
Irmgard Memmel ist 64 Jahre alt. Sie hat eine schwere Operation hinter sich und ist deshalb auf Hilfe angewiesen. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt war auf die Schnelle kein Platz in einem Pflegeheim zu bekommen. Da erfuhr sie, dass in einer Senioren-Wohngemeinschaft (WG) ein Platz frei war. Den nahm sie und sie hat es nicht bereut, wie sie selbst heute sagt. In der WG "Schwalbennest" in Mellrichstadt erhalte sie die notwendige Pflege, Unterstützung in Haushaltsdingen und darüber hinaus die Gesellschaft der anderen Bewohnerinnen und Bewohner.
Senioren-Wohngemeinschaften werden für immer mehr ältere Menschen eine Option. Sei es, weil sie sich noch zu aktiv für eine vollstationäre Pflegeeinrichtung fühlen, aus Kostengründen oder weil sie eine familienähnliche Gemeinschaft suchen. Auch im Landkreis Rhön-Grabfeld gibt es mehrere solcher Angebote. Eines davon ist die Wohngemeinschaft "Schwalbennest" in Mellrichstadt. Hier leben aktuell fünf Frauen und ein Mann unter einem Dach. Wie ihr Alltag aussieht, konnte diese Redaktion bei einem Besuch erfahren.

Mittelpunkt der Wohngemeinschaft ist der große Gemeinschaftsraum. In dem befinden sich die Küche, ein großer Esstisch und eine Sitzecke. Hier werden die Mahlzeiten eingenommen und hier trifft man sich, wenn man Gesellschaft sucht. Wie in WGs üblich, hat jeder Bewohner sein eigenes Zimmer. Das von Irmgard Memmel ist groß und hell. Eingerichtet ist es mit ihren eigenen Möbeln, ausgenommen das Pflegebett. Zu den gemeinsam genutzten Räumen gehören noch zwei Bäder und eine kleine Waschküche mit Waschmaschine und Trockner.
Wie sieht der Tagesablauf in der Senioren-WG "Schwalbennest" aus?
Der Tag im Schwalbennest beginnt mit dem gemeinsamen Frühstück. Um die Mahlzeiten kümmert sich der Pflegedienst Peschke in Mellrichstadt. Diesem obliegt nicht nur die Pflege, sondern auch die Hauswirtschaft. Nach dem Frühstück helfen die Seniorinnen und Senioren beim Tisch abräumen.

Anschließend wird je nach Gusto verfahren. Entweder geht es aufs Zimmer zurück, nach draußen in den Garten beziehungsweise zum Spazierengehen oder zum Einkaufen. Es wird Zeitung gelesen oder Besuch kommt vorbei. Beim Mittagessen sieht man sich dann wieder. Der Rest des Tages verläuft ähnlich wie der Vormittag.
Um Kochen, Wäsche und Putzen kümmert sich der Hauswirtschaftsdienst
Cilly Gessner arbeitet als Hauswirtschafterin beim Pflegedienst Peschke. Im "Schwalbennest" ist täglich von 9 bis 15 Uhr eine Hauswirtschaftskraft vor Ort. Sie übernimmt das Kochen, die Wäsche und das Putzen. Die 63-Jährige findet das WG-Modell "richtig gut". Als sie anfangs davon gehört hat, habe sie gedacht: "Das kann nicht funktionieren." So viele verschiedene Charaktere unter einem Dach. Aber es klappe gut. Man müsse jedoch noch ein bisschen fit sein. Schließlich sei nachts keiner da.
Es gehe familiär zu, so Cilly Gessner. "Es wird auch mal gestritten und sich wieder vertragen." Mal sei man halt besser und mal schlechter drauf. Dem pflichtet die 81-jährige Bewohnerin Irmgard Markert, die seit sieben Jahren im Schwalbennest lebt, bei: "Es ist auch mal etwas. Hauptsache, danach ist wieder alles gut."
Die Bewohner erledigen auch den ein oder anderen Handgriff selbst
Dem schließt sich Yvonne Essiger an. Sie arbeitet als Pflegekraft beim Pflegedienst Peschke. In einer WG habe man doch noch etwas mehr Privatsphäre als in einer stationären Einrichtung. Am Vormittag kümmere sich von 7.30 bis 11.30 Uhr eine Pflegekraft um die WG. Sei es mit pflegerischen Aufgaben oder mit Einkäufen. Am Nachmittag und am Abend sei man dann nochmals vor Ort, zum Waschen, Medikamente verabreichen oder Thrombosestrümpfe ausziehen. "Wir können uns relativ viel Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner nehmen", sagt die 48-Jährige. Das sei ein Vorteil.
Bevor Cilly Gessner um 15 Uhr geht, bereitet sie noch das Abendessen vor und stellt es in den Kühlschrank. Die Bewohner holen sich dann das Essen selbst und räumen auch das Geschirr in die Geschirrspülmaschine.

"Wer helfen will, kann sich auch mit betätigen", betont Irmgard Memmel. "Als ich im Januar hierherkam, war ich klapperdürr", erinnert sie sich. "Ich wog keine 50 Kilo mehr. Alle wollten mich aufpäppeln." Das sei ihnen auch gelungen. Zehn Kilogramm habe sie inzwischen zugenommen. "Ich fühle mich hier sehr wohl und gut aufgehoben." Das einzige, was sie vermisse, sei ein eigenes Bad.
Gesellschaft bei den Mahlzeiten und Rückzugsmöglichkeit im eigenen Zimmer
Frieda Manger ist mit 95 Jahren die älteste Bewohnerin der WG. Sie dreht noch jeden Tag draußen eine Runde mit dem Rollator. "Bei Wind und Wetter", ergänzen die Mitbewohner. "Ich bin arg zufrieden", sagt die Mühlfelderin. Alle seien nett und das Essen sei gut. Es sei schön, bei den Mahlzeiten Unterhaltung zu haben. Die Zeit dazwischen verbringe sie auch gerne auf ihrem Zimmer.
"Wir werden gut betreut und wenn man Hilfe braucht, ist jemand da", meint auch Irmgard Markert. Dass man Gesellschaft habe, sei schon ein großer Vorteil. Wie Frieda Manger, genießt aber auch sie gerne die Ruhe in ihrem Zimmer.
Das sieht die 89-jährige Lisa Kästner ebenfalls so. "Wir sind nicht mehr die Jüngsten. Wir brauchen Ruhe." Insgesamt sitze man aber immer wieder zusammen – bei schönem Wetter gerne auch draußen. "Wir unterhalten uns und spielen miteinander." Mensch ärgere dich nicht, Memory oder Domino.
Nachts steht eine 24-Stunden-Bereitschaft parat
Was ist, wenn nachts Hilfe benötigt wird? "In der Regel kommen wir allein klar", erzählt Irmgard Memmel. "Wenn doch etwas sein sollte, haben wir alle einen Notfallknopf." Diesen bedient der Malteser Hilfsdienst, der den Notruf dann an den Pflegedienst Peschke weiterleitet, der eine 24-Stunden-Bereitschaft hat.
"So lange wir können, passt es sehr gut", meint Lisa Kästner. Es sei schön, dass man noch mit ein paar kleinen Handgriffen im Haus helfen könne. "Jeder kennt den anderen mit seinen Eigenheiten und weiß, wo man Rücksicht nehmen muss", ergänzt Irmgard Markert. Dann lasse man den- oder diejenige einfach in Ruhe. "Wie in einer Familie."