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Mellrichstadt
Pflegebauernhof und betreute WGs: In Rhön-Grabfeld laufen mehrere Bestrebungen zur Abmilderung des Pflegenotstandes
Bedarf und Bestand der pflegerischen Versorgung im Landkreis Rhön-Grabfeld. Wie regionale Maßnahmen zur Stärkung der Pflegesituation aussehen könnten.
Funktioniert ambulante Pflege zu Hause? Im PflegeÜbungsZentrum PÜZ in Mellrichstadt können  Pflegebedürftige und Angehörige dies im Rahmen eines bis zu dreiwöchigen Aufenthaltes testen.
Foto: Samuel Becker | Funktioniert ambulante Pflege zu Hause? Im PflegeÜbungsZentrum PÜZ in Mellrichstadt können  Pflegebedürftige und Angehörige dies im Rahmen eines bis zu dreiwöchigen Aufenthaltes testen.
Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:55 Uhr

Gegen Ende des vergangenen Jahres gab Sabine Wenzel-Geier, Leiterin des Pflegestützpunktes Rhön-Grabfeld und zuständig für kommunale Pflegethemen, im Kreistag einen Überblick über den aktuellen Stand der Pflege im Landkreis. Damit im Zusammenhang steht die sogenannte Pflegebedarfsplanung. Alle fünf Jahre gibt der Landkreis diese an ein externes Institut in Auftrag. Das Institut ermittelt den Ist-Zustand der pflegerischen Versorgung und den möglichen Bedarf in den nächsten Jahren. 2023 steht die Planung erneut an. Mit Ergebnissen ist im nächsten Jahr zu rechnen. Gegenüber dieser Redaktion erläuterte Wenzel-Geier das Themenfeld.

Sabine Wenzel-Geier leitet den Pflegestützpunkt Rhön-Grabfeld und ist im Landkreis für Pflege-Themen zuständig.
Foto: Sigrid Brunner | Sabine Wenzel-Geier leitet den Pflegestützpunkt Rhön-Grabfeld und ist im Landkreis für Pflege-Themen zuständig.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden 2019 20 Prozent aller Pflegebedürftigen in Deutschland vollstationär in Heimen versorgt. 24 Prozent werden zu Hause mithilfe eines ambulanten Pflegedienstes betreut und der mit Abstand größte Teil - 56 Prozent - zu Hause überwiegend durch Angehörige. "Nicht auszudenken, wenn die Angehörigen wegbrechen", sagt Sabine Wenzel-Geier zu diesen Zahlen. Es sei wichtig, die Angehörigen so weit wie möglich zu entlasten. Mit den stationären Möglichkeiten sei diese Lücke nicht zu füllen. "Die Entlastungsangebote für Angehörige müssen verstärkt werden." 

2023 steht eine neue Pflegebedarfsplanung an

In Rhön-Grabfeld gibt es 14 vollstationäre Pflegeheime, 15 ambulante Pflegedienste, vier ambulante Intensivpflegedienste, neun Tagespflegen und fünf ambulant betreute Wohngemeinschaften für Senioren. Mit diesen Zahlen liege der Landkreis im bundesweiten Durchschnitt, erklärt die Leiterin des Pflegestützpunktes. 

Bei der letzten Pflegebedarfsplanung Ende 2018 ermittelte das Institut Modus aus Bamberg für Rhön-Grabfeld bei der vollstationären Versorgung einen Mindestbedarf von 697 und einen Maximalbedarf von 1257 Plätzen. Aktuell liegt der Ist-Bestand bei 888. "Damit befinden wir uns eher beim Mindestbedarf", meint dazu Sabine Wenzel-Geier. Negativ zu Buche schlage hier der Wegfall des Hauses am Kurpark in Neuhaus Ende 2022. 

Nicht auf Reformen der großen Politik warten

Bei der Tagespflege sieht es besser aus. Bei einem Mindestbedarf von 55 und einem Maximalbedarf von 214 Plätzen lag im Oktober 2022 der Bestand bei 155 Plätzen, weitere Tagespflegen sind in Planung. In der ambulanten Pflege erfolgt die Berechnung des Instituts nach Vollzeitkräften. Dem Mindestbedarf von 99,5 und dem Maximalbedarf von 198,8 steht ein Bestand von 168,5 gegenüber.

Was kann man tun, um den Pflegeengpass abzumildern? "Wir können nicht nur auf die große Politik warten, sondern müssen selbst schauen, was zu machen ist." Sabine Wenzel-Geier schätzt die Wahrscheinlichkeit großer Reformschritte in der Pflege als eher gering ein. Sie weist jedoch auch darauf hin, dass Kommunen selbst keine Pflege anbieten, sie würden jedoch die Rahmenbedingungen für bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen gestalten können. 

Ambulant betreute Wohngemeinschaften

Eine Möglichkeit, relativ kurzfristig die pflegerische Versorgung im Landkreis zu verbessern, sieht Wenzel-Geier in der weiteren Schaffung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften (abWG). Hier gebe es durchaus Bestrebungen in den Gemeinden. In den WGs leben maximal zwölf Mieterinnen und Mieter zusammen. Sie wählen selbst den Pflegedienst, die Betreuung oder die Art der Hauswirtschaft. Zwölf Stunden lang ist tagsüber eine Betreuungskraft vor Ort. Derzeit gebe es in Rhön-Grabfeld noch keine WG mit einer Nachtversorgung. Das Amt für Senioren und Menschen mit Behinderung berät Interessierte, die eine solche WG gründen wollen. 

Dezentrale stationäre Pflegeeinrichtungen

Eine weitere Alternative seien dezentrale stationäre Pflegeeinrichtungen, führt Sabine Wenzel-Geier aus. Dabei unterhält ein großer Träger in Gemeinden kleinere Häuser. Darunter könne man sich ein Hausgemeinschaftsmodell mit zum Beispiel drei Wohngruppen à zwölf Bewohnerinnen und Bewohnern vorstellen. Verwaltung, technischer Dienst und Einkauf werden zentral gesteuert. Tagespflege oder ambulanter Dienst seien zusätzlich möglich. Dieses Modell gibt es in Rhön-Grabfeld bislang noch nicht. "Das ist noch Zukunftsmusik", meint die gelernte Pflegewirtin. In anderen Teilen Deutschlands werde das jedoch bereits erfolgreich realisiert. 

Die Idee eines "Pflegebauernhofes"

Was ist in Rhön-Grabfeld bereits geschehen? Seit geraumer Zeit verfolgt Wenzel-Geier die Idee eines "Pflegebauernhofes". Im Mai letzten Jahres fand dazu eine Informationsveranstaltung für Landwirtinnen und Landwirte statt. Unter dem Motto "Bauernhof neu gedacht" wird die Möglichkeit einer Betriebserweiterung von Bauernhöfen um ambulant betreute Wohngemeinschaften vorgestellt. Auch für dieses Projekt gibt es in Deutschland schon Vorbilder. Vielleicht bestehe die Chance, so etwas auch hier im Landkreis zu realisieren, hofft sie. 

Fördertopf "Pflege im sozialen Nahraum"

Mit der bayerischen Förderrichtlinie "Pflege im sozialen Nahraum – PflegesoNahFöR" wird das Ziel verfolgt, die regional ausgerichtete pflegerische Versorgungsstruktur weiter auszubauen, damit pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich zu Hause – in ihrem sozialen Nahraum – bleiben können. Im Landkreis Rhön-Grabfeld haben bereits drei Pflege-Einrichtungen diese Fördermittel mit einem Volumen von 12,7 Millionen Euro insgesamt erhalten. Weitere Einrichtungen planen eine Antragstellung. "Die Förderrichtlinie ist wichtig, um die Pflegeinfrastruktur weiter auszubauen und Anreize für die Träger zu setzen", betont Wenzel-Geier.

Sechs Gemeinden im Landkreis haben bereits ein "Quartiersmanagement". Bei zwei weiteren ist es in Planung. Über ein Förderprogramm wird dabei eine Arbeitskraft finanziert, die sich in einer Gemeinde um alle Belange von Senioren kümmert. Von dem Thema Pflege über Wohnen, Infrastruktur bis zur Teilhabe soll der Verbleib von Pflegebedürftigen so lange wie möglich zu Hause gefördert werden. 

Sicherung von Fachkräften

Die Maßnahmen des Landratsamtes zur Entspannung der Pflegesituation zielen auch auf die Fachkräftesicherung ab. 2019 fand eine erste Veranstaltung zur generalistischen Pflegeausbildung statt - mit dem Ziel, Personal für den Pflegeberuf zu gewinnen. Zu dem Thema existiert ferner eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb des Bäderlandes Bayerische Rhön. Ein Fachnachmittag "Fachkräftesicherung in der Pflege" hat ebenfalls schon stattgefunden.

Unternehmungen mit Schulklassen in den Pflegeeinrichtungen mussten bislang wegen Corona verschoben werden. Im Landratsamt läuft außerdem das Projekt "Jugend, sozial, engagiert", das junge Leute für das Ehrenamt begeistern soll. Geplant ist ferner noch ein Workshop zum Thema Pflege in Rhön-Grabfeld.

"Wir versuchen, das Thema an allen Ecken zu bespielen", sagt Sabine Wenzel-Geier. "Wir müssen schauen, dass es weiterläuft und die professionelle Pflege im Landkreis weiter ausgebaut wird." In Sachen flankierende Maßnahmen wie Beratung, Vermittlung und Vernetzung von Pflegethemen sieht sie Rhön-Grabfeld gut aufgestellt. "Ich glaube, dass wir etwas bewegen können", ist die Pflegewirtin zuversichtlich. 

 
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