Walter Hoffmann ist mit seinen 90 Jahren der älteste Bewohner in Schweinfurts erster und bisher einziger Seniorenwohngemeinschaft. Das stellt er mit ein wenig Genugtuung fest. Und er ist einer der ersten, die hier einzogen sind. Das war vor sechs Jahren, als der Freie Altenring gemeinsam mit der Stadt und ihrer Tochtergesellschaft SWG, der Stadt- und Wohnbau-GmbH, das Projekt an den Start brachten. Aber bitte nicht WG, sagt Hoffmann. In der Oskar-von-Miller-Straße 95 spricht man lieber von Hausgemeinschaft. So steht's draußen am Schild, so sieht man sich auch: "Schließlich haben wir doch alle eine eigene Wohnung", sagt der 90-Jährige und lächelt verschmitzt in die Kaffeerunde, die sich im Gemeinschaftsraum versammelt hat.
16 Wohnungen gibt es in der Oskar-von-Miller-Straße 95, und 23 Bewohner. Die Jüngsten sind 56 Jahre alt, die ältesten 90. Es gibt drei Drei-Zimmer-Wohnungen, der Rest ist etwas kleiner. Manche leben zu zweit, andere alleine. Wie Maria Tscherkasov (72). Die "gute Seele" im Haus, wie nicht nur Norbert Kraus, Vorsitzender des Freien Altenrings, sie nennt. Fast täglich trifft sie sich im Gemeinschaftsraum der Hausgemeinschaft mit Linda Nussbaum (90). Auch sie lebt alleine. Man spielt ein Spiel, redet, ist zusammen.
Früher waren es mehr, die sich in dem großen Raum mit Küchenzeile, einer Tischgruppe und dem weiten Blick auf den Birkenhain vor der großen Terrasse draußen versammelt haben, sagt Maria Tscherkasov. Und mehr, die gemeinsam angepackt haben, zum Beispiel im Garten. Woran es liegt? Die Runde diskutiert. Am Alter? Manche sind nicht mehr so fit wie früher, manche krank, können nicht kommen – aber es gibt auch einige, die igeln sich lieber ein, bleiben für sich.
So war das in Schweinfurts erster und bisher einziger Seniorenwohngemeinschaft – hoppla, Hausgemeinschaft natürlich – nicht gedacht. Der Gemeinschaftsgedanke ist das besondere, auch wenn keiner gezwungen werden soll. Aber offen müssten die Leute schon sein, meint Maria Tscherkasov, eine von zwei Haussprecherinnen. Schließlich gibt es deshalb auch den Gemeinschaftsraum, in dem zusammen gekocht, Kaffee getrunken und gefeiert wird. Wer hier einziehen will, sollte sich darauf einlassen wollen. Das, sagt die Haussprecherin, versprechen auch die meisten im Bewerbungsgespräch mit der Runde, die als erstes darüber entscheidet, wer hier einzieht. Fünf Leute aus der Hausgemeinschaft reden mit den Bewerbern, danach stimmt man ab. Fällt das Votum für die Neuen aus, dann ist der Weg frei für einen Mietvertrag mit der SWG.
15 Interessenten stehen auf der Warteliste
Aktuell stehen 15 Personen auf der Warteliste, sagt Kraus. Auch Peter Näther (72) und seine Frau Ilona (56) haben gewartet. Eineinhalb Jahre. Dann konnten sie im November von Gochsheim aus in die Hausgemeinschaft am Bergl ziehen. Dass es sich gelohnt hat, daran lässt der 72-Jährige keinen Zweifel, zeigt stolz seine Wohnung. Der Blick auf die Park ähnliche Anlage zwischen den Häusern, die großen Bäume – das ist für ihn "fast schon eine heile Welt". Selbst die Krähen, die morgens lautstark in den Bäumen krächzen, gefallen ihm. Schöner allemal als das Wohnen im Gewerbegebiet in Gochsheim. Und persönlicher als das Leben in Berlin, wo er 25 Jahre gewohnt hat. Ihm gefällt der Gemeinschaftsgedanke – neben all dem, was die Wohnungen in der Oskar-von-Miller-Straße bieten: barrierearm, Rollstuhl gerecht, gemacht für Senioren. Schon das, sagt Näther, ist in Schweinfurt schwer zu finden. Einkaufsmöglichkeiten sind um die Ecke, eine Stadtbus-Linie fährt alle zehn Minuten Richtung Innenstadt.
Ein Mix aus jungen Familien und Senioren – funktioniert das?
Auch Maria Feifer (67) hat eine Gemeinschaft wie diese bisher nicht gekannt. Vor einem halben Jahr hat sie noch alleine ganz in der Nähe gewohnt. Heute genießt sie das Zusammenleben mit den anderen, das so ganz anders ist als die sonst eher anonymen Nachbarschaften. "Man hilft sich", wirft Walter Hoffmann ein – und lächelt in Richtung Maria Feifer. "Sie hat mein Hörgerät wieder gefunden." Alles lacht.
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Was würden die Bewohner davon halten, wenn junge Familien einziehen? So, wie es für die zweite Senioren-Wohngemeinschaft geplant ist, die 2022 in Schweinfurt öffnen will. Warum nicht, meinen einige, erinnern sich dann aber an die Male, wenn kleinere Enkel zu Besuch gekommen sind. Nicht alle Senioren, die hier leben, fanden das gut. Manche haben sich sogar beschwert. Trotzdem möchte Joseph Rückert, zweiter Vorsitzender des Freien Altenrings an den Gedanken anknüpfen. Zumindest sollte man versuchen, dass mehr Enkel oder Urenkel in der Hausgemeinschaft zu Gast sind, von ihren Großeltern für ein paar Stunden betreut werden. Das bringe Leben und helfe der jüngeren Generation.
Eifrig wird diskutiert. Der Besucher spürt: Hier sitzen Menschen, die sich nicht nur kennen, sondern auch mögen. "Bei uns ist es schön", sagt Maria Tscherkasov und alle nicken zustimmend. Auch wenn die Idee von der eng verbundenen Seniorengemeinschaft etwas von der Realität eingeholt worden ist. "Aber so ist das Leben", sagt Walter Hoffmann. Perfekt ist nichts.
Wie kommt der günstige Mietpreis zustande?
5,50 pro Quadratmeter? Wir haben beim Vermieter, der SWG, nachgefragt, wie sich der niedrige Quadratmeterpreis in der Senioren Hausgemeinschaft erklärt. Die Antwort: Für das Projekt gab es vor sechs Jahren eine separate Förderung: ein Darlehen der Hospitalstiftung zu günstigen Konditionen, sagt Michael Radler, Geschäftsbereichsleiter. Für die zweite Senioren-Wohngemeinschaft in der Theresienstraße, die im April 2022 fertig sein soll, werde es das nicht geben. Dieses Projekt wird rein über das bayerische Modernisierungsprogramm gefördert. Auch hier geht es um sozialen Wohnungsbau. Und die Preise? Sie werden höher liegen, sagt Radler. Ganz festlegen will er sich nicht. Man werde versuchen, den Quadratmeterpreis zwischen 8 und 8,50 Euro zu halten.