter der Intensivstation am Krankenhaus St. Josef.

Denn eines, sagt Dr. Wiesner, hat Corona auch geschafft: Die Ausnahmesituation über zwei Jahre hinweg hat das Team noch enger zusammengeschweißt, gezeigt, dass man sich innerhalb der einzelnen Bereiche gegenseitig hilft, wenn es knapp wird. Auch wenn der persönliche Kontakt nach Feierabend aus Sicherheitsgründen ebenso ausgefallen ist wie Feiern und Treffen der Belegschaft.

790 Menschen arbeiten im Krankenhaus St. Josef. 730 Tage inzwischen im Ausnahmezustand. Nur wenige Phasen gab es, in denen man aufatmen konnte. 22 Tage waren das zum Beispiel im August 2021. Für diesen Zeitraum gab es – nach 272 Tagen ohne Pause – keinen einzigen Covid-Patienten im Josefskrankenhaus. Dann kam die nächste Welle.

"Corona hat das Gefühl der Sicherheit ins Wanken gebracht."
Dr. Elmar Wiesner, stellvertretender Leiter der Intensivstation am Krankenhaus St. Josef

Wirklich entspannte Phasen gab es nicht. Was auch mit der langen Verweildauer der Covid-Patienten zu tun hat, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Länger als jeder Patient, jede Patientin aus schlimmen, früheren Influenza-Wellen, sagt Dr. Wiesner. Über drei Monate lag der längste Covid-Fall auf Intensiv. Was ist dann noch von einem Menschen übrig? Der Weg zurück ins Leben ist nicht leicht, aber möglich, sagt der Mediziner und erzählt von einem Mann, der lange auf Intensiv lag und das Team später besucht und sich bedankt hat.

Arbeiten bis an die Belastungsgrenze: Die schlimmsten Phasen in der Corona-Pandemie

Einer von den schönen Momenten. Der bewegendste jedoch, der beiden in Erinnerung bleibt, ist der Fall eines Mannes in den 40ern. Er musste invasiv beatmet werden, lag lange auf Intensiv. Als er dann, als es ihm besser ging, von Pflegekräften hinaus gefahren werden konnte, zum Eingang des Krankenhauses, dort seine Familie, seine beiden kleinen Kinder wieder sehen, umarmen konnte, dieses Bild, dieses Gefühl hat sich bei beiden, dem Arzt und der Ordensbeauftragten, eingebrannt. Und nicht nur bei ihnen.

Fotoserie

Doch es gab auch die dunklen Momente der Pandemie. Die 27 Prozent Tote unter den Covid-Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation. Die Arbeit bis an die Belastungsgrenze und manchmal darüber hinaus. Die zwei schlimmen Phasen 2020 und dann wieder im November 2021, in denen neun von zehn Intensivbetten von Corona-Patienten belegt waren, man in andere Häuser verlegen musste, für jeden entlassenen Patienten gleich ein neuer eingeliefert wurde und man sich mit dem Thema Triage auseinandergesetzt hat, auch wenn es nie Wirklichkeit werden musste.

"Viele sind daran auch gewachsen."
Schwester Lydia Wießler, Ordensbeauftragte am Krankenhaus St. Josef

Zwei Jahre Corona im Krankenhaus St. Josef waren für viele körperlich wie psychisch belastend, darin sind sich Schwester Lydia Wießler und Dr. Wiesner einig. Aber "viele sind daran auch gewachsen", haben entdeckt, was wirklich wichtig ist, sagt die Ordensschwester. Auch das habe die Pandemie uns gelehrt: das Leben zu schätzen. Als ausgebrannt erlebt sie die Mitarbeitenden nicht. Im Gegenteil. "Das Berufsethos ist noch gewachsen", der Wunsch, Menschen helfen zu wollen.

Der Blick vor den Lockerungen ist optimistisch: "Jetzt geht es aufwärts"

Der Umgang mit dem Virus und seinen Folgen ist routinierter geworden, die echte Wende, mehr Sicherheit, habe die Impfung gebracht, beschreibt es Intensivmediziner Wiesner. Die Belastung sei nicht mehr extrem, aber immer noch da. Jetzt hofft er auf eine Phase, in der man "wieder mal Luft holen kann", darauf, dass sich die Situation stabilisiert und wieder mehr möglich ist.

Auf der anderen Seite stehe die Befürchtung, dass alles wieder kippen könnte. "Corona hat das Gefühl der Sicherheit ins Wanken gebracht", auch bei den Profis wie Dr. Wiesner. Am Ende bleibt kurz vor dem geplanten Ende der tiefgreifendsten aller Corona-Maßnahmen in Deutschland am 20. März aber die Hoffnung, die Schwester Lydia Wießler so formuliert: "Jetzt geht's aufwärts", zurück ins Leben. Auch wenn manches anders ein wird.

Aktuell versorgt das Krankenhaus St. Josef fünf Covid-Erkrankte auf Intensiv, 35 auf Normalstation, Tendenz steigend. Viele werden heute nicht wegen, sondern mit einer Covid-Infektion eingeliefert. Bis heute (Stand 10. März) haben sich in Stadt und im Landkreis insgesamt 39 331 Menschen mit dem Coronavirus angesteckt, so die Zahlen des Gesundheitsamtes Schweinfurt. 25 606 kamen aus dem Landkreis, 13 725 aus der Stadt. Die Zahl der Todesfälle beziffert das Gesundheitsamt auf 329; 190 Verstorbene lebten im Landkreis, 139 in der Stadt Schweinfurt.

 
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  • M. B.
    Das Gesundheitsamt meldet heute 43 Erkrankte, die im Krankenhaus behandelt werden. Davon sind wohl 40 im Josef Krankenhaus.
    Demnach hätte das Leo nur 3 Patienten? Niemals - wurde doch diese Woche erst berichtet, dass das Leo Patienten sogar verlegen muss.

    Liebe Mainpost - deckt doch mal die echten Zahlen auf, die das Gesundheitsamt, wie so vieles verschönt. Es wird mehr als Zeit, dass dort endlich mal eingegriffen wird.
    Kontaktpersonen aus einem Haushalt wurden auch nach einer Woche nicht kontaktiert und können sich demnach nicht testen lassen - die 7 Tage Inzidenz weißt nur Werte von max. 5 Tagen aus und auch bei den Patienten im KKH wird verheimlich.

    In SW läuft im Gesundheitsamt fast alles falsch und das auch noch nach 2 Jahren Pandemie!!!
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  • K. B.
    Die Zahl derjenigen, die in den Krankenhäusern behandelt werden müssen, bezieht sich bei der Meldung des Gesundheitsamtes Schweinfurt immer nur auf Personen aus Stadt und Landkreis Schweinfurt. Tatsächlich werden in den Häusern aber natürlich auch Menschen aus den Nachbarlandkreisen behandelt. Das erklärt den scheinbaren Widerspruch. Viele Grüße, Katja Beringer
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