Einen Platz zum Chillen und Abhängen. Zum Freunde treffen, Musik hören. Zum Sein. Das wünschen sich Jugendliche in Bad Neustadt: In der jüngsten Jugendbürgerversammlung klagten junge Bad Neustädter über fehlende Freizeitmöglichkeiten.
Auch der Großeinsatz nach einer Teenie-Disco Ende März hat das Thema fehlende Jugendtreffs in der Stadt in den Fokus gerückt. Einmal wieder, muss man fast sagen. Denn das Problem der jungen Bad Neustädter ist eigentlich ein altes.
Rückblick: 2010 wurde der oft schlecht besuchte offene Jugendtreff geschlossen
Über zehn Jahre ist es her, dass der offene Bad Neustädter Jugendtreff im Juze geschlossen wurde. Der geringen Auslastungszahlen wegen entschied der Stadtrat 2010, das Juze-Geld nicht mehr in einen offenen Treff, sondern in Projektarbeit und in die Vernetzung von bereits vorhandenen Angeboten von Schulen, Vereinen, dem Kreisjungendring und kirchlicher Seite zu investieren.
Die bis dato für das Juze aufgewendeten 70.000 Euro an Personalkosten für zwei Erzieher und ein Teil der Betriebskosten von 90.000 Euro sollten für eine vernetzende Internetplattform oder für die Jugendarbeit anderer Gruppierungen eingesetzt werden, so zumindest die damaligen Ideen.
Eine Neukonzeption der Jugendarbeit ist nach zehn Jahren noch immer im Werden
Letztlich, so zeigte die Nachfrage dieser Redaktion einige Monate nach diesem Beschluss im Jahr 2011, hat die Stadt Bad Neustadt mit den Geldern in erster Linie Sachleistungen für Schülerhorte, Schulen und die kirchliche Jugendarbeit erbracht. Die damals avisierte "Neukonzeption der Jugendarbeit" ist, so hat es zumindest den Anschein, auch heute, über zehn Jahre später, immer noch im Werden.
"Beschämend", findet das Susanne Ress, geschäftsführende Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Bad Neustadt, für eine so große Stadt wie Bad Neustadt. Seit rund fünf Jahren gebe es immer wieder Gespräche zwischen Stadt und Kirchengemeinde zwecks einer eventuellen gemeinsamen Finanzierung einer hauptamtlichen Stelle im Bereich Jugendarbeit. Nach dem aktuellen Stand befragt, erklärt Ress: Ein wirkliches Ergebnis gibt es bislang nicht.
Die evangelische Kirche geht ab Herbst "in Vorleistung" und hofft dadurch etwas anzustoßen
Die evangelische Kirche, so Ress, gehe nun "in Vorleistung". Zum Herbst werde eine halbe Stelle im Bereich Kirchenmusik geschaffen. Ziel sei es, sich mit dieser halben Stelle auf den Bereich Jugendarbeit zu fokussieren. "Wir haben die Hoffnung, dass dadurch dann in Bad Neustadt etwas angestoßen wird."
Als Ress 2022 hörte, dass die Polizei rund um das Kaufland-Areal verstärkt kontrolliert, hat sie das emotionalisiert. Nicht, dass sie die Maßnahme falsch finde. Was sie aber dringend wünscht: Weniger Fokus aufs Strafen verteilen bei Jugendlichen, stattdessen mehr Angebote und Prävention.
Weshalb es so schwer ist, Jugendliche zu erreichen
Susanne Ress weiß, wie schwer es ist, Jugendliche zu erreichen. Seit Sommer 2009 können sich junge Leute theoretisch im Jugendraum im Evangelischen Gemeindehaus treffen. In richtiger großer Zahl chillen sie da jedoch bislang selten. Woran das liegt?
Die Beach Lounge gehöre zur Kirchengemeinde, stehe aber selbstverständlich allen Jugendlichen offen, so Ress. "Es ist nicht so, dass da aus der Bibel vorgelesen wird. Jeder ist willkommen." Regelmäßige Öffnungszeiten gebe es allerdings nicht. Derzeit stehe der Raum zweimal im Monat offen. In der Jugendarbeit, ist Ress überzeugt, brauche es aber Regelmäßigkeit und feste Ansprechpartner.
"Durch Corona fangen wir wieder bei Null an. Da sind uns viele weggebrochen." Einen Raum zur Verfügung stellen, reiche nicht. Man müsse immer wieder auf die Jugendlichen zugehen und sie dort, wo sie sind, abholen, ist Ress überzeugt.
Juze: Vom vor sich hindümpelnden Jugendtreff zur Veranstaltungslocation
"Wir würden uns freuen, wenn es in puncto Jugendarbeit in Bad Neustadt vorangeht", Marcel Schäfer, ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins Initiative for music and youth culture nes e.V.. Der Verein veranstaltet seit über zehn Jahren Konzerte im ehemaligen Juze Bad Neustadt und hat das Juze im Laufe der Jahre als Konzertort für die alternative Musikszene etabliert. Aus einem vor sich hin dümpelnden offenen Jugendtreff formte das Team eine gefragte Veranstaltungslocation.
Der Jugendaspekt stand seither allerdings nicht mehr im Vordergrund. Was nicht zwangsläufig so bleiben müsse. Es gibt durchaus Vereinsmitglieder, die wieder verstärkt das Jugend-Thema bespielen wollen. "Wir sind da superoffen. Es wäre cool, wenn im Juze etwas entstehen könnte", so Schäfer.
Erst kürzlich, berichtete Schäfer auf Anfrage, seien Interessierte und Vereinsmitglieder im Vorfeld der Jahresversammlung zusammen gekommen. Eine der Fragen des Abends: "Wie erreichen wir Leute, die keinen Bock auf Konzerte haben? Wie bringen wir frischen Wind rein?" Diverse Ansätze gebe es mit Spikeball-Turnier und Kartenspiel-Events schon.
Juze Verein: Als Ehrenamtliche können sie die offene Jugendarbeit nicht stemmen
Klar ist Schäfer aber auch: "Wir als ehrenamtlicher Verein können eine offene Jugendarbeit nicht stemmen." Da brauche es hauptamtliche Strukturen. Ein Sozialarbeiter oder Streetworker, visioniert Schäfer, könnte im bezugsfertigen Büro im Juze aber super angesiedelt werden. Ein Aufenthaltsraum, ein Kicker, eine neu renovierte Küche seien vorhanden.
In Vertretung von Jugendreferent Janis Heller war bei jener Zuammenkunft im Juze Stadträtin Bettina Wagner dabei. "Das Juze kann, ganz im Gegensatz zum Namen, nicht als offenes Jugendzentrum dienen, da schlicht niemand vorhanden ist, der die Aufsicht über so eine offene Jugendarbeit führen könnte", erklärte sie auf Anfrage dieser Redaktion zur Problematik. "Es ist leider so, dass hier seit Jahren eine Stelle für Jugendarbeit fehlt, um wirklich nachhaltige Angebote zu machen", so die Stadträtin für die "Grünen".
Haushaltsberatung am Donnerstag: Hauptamtliche Kraft im Stellenplan vorgesehen
Fragt sich, ob und wie schnell sich das ändern könnte. Und ob das gewollt ist. Diese Woche verabschiedet der Bad Neustädter Stadtrat voraussichtlich den Haushalt. Auf Anfrage dieser Redaktion erklärte Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner, dass eine hauptamtliche Kraft im Bereich Jugendarbeit im Stellenplan vorgesehen sei. Prinzipiell wolle er den Diskussionen im Gremium aber nicht vorgreifen. Ob der Plan letztlich so bewilligt und wenn ja, ob besagte Stelle noch in diesem Jahr besetzt werde, sei abzuwarten.
Prinzipiell verspricht er: "Wir bleiben beim Thema Jugend dran!" Derzeit, so Werner, liefen viele Gespräche parallel und Prüfungen auf verschiedenen Ebenen. Gott sei Dank gehöre Corona der Vergangenheit an. Die Jugend sei wieder präsent: "Ihren Input nehmen wir auf und prüfen ihn." Schließlich gehe es nicht darum, mal eben schnell einen Jugendraum zu eröffnen. Was auch immer komme, müsse von jungen Menschen mitentwickelt und am Ende von ihnen angenommen werden.