
„Uns ist es wichtig, dass die Menschen ihren kompletten Lebensabend hier verbringen können und nicht nochmal umziehen müssen“, sagt Markus Frank , Gründer der Senioren-Wohngemeinschaft Vivo in Bad Brückenau. 2019 erweiterte er sein Unternehmen, das aus einem ambulanten Pflegedienst und einer Tagespflege besteht, „um Kunden nicht zu verlieren und andererseits eine Alternative zum Pflegeheim zu bieten“.
Kompletter Lebensabend, das heißt es können hier fitte Senioren wohnen, aber auch Schwerstpflegefälle, die Pflegegrad fünf haben. „Einerseits ist im Alter Selbstbestimmung ganz wichtig, andererseits ist die Chance, dass die Person irgendwann mehr Hilfe braucht, groß.“ Selbstbestimmung in der Senioren-WG Vivo bedeutet, jeder hat sein eigenes Zimmer, jeder darf das tun, was er machen kann.
Mitbewohnern Leberkäs-Weck holen
„Wir haben einen Herrn, der ein bisschen gelenkt werden muss, aber ansonsten mithilft, wo er kann. Zum Beispiel holt er beim Bäcker ein Leberkäsweckle, wenn ein Mitbewohner nicht nur Milchreis zum Mittagessen essen möchte“, schmunzelt Frank, „die Mitbewohner freuen sich über die Unterstützung und er ist froh, dass er gebraucht wird“.
Durch den angeschlossenen Pflegedienst ist täglich eine Rundumbetreuung möglich, aber „dadurch, dass es Einzelverträge für Wohnen, Betreuung und Pflege gibt, können sich die Bewohner ihren Pflegedienst aussuchen“. Auch ein Teil der Selbstbestimmung. Die zwölf Plätze der Wohngemeinschaft sind komplett belegt, es gibt keine Warteliste.
Der Ursprungsgedanke einer Senioren-WG sei, so Frank, dass eine Gruppe Rentner sich eine Wohnung suche, gemeinsam den Haushalt führe und bei Bedarf Dienste oder Personen als Unterstützung anstelle: „So hat sich der Gesetzgeber das vorgestellt, aber in der Praxis funktioniert das nicht. Die wenigsten Senioren sind so fit, sich das zu organisieren.“ Das ist wohl auch ein Grund, dass Senioren-WG noch nicht so bekannt und verbreitet sind. „Sie sind kein Ersatz für ein Seniorenheim , sondern eine Alternative.“ Und das in einer lockeren, familiären Atmosphäre. „Bisher hat es noch keiner bereut“, lacht Frank.
Keine Vereinsamung
Mit „Kurpension statt Altersheim “ wirbt das Haus Margarete in Bad Brückenau. „Wir haben immer mehr Nachfragen bekommen, ob man hier nicht auch auf Dauer wohnen kann. Da haben wir gesagt, warum nicht?“, erzählt Pensionsinhaber Hans-Joachim Langeworth. Vor 15 Jahren sind die ersten Dauerbewohner eingezogen. Die Entwicklung war positiv, momentan ist kein Zimmer frei.
„Wir betreiben die Pension weiter wie bisher, das heißt, wir versorgen unsere Gäste, machen die Wäsche, das Essen, die Reinigung“, erklärt Langeworth. „Der Unterschied zur Pension ist, dass jeder einen Schlüssel hat und täglich ein Pflegedienst ins Haus kommt.“ Die Gäste können ihr Leben gestalten, wie sie es wollen und bekommen Hilfe, wenn sie sie brauchen. Sie können Fernsehraum, Spielzimmer, Garten und Grillplatz nutzen, trinken mal auf dem Zimmer zusammen ihren Kaffee und kommen zu den Mahlzeiten zusammen. „Es haben sich sogar neue Partnerschaften gefunden“ verrät der Pensionschef.
Hans-Joachim Langeworth verortet seine Kurpension zwischen Pflegeheim und betreutes Wohnen : „Wir sind zwischendrin. Wir nehmen zwar keine richtigen Pflegefälle auf, wenn aber jemand pflegebedürftig wird, setzen wir ihn nicht auf die Straße.“
Die Leistungen des Pflegedienstes werden über die Pflegeversicherung abgerechnet, die Pensionskosten werden nicht öffentlich bezuschusst: „Wir haben den Anspruch, dass man mit einer durchschnittlichen Rente hier leben kann.“ Die Menschen, die ins Haus Margarete kommen, wollen nicht mehr allein leben, aber auch nicht ins Seniorenheim oder betreutes Wohnen : „Hier findet keine Vereinsamung statt. Die Gäste wissen, wenn sie am Mittagstisch fehlen, kommt jemand und schaut nach ihnen.“
Studenten-WG mit Betreuung
In Bad Kissingen gibt es mit der Kissinger Sonne in Garitz seit 2010 eine Senioren-WG. Die lichtdurchfluteten Zimmer sind um einen großen Wohnbereich mit offener Küche angeordnet. Es gibt Regale voller Bücher, einen Wäscheraum, einen Garten und Postkästen neben jeder Zimmertür. „Es ist wie eine Studenten-WG, bloß mit Betreuung rund um die Uhr“, erklärt Oliver Klöcker, Geschäftsführer der Kissinger Sonne. Ein Gremium aus Angehörigen führt die Wohngemeinschaft, „wir als Vermieter, sind Gast hier“.
Die Bewohner sind unterschiedlich fit, die Rüstigen beteiligen sich am Kochen, an der Tagesgestaltung und lesen auch mal vor. „Natürlich ist es eine Umstellung, von zu Hause auszuziehen und plötzlich mit elf anderen Menschen zusammenzuwohnen. Aber wir haben viele positive Rückmeldungen“, berichtet Klöcker. Zudem ist Wohnen auf Probe für einige Wochen möglich.
Vor Corona sei die Auslastung sehr hoch gewesen, jetzt sind noch vier Zimmer frei: „Die Wartelisten sind während der Pandemie abgerissen. Heute merken wir, dass der allgemeine Kostendruck auf die Familien sehr hoch ist.“ Warum die Wohnform Senioren-WG noch nicht sehr verbreitet ist? „Viele haben eine WG nicht als Erstes auf dem Schirm. Wenn man krank ist, geht man ins Krankenhaus, wenn man alt ist, ins Altenheim. Das ist noch so in den Köpfen drin.“
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