Beim Bau des Hotels "Wilder Mann" geht nichts voran. Auch die vom Bauunternehmer gegenüber dem Stadtrat abgegebene Zusicherung, in der siebten Kalenderwoche vor Ort mit den Arbeiten zu starten, wurde nicht eingehalten. Den ganzen Februar über und auch während der ersten Märzwoche hat sich nichts getan an der Breslauer Straße. Und erneut hat die Bauherrin Fristen, die der Stadtrat gesetzt hatte, verstreichen lassen. Am Montag wird sich der Stadtrat deshalb erneut mit dem Bauprojekt befassen. Wie wird er diesmal reagieren? Kommt es zur Eskalation?
Rund fünf Jahre lang stand der Traditionsgasthof am Marktplatz bereits leer, als der Unternehmer und Gerolzhöfer Stadtrat Rainer Krapf im Jahr 2018 das Gebäude und das sich südlich anschließende Areal von Peter Wolf jun. kauft. Während eines offiziellen Pressetermins im Dezember 2018 wird das geplante Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt: In einem 110-Betten-Hotel sollen unter der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt Unterfranken künftig Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammenarbeiten. Über sechs Millionen Euro möchte dafür die Krapf Immobilien GmbH & Co. KG mit Geschäftsführer Rainer Krapf an der Spitze investieren. Schon im Sommer 2020 soll das neue Hotel den Betrieb aufnehmen, heißt es während des Pressetermins.
Baugenehmigung zieht sich hin
Im Jahr 2019 durchläuft das Großprojekt die verschiedenen Baugenehmigungsphasen. Bauvoranfrage und dann auch der Bauantrag werden mehrmals intensiv im Stadtrat diskutiert. Im März 2019 gibt es erste Arbeiten auf dem Baugrundstück: Bäume werden gefällt und Büsche entfernt. Danach kehrt wieder Ruhe ein. Auch nach Monaten liegt die Baugenehmigung nicht vor. Noch im Oktober 2019 verlangt das Landratsamt Schweinfurt vom Stadtrat Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans. Der Stadtrat stimmt auch hier zu. Rainer Krapf gibt sich optimistisch, nun mit den Arbeiten für die Tiefgaragen-Bohrpfähle beginnen zu können. Bis Ende 2019 möchte man damit schon fertig sein, so dass Anfang 2020 der eigentliche Bau beginnen kann.
Dann kommen die Archäologen
Doch wie bei Bauarbeiten im Altstadtbereich üblich, nehmen jetzt Archäologen auf Weisung des Landesamts für Denkmalpflege das "Wilder-Mann"-Areal genauer unter die Lupe. Die Ausgrabungen und wissenschaftlichen Untersuchungen, die die Bauherrin zu zahlen hat, ziehen sich über Wochen hin. Erst ab Februar 2020, noch während die Archäologen tätig sind, können die Bohrpfähle gesetzt werden.
Anfang März 2020 findet auf der Baustelle der offizielle Spatenstich mit zahlreichen Ehrengästen statt. Dabei gibt Krapf bekannt, die ursprünglich geplante Hoteleröffnung im Spätsommer oder Frühherbst 2020 werde sich nicht halten lassen. Krapf erwartet die Eröffnung des Hotels nun für Ende 2020.
Grabenschule muss gesichert werden
Als die Bohrpfähle für die Tiefgarage gesetzt sind, verlangt die Stadt von der Krapf Immobilien GmbH & Co. KG, dass das Fundament der Grabenschule an der Westseite – dort, wo die Einfahrt zur Tiefgarage gebaut wird – erst mit Beton unterfangen und gesichert wird. Diesem Wunsch kommt die Bauherrin nach.
Doch danach kehrt für mehrere Monate Ruhe ein auf der Baustelle. Die für Ende 2020 angekündigte Eröffnung des Hotels ist unmöglich zu realisieren. Die Gerüchteküche in der Stadt beginnt allmählich zu brodeln. Gibt es Finanzierungsprobleme bei der GmbH und kommt das gesamte Projekt gar zum Erliegen? "Nein", sagt der Bauherr Rainer Krapf Ende November, "denn im Januar 2021 geht es weiter."
Monatelang herrscht Ruhe
Doch im Januar 2021 passiert entgegen der Ankündigung nichts. Dann rücken im April 2021 einige Maschinen an, um den Aushub für die Tiefgarage vorzunehmen. Danach ist wieder Ruhe. Ende Mai soll der große Kran in der Breslauer Straße gestellt werden, heißt es schließlich von Seiten der Bauherrin. Doch wieder passiert nichts. Die Stadt zeigt sich zunehmend irritiert und erteilt die Weisung, dass die Absperrgitter in der Breslauer Straße wieder weg müssen.
Als Gründe für den langen Stillstand nennt Geschäftsführer Rainer Krapf im August 2021 unter anderem den eklatanten Baustoffmangel und die explodierenden Preise. Aktuell beziffert er die aufgelaufenen Mehrkosten auf 300 000 Euro. Am Ende, so Krapf, soll das Hotel möglichst nicht mehr als 6,4 bis 6,5 Millionen Euro kosten.
Es soll wieder weitergehen
Ende September, Anfang Oktober 2021 sollen die Bauarbeiten aber auf jeden Fall weitergeführt werden, kündigt Krapf an. Je nach Witterung könnten die Bauarbeiten dann den Winter über weitergehen, so dass das Hotel im Spätherbst 2022 fertiggestellt ist. Doch es tut sich wieder nichts auf der Baustelle. Stadtrat und Bauverwaltung werden zunehmend ungeduldig.
Wie lange will die Krapf Immobilien GmbH die umliegenden öffentlichen Flächen noch besetzen, ohne dass es sichtbare Fortschritte am Bau gibt? Im November 2021 diskutiert der Stadtrat deshalb in nichtöffentlicher Sitzung über "verschiedene rechtliche Konstellationen" rund um die Baustelle. Die GmbH bekommt eine Frist gesetzt: Sollte bis zum 31. Januar 2022 der Bau noch immer nicht begonnen sein, werden gleich mehrere Sondernutzungserlaubnisse von städtischen Flächen widerrufen. Und die GmbH muss diese Flächen wieder in den Zustand rückversetzen, den diese vor Beginn der Bauarbeiten hatten. Eine massive Drohung mit durchaus weitreichenden wirtschaftlichen Folgen für die Bauherrin.
Die Frist verstreicht
Doch auch die Frist am 31. Januar 2022 verstreicht, ohne dass sich an der Baustelle etwas gerührt hätte. Die GmbH macht auch keine Anstalten, die öffentlichen Flächen zu räumen. Eine Woche nach dem Fristablauf kommt am 7. Februar der Stadtrat zusammen. Man geht davon aus, dass das Gremium weiter auf die Räumung der öffentlichen Flächen pochen wird.
Doch wenige Stunden vor Sitzungsbeginn ist bei der Stadt eine Mitteilung des beauftragten Bauunternehmers eingegangen. "In der kommenden Woche", also ab dem 14. Februar, würden die Arbeiten starten, heißt es da. Der Stadtrat lässt sich angesichts dieser Aussage der Baufirma erneut vertrösten und setzt eine neue Frist: Sollte sich nun bis zum 8. März 2022 nichts an der Baustelle tun, muss es danach auf jeden Fall zum Rückbau der Baustellenabsicherung und der Räumung und Wiederherstellung des Pausenhofs kommen.
Ankündigung wurde nicht eingehalten
Inzwischen ist klar geworden, dass auch die Ankündigung des Bauunternehmers nicht gestimmt hat. Den ganzen Februar über und auch während der ersten Märzwoche hat sich weiterhin nichts getan an der Breslauer Straße. Einen Tag vor Ablauf der jüngsten Frist tritt der Stadtrat nun am kommenden Montag, 7. März, wieder zusammen. Die Sitzung beginnt zunächst um 18.30 Uhr mit einem nichtöffentlichen Teil. Nach Informationen dieser Redaktion soll dabei der Bauleiter des Hotelprojekts dem Stadtrat Rede und Antwort stehen. Erst gegen 20 Uhr wird dann die Öffentlichkeit zugelassen.
Ein Bauprojekt mit Außenwirkung
Grundsätzlich ist es natürlich eine rein private Entscheidung, wenn ein Investor eine angefangene Baustelle einfach für Monate oder Jahre ruhen lässt. Das hat die Öffentlichkeit normalerweise nicht zu interessieren. Beim Hotelbau "Wilder Mann" ist es aber etwas anderes. Denn das Projekt hat gravierende Auswirkungen auf die Nachbarschaft, sei es die Grundschule oder die angrenzenden Gewerbetreibenden.
Die Stadt Gerolzhofen ist eng verwoben mit der Baustelle, denn die Krapf Immobilien GmbH hat einen hohen Bedarf für die (vorübergehende) Nutzung von öffentlichen Flächen. Die Liste ist lang:
- Es braucht einen großen 50-Meter-Kran, der auf einigen Parkplätzen im Bereich der Breslauer Straße platziert werden soll. Dort sind aber schon jetzt Stellflächen weggefallen, weil die Straße durch den Bauzaun enger geworden ist.
- Wenn der große Kran in Betrieb ist, würde tagsüber die Straße komplett gesperrt.
- Wird die Breslauer Straße gesperrt, soll die Einbahnstraßen-Richtung in der oberen Bürgermeister-Weigand-Straße gedreht werden.
- Der Parkplatz unterhalb der Grabenschule würde komplett für Container und Baumaterial benötigt.
- Der Pausenhof der Schule wird schon jetzt komplett beansprucht: für den zweiten Kran und als Lagerplatz. Ein Teil des Pausenhofs ist sogar ausgebaggert, weil ein unterirdischer Technikraum für die Tiefgarage später unter dem Pausenhof auf städtischem Grund liegen soll.
- Der gepflasterte Gehweg auf der Ostseite der Breslauer Straße ist gesperrt, etwa die Hälfte des Wegs wurde abgebaggert.
Stadtrat war stets aufgeschlossen
Der Stadtrat stand bislang allen Forderungen der GmbH aufgeschlossen gegenüber. Teilweise wurden sogar extra eigene Sitzungen einberufen, wenn die GmbH verkehrsrechtliche Genehmigungen beantragt hatte, die sie später dann aber doch nicht nutzte. Von allen Fraktionen wurde der Nutzen, der ein großes und modernes Hotel mit Tagungsmöglichkeit für die Stadt bringt, stets deutlich höher eingeschätzt als vorübergehende Beeinträchtigungen, die die direkte Nachbarschaft, die Schule und die sonstige Bürgerschaft durch den Bau hinnehmen müssen.
Die Stimmung kippt
Ein Großteil des Stadtrats gab sich deshalb bislang nachsichtig. Doch die Stimmung im Gremium kippt allmählich. Arnulf Koch (CSU) beispielsweise formulierte es jüngst so: Wenn man jetzt auf die Wiederherstellung der städtischen Flächen poche, bedeute dies wohl den endgültigen Sargnagel für den Hotelbau, zumindest unter der Regie der Krapf Immobilien GmbH & Co. KG. Aber irgendwann müsse auch mal Schluss sein mit den ständigen Vertröstungen und Wortbrüchen.
Der Stadtrat muss in der ganzen Angelegenheit auch auf seine eigene Reputation aufpassen. Denn die öffentliche Diskussion nimmt zunehmend die Frage in den Blick, ob das Gremium auch so wohlwollend und langmütig entschieden hätte, wenn der GmbH-Geschäftsführer kein Mitglied des Stadtrats wäre.
Es dürfte also spannend werden am kommenden Montag im Stadtrat.
Ist die Baustelle nicht gleich neben der Grabenschule?
Wenn ja, wo sind die Eltern der Schüler?